23. März 2015

"Auf der Straße läuft das Leben an dir vorbei"

Interview geführt von

Mit "Nu Eta Da" brachte sich der Darmstädter mit den ukrainischen Wurzeln in Stellung, mit dem Nachfolgealbum "Masta" heißt es nun: durchstarten. Olexesh erzählt über seine Entwicklung, seine Arbeitsweise und darüber, warum er auf keinen Fall zurück auf die Straße will.

Olexesh, gebürtiger Ukrainer, hat seine Karriere nicht nur einer Menge Talent zu verdanken, sondern auch dem nötigen Quäntchen Glück. Als das Telefon klingelt und 385ideal-Chef Celo an der Strippe hängt, verändert sich das Leben des 27-Jährigen auf einen Schlag. Dem Free-Tape "Authentic Athletic" folgt das Debütalbum "Nu Eta Da", das nicht nur Kritiker überzeugt, sondern auch die Top Ten der Albumcharts entert.

Äußerlich hat sich seitdem nicht viel verändert, abgesehen davon, dass Olexesh von Kranichstein nach Griesheim gezogen ist. Dort hat er konstant an seinen Skills gefeilt und präsentiert nun mit "Masta" ein flüssiger klingendes Straßenrap-Album, das bei aller Authentizität und Härte auch immer ein kleines Augenzwinkern in sich birgt. Warum er zwar gerne darüber rappt, aber nie wieder in sein altes Leben zurückkehren möchte, erzählt uns Olexesh beim Interview in Berlin - und noch viel mehr.

Was war das Schönste oder Eindrucksvollste, das du seit deinem Erfolg mit "Nu Eta Da" erlebt hast?

Dass ich meiner Mutter ein Auto gekauft habe. Die konnte das gar nicht glauben. Es war einfach schön, ihr mit meiner Musik eine Lebensfreude machen zu können. Ansonsten hat sich, was meinen Lebensstil angeht, aber nicht viel verändert. Ich chille und schreibe immer noch so wie vorher auch. Dabei hat sich aber ein neuer Stil entwickelt und mein neues Album "Masta" ist entstanden.

Hast du dir selbst von deiner Gage auch etwas gegönnt?

Ja, eine Playstation 4, einen riesigen Fernseher und solche Sachen. Sehr viele Klamotten. Leider habe ich den Schrank dazu vergessen. Jetzt liegen alle Klamotten auf dem Bett rum (lacht).

Du hast in einem Interview gesagt: "Ich hoffe schon, dass durchs Rappen irgendwann 10.000 Euro im Monat rumkommen." Ich schätze, das ist verdammt unrealistisch in Deutschland.

Das ist nicht machbar. Wenn man gerade ein Album rausbringt und viele Einheiten verkauft, kassiert man natürlich schon. Aber regelmäßig pro Monat wäre das schon zu hart. Dafür müsste ich wahrscheinlich irgendeinen krassen Hit entwickeln, der wirklich ständig im Radio läuft.

Hattest du bei den Features mit Sido und Yasha auch ein bisschen diese Radiotauglichkeit im Hinterkopf?

Beides entstand auf jeden Fall in der Gewissheit, etwas Großes zu machen und in die richtige Richtung zu gehen. Bei Sido war es so, dass er in einem Video erwähnt hat, dass er "Purple Haze" und mein Album gerade feiert. Da habe ich die Chance ergriffen und ihn direkt angeschrieben. Viele andere Rapper haben den Track auch voll gefeiert. Keine Ahnung, was ich da gemacht habe. Den Beat hatte ich fünf Jahre lang auf meinem PC und wusste einfach nicht, was ich damit machen sollte. Das ganze Lied hab' ich dann im Auto auf dem Beifahrersitz geschrieben. Wenn du zu Hause sitzt und ständig auf allem herumdenkst, dann fließt es irgendwann nicht mehr so. Und der Kontakt mit Yasha kam durch Celo & Abdi und Syn [Olexesh' Manager, Anm. d. Red.]. Wir haben ihn dann auf den Track "Plan B" gepackt, weil das richtig gut gepasst hat.

Auf "Kranichstil" sagst du, dass du jeden Tag schreibst. Heißt das, du stehst morgens auf und setzt dich direkt an deine Texte?

Ja, ich steh' automatisch schon um acht Uhr auf. Außer natürlich, wenn ich trinke oder feiern gehe, dann will ich da noch nicht aufstehen (grinst). Aber sonst: Um acht Uhr aufstehen, immer Texte schreiben. Ich kann irgendwie nicht anders, das ist so eine Sucht, Musik zu machen.

Dabei entsteht aber bestimmt auch viel, das du hinterher nicht gebrauchen kannst, oder?

Jaaaa, es geht. Mittlerweile mache ich das ja schon länger und versuche wirklich, auszuwählen. Also, dass wenn ich etwas anfange, ich das auch zu Ende bringe und es Wert hat. Okay, kann sein, dass ich mal ein paar Kleinigkeiten umschreiben muss. Aber meistens bleiben die Texte schon so, wie sie von Anfang an waren.

"Ständig auf die gleichen Beats ausrasten, ist langweilig"

Vor ungefähr einem Jahr hab' ich dich als Support von Ssio in Frankfurt gesehen. Vor ein paar Wochen dann mit Haftbefehl zusammen. Ich muss sagen, du hast dich live stark verbessert. Geht das einfach mit der Erfahrung einher, oder übst du auch zu Hause?

Das kam einfach durch die vielen Auftritte, glaube ich. Aber auch aus dem Ehrgeiz an mich selbst: Man hat dann so richtig Lust, das zu machen. Auf der Bühne bekomme ich einen richtigen Kick, einen Adrenalinstoß, und es kommt einfach alles raus. Wenn ich aber weiß, dass ich bald einen Auftritt habe, dann übe ich das vorher schon mit meinem Backup.

Im Interview mit der Juice hast du gesagt: "Ich klinge so, wie ich schon immer klingen wollte." Ist da trotzdem noch Luft nach oben?

Klar, aber wenn, dann geht das in eine andere Musikrichtung, G-Funk vielleicht. Damit habe ich auch schon angefangen. Das nächste Mixtape ist auch schon fertig, aber für das G-Funk-Tape lasse ich mir Zeit. Dafür fahre ich dann zum Beatmaker, und wir beide produzieren zusammen. Wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt, merkt man, dass das wirklich eine ganz andere Musikrichtung ist. Ich hab' einfach damit angefangen, weil ich es langweilig finde, ständig auf die gleichen Beats auszurasten. Lieber ein bisschen gechillt, mit harmonischen Hooks. Aber es bleibt trotzdem alles im Hip Hop-Bereich.

Aktuell schicken dir Produzenten die Beats, und du pickst dir einfach die passenden heraus?

Im Großen und Ganzen schon. Ab und zu, wenn ich mal Lust auf etwas Besonderes habe, dann fahre ich schon mal hin, und man arbeitet zusammen an einer Sache. Ich schreibe auf jeden Fall immer auf Beats. Erst damit kommt die Idee für den Text.

Ein anderer Gast auf "Masta" ist Hanybal. Beim Blick auf deine Facebook-Seite könnte man meinen, du machst für sein Album mehr Promo als für dein eigenes.

Schon, sein Album kam ja, und dann mussten wir ihn einfach pushen, damit so viele Leute wie möglich etwas von dem Künstler sehen. Wir hoffen auch, dass das auf Gegenseitigkeit beruht. Aber das muss auch nicht sein. Ich bin einfach froh, dass meine Musik gut ist, das ist das Allerwichtigste. Denn dann wird die sich auch von alleine durchschlagen. Das Lied, auf dem Hany drauf ist, war eigentlich schon ready, als Syn meinte, er passe da voll gut drauf. Dann gings zack-zack!

Hast du eigentlich auch Verbindungen zur Darmstädter Rap-Szene?

Da gibts ja gar nicht so viele, da ist gerade tote Hose. Höchstens Digga Ras oder die Bessunger Hills. So ein paar Undercover-Rapper. Aber die haben mich zum Beispiel früher nie akzeptiert. Wenn ich auf irgendwelchen Shows gerappt habe, haben die das nicht respektiert. Die waren halt auch ungefähr acht, neun Jahre älter als ich. Jetzt lecken die sich die Finger, um ein Feature mit mir zu machen. Aber ich bin korrekt und mach' das schon. Letztes Jahr haben die zum Beispiel einen Remix gemacht und die Hook von "Franky Town" gesampelt. Das war zwar kein richtiges Feature, aber ich wollte auch nicht einfach irgendwas machen, das nicht mit meinem Manager abgesprochen ist. Wenn ich jetzt zum Beispiel eine Sache nicht machen will, dann ruft der dich an und denkt sich irgendeine Lüge für mich aus (lacht).

Du hast im Interview mit dem Darmstädter Echo gesagt, dass du einen Song zur Fußball-WM geplant hattest. Warum ist daraus nichts geworden?

Das war ein tödliches Versprechen (lacht). Aber ich habe etwas anderes geplant für die Zukunft, das hoffentlich klappt: Es gibt ja dieses 'Red Bull BC One: Battle Of The Year', also Breakdance. Dafür will ich einen Song machen, der richtig groß wird. Der steht sogar schon fast. Ich muss nur noch einen guten Beat dafür finden.

"Ich habe es gehasst, benotet zu werden"

Ganz anderes Thema: Beschäftigt dich die aktuelle Situation in der Ukraine?

Schon, aber von hier aus können wir kaum was bewirken. Alles, was wir aus der Presse erfahren, ist doch null die Wahrheit. Was hinter den Kulissen passiert, erfährt ja keiner. Wenn wir uns jetzt hier unterhalten, was sich ändern müsste, dann bringt das einfach nichts. Die Politiker sind einfach zu mächtig. Ich war jetzt auch seit acht Jahren nicht mehr dort. Meine Oma und mein Opa sind letztes Jahr gestorben, leider. Ich bin jetzt seit meinem sechsten Lebensjahr in Deutschland. Wenn ich mit meinem Onkel in der Ukraine rede, ist er stolz darauf, dass ich überhaupt noch Russisch reden kann. Es soll auch bald ein Feature mit einem russischen Rapper geben, bei dem ich dann auf Deutsch rappe.

Auf "Sound Für Den Hof" gibt es die Line "Die Straße, mein Feind". Hast du das schon immer so empfunden?

Das war schon immer so. Es klingt zwar schön, zu sagen, dass man von der Straße kommt und Straßen-Rap macht. Aber in gewissen Momenten macht einen das auch einfach traurig ... wenn irgendwas Schlimmes passiert, du alleine bist und abkackst. Ich will auf keinen Fall wieder dorthin zurück, das ist langweilig. Man kann darüber rappen, aber wirklich dort zu chillen, das ist Zeitverschwendung. Das Leben geht nicht voran, wenn du nur auf der Straße rumhängst, sondern läuft an dir vorbei.

Auf "Zurück In Den Tag" sagst du "Lass' mich nochmal Kind sein." Hattest du trotz der schwierigen Umstände eine schöne Kindheit?

(Überlegt) Einerseits würde ich alles ändern und die Schule gut absolvieren. Ich hab' es einfach gehasst, benotet zu werden. Man kann so viel aus sich machen. Wenn man eine Drei bekommt, heißt das dann, man ist mittelmäßig im Leben? In Mathe zum Beispiel habe ich immer nur ausgefüllt, was ich wusste. Also Name und Datum. Die Lehrer sind direkt abgedreht. Andererseits läufts momentan ja gut, die CD hat sich gut verkauft und ich bekomme tolle Resonanzen. Wenn das mit dem Rappen nicht mehr läuft, muss ich halt wieder arbeiten gehen. Deshalb versuche ich, so viel wie möglich zu schreiben. Das ist so eine Art Altersvorsorge.

Auf deinem Album kommst du, im Gegensatz zu vielen Kollegen, ganz ohne Namedropping und Disserei aus. Woran liegt das?

Die Fans haben mich als Künstler kennengelernt, der einfach für seinen Rap-Stil berüchtigt ist und damit schon einschlägt. Und jeder hat Erfolg verdient, wenn er hart arbeitet. Ich mag diese Disserei einfach nicht und finde es viel besser, wenn man jemanden auf die Art "disst", dass man einen Baba-Track macht, der überall läuft, wo der Typ sich aufhält. Zum Beispiel: Du hast mich jetzt gedisst, und ich mache einfach einen Superhit, der zwar nichts mit dir direkt zu tun hat, sondern einfach überall läuft, wo du dich bewegst.

Die Geschichte hinter "Arschkontrolle" ist dir wirklich passiert. Wie realistisch ist der Track "Avtomat"?

Der Song ist eher als Comedy zu betrachten, aus der Welt eines Spielsüchtigen. Damit kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn du wirklich spielsüchtig bist. Du kannst alles verlieren, alles kann den Bach runtergehen. Im Großen und Ganzen sollte man den Song aber nicht zu ernst nehmen, auch wenn es ein ernstes Thema ist. Ich hab' mit 16 das erste Mal gespielt. Dann ist meine Mutter zu allen Spielotheken in Darmstadt gegangen, hat da mein Foto hingelegt und gesagt: "Der Junge hat Hausverbot" (lacht).

Wärst du enttäuscht, wenn "Masta" in den Charts schlechter abschneidet als "Nu Eta Da"?

Das ist unmöglich! Ich war noch nie so zufrieden. Ich habe etwas kreiert, das im Gegensatz zu früher viel flüssiger klingt und mehr Spaß beim Anhören macht. Ich wusste einfach, da geht mehr. Ich habe noch meine allererste Kassette, die ich mit Piepsstimme auf einem Rekorder aufgenommen habe. Das war schon lustig. Vielleicht bringe ich das irgendwann mal raus, wenn ich keinen Erfolg mehr habe. Damit der noch weiter runtergeht (lacht).

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