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Exzentrik, Rausch & Frust

Kategorisieren wir also ein wenig: Wenn man sich den Mainstream ansieht, lassen sich grob drei Kategorien an Wirkungen ausmachen, die der spezifische Einsatz der verschwommenen Sprache hervorbringt. Natürlich ist nichts davon in Stein gemeißelt, aber vielleicht dennoch ein guter Richtwert dafür, dass die Delivery stets einem sinnvollen Zweck folgen sollte.

Die Wirkung des Exzentrischen zum Beispiel verzerrt die Sprache zur Unkenntlichkeit, weil die Vocals ohnehin schon alle gesanglichen und kommunikativen Grenzen ausloten. Ob es nun die explosive, an Geschrei grenzende Art eines Trippie Redd, das expressive Performen von Young Thug, die gestelzte Delivery eines Lil Uzi Verts oder das komplette Chaos eines Desiigners ist: Hier verliert die Sprache nicht wegen Energielosigkeit an Konturen, sondern wird von der schieren emotionalen Hinterhand übermannt. Diese lose Kategorie entrückt Wörter also vor allem, um der Betonung mehr Raum für den Ausdruck intensiver Gefühle zu geben.

Nach dem Reinfall von vorhin gibt es jetzt doch noch einen Moment für Kodak Black: Der Ausdruck von Rausch ist die vielleicht klassischste Konnotation, die der Vocalstyle birgt. Rapper wie Autotune-Future, Lil Tracy oder Lil Xan klingen hier und da so, als schliefen sie an Ort und Stelle beim Rappen ein. Die Reduktion der Stimme kann ein Gefühl von Anxiety und Kontrollverlust ausdrücken und verändert den Kontext der Texte dahingehend, dass der Protagonist auf einmal selbstzerstörerischer und verlorener anmutet, als er mit klarem Ausdruck erschienen wäre.

Zuletzt könnte man noch den stillen Frust benennen. 21 Savage und die natürliche Future-Stimme fallen in diese Kategorie. Die reduzierte, konzentrierte und feste, aber trotzdem irgendwie verschwommene und low-key gebliebene Stimmlage kommuniziert einen bedrohlichen, fast ein wenig frustrierten Vibe.

Natürlich gibt es darüber hinaus einzigartige Effekte, die mit dem Stilmittel ausgelöst werden können. Die psychedelischen Klangwelten von Travis Scott etwa, oder die monotone Robotik eines Nav. Aber im Großen und Ganzen weiß jeder Amirapper, von denen einige klar zu Flers Vorbildern zählen, genau, wieso er seine Stimme einsetzt, wie er es tut. Und Flizzy weiß das ja sonst auch! Auf dem Rest des Songs ist die Delivery kompakt und druckvoll, genau wie der Protagonist am besten mit seinem Typ Beat funktioniert. In der Hook murmelt er dann. Die letzte Kategorie käme dem zwar am nächsten, aber Fler will nicht bedrohlich klingen. Fler will hier allen voran zeigen, dass er seine Hausaufgaben gemacht hat, und fordert nun ein wenig Hypebeast-Support für die offensichtliche Anleihe.

Klar ist es irgendwo albern, sich derartig ausschweifend über ein kleines Detail im Refrain zu echauffieren. Aber ich halte das für notwendig: Fler ist auf einem verdammt guten Weg. Dass gerade er jetzt wieder dieser lästigen Deutschrap-Krankheit verfällt, einfach wahllose Stilmittel in Songs zu werfen, bei denen keiner so genau weiß, warum sie jetzt eigentlich da sind, bedeutet einen Rückschritt. Optimalerweise besteht ein Song nur aus so vielen Elementen, wie er unbedingt braucht. Niemand fragt nach einem Doubletime-Rapverse am Ende von Futures "Mask Off". Ein ausuferndes Gitarrensolo würde die Einleitung von Lil Pumps "Gucci Gang" nicht besser machen. Es hat auch seine Gründe, dass die Hook auf Wu-Tangs "C.R.E.A.M." keine Screamo-Einlage war.

Kurz gesagt: Songwriting sollte sich auf das Notwendige beschränken, und ein Rapper sollte wissen, wozu er die Mittel einsetzt, die er benutzt. All die wahllos eingestreuten Ideen machen viele Songs unkoordiniert und ziellos.

Deswegen war ich ziemlich genervt von Flers Hook auf "Highlevel Ignoranz".

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