laut.de-Kritik

Lehrstücke aus dem Extrem-Metal-Bereich.

Review von

In Obscuras antikosmischer Gedankenwelt verkehren sich die Gegensätze. Was ist gut? Was böse? Licht, das ins Dunkel dringt, als bestimmende Daseinsform stellt für Vordenker Steffen Kummerer den Ausnahmezustand dar.

Entsprechend präsentiert sich die Musik im Bannkreis von Tech-Death-Innovatoren wie Death und Cynic: geschickt gestreute Dissonanzen, irrwitzig schnelle Läufe, in sämtlichen Kirchentonarten beheimatete Harmonien und rhythmisch-metrische Verzerrungen wie das verschobene Raum-Zeit-Kontinuum im Ereignishorizont eines schwarzen Loches. Wobei die Momente klassischer ästhetischer Prägung um so heller strahlen.

Gemeinsam mit Produzent V. Santura (Triptykon, Pestilence) verleiht die Band jedem Stück prägnante Widerhaken, wie der Refrain im tonnenschweren "The Monist", die Chorpassage in "Ode To The Sun" oder das Lichtgeschwindigkeits-Riff zu Beginn von "Fractal Dimension". Dass die Bändigung dieses scheinbar akustischen Chaos' funktioniert, liegt an der konzeptionellen Verzahnung, der famosen Spieltechnik und dem Einfallsreichtum.

Gleich drei Songwriter vereinen Thrash-, Black- und Death Metal zu einer extremen Melange, verfeinern diese mit klassischen und jazzigen Ideen und verstehen unter "progressiv", willentlich innovative Sounds auszuprobieren, statt nur verkrustete Genre-Standards nachzuplappern. Was Linus Klausenitzer auf seinem wahlweise sechs- oder siebensaitigen Fretless-Bass zaubert, spottet jeder Beschreibung.

Einzelne Momente herauszuheben, fällt schwer, trotz dieses Reigens an Riffs, Arpeggien, Harmonien und Melodien. Ähnlich wie auf den beiden grandiosen Vorgängern "Omnivium" und "Cosmogenesis" gelingt der Spagat zwischen traditioneller Kredibilität und fortschrittlichem Entdeckergeist.

Der 15-minütige Abschluss "Weltseele" basiert lose auf Goethes gleichnamigen Gedicht. Diese symphonische Achterbahnfahrt rüttelt den Hörer harsch durch, bis der räudige Sturm in einem klassischen Zwischenpart abflaut, vor dessen Kunst sich Heerscharen von Filmkomponisten verneigen dürften. Im Anschluss das Wort "episch" zu bemühen, hieße Gitarren ins Jimi Hendrix-Museum zu tragen.

Musikalisch bewegen sich Obscura auf einem immens hohen Level. Die Saitenarbeit ist sowohl virtuos als auch mit unbändiger kreativer Kraft versehen. Meinte man, Kiko Loureiro habe auf der neuen Megadeth-Scheibe das derzeitige Mekka solistischer Ausschweifungen kreiert, legen diese Herren hier noch eine Schippe drauf und lassen gar einen Alexi Laiho (Children Of Bodom) wie einen Anfänger dastehen.

Als Anhörungsunterricht eignet sich hierfür der Titeltrack ideal. Steffen Kummerer reizt das Spektrum extremer Gesangsmöglichkeiten von guttural über keifend bis wimmernd gnadenlos aus. Dazu gesellt sich der von Cynic bekannte Vocoder, die oben angesprochene Chorpassage sowie vereinzelte Gesangspartien.

Wer auf die konzeptionelle Dichte wie auf der letzten Between The Buried And Me schwört, bei einem spieltechnischen Level auf einer Stufe mit Animals As Leaders mit der Zunge schnalzt und gegen Lehrstücke aus dem technischen Extrem-Metal-Bereich nichts einzuwenden hat, sollte unbedingt die griechische Übersetzung des Wortes "Akróasis" in die Tat umsetzen: Zuhören. Neben der neuen Borknagar ein Highlight des noch jungen Jahres.

Trackliste

  1. 1. Sermon Of The Seven Suns
  2. 2. The Monist
  3. 3. Akróasis
  4. 4. Ten Sepiroth
  5. 5. Ode To The Sun
  6. 6. Fractal Dimension
  7. 7. Perpetual Infinity
  8. 8. Weltseele

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