4. Juni 2014

"Ich spiel' nicht mehr für 'ne Kiste Bier!"

Interview geführt von

Ralf Hubert, Bassist, Songwriter und Megaguru bei Mekong Delta, spricht über verpatze Artworks, gewachsene Ansprüche und einen zweiten Gitarristen, den niemand braucht.

Als Anfang des Jahres die ersten Soundfiles der neuen Mekong Delta-Scheibe in meiner Mailbox landeten, herrschte noch die Gewissheit vor, bald ein weiteres Meisterwerk in den Händen zu halten. Als dann aber Bilder des Coverartworks veröffentlicht werden und das Album "In A Mirror Darkly" zur Review vorlag, keimten doch Zweifel.

Vor allem das Artwork stößt gemeinhin nicht auf sonderlich viel Begeisterung. Das dürfte vor allem daran liegen, dass man auf den dunklen Bildern kaum etwas erkennt. Das, was man erkennt, reißt auch nicht wirklich zu Begeisterungsstürmen hin.

Was ist da los, Herr Hubert? Über dieses Artwork müssen wir uns echt mal unterhalten.

Ne, müssen wir nicht. Weil du das eigentliche Artwork noch gar nicht gesehen hast (lacht).

Wie soll ich das verstehen?

Das Artwork besteht eigentlich aus acht einzelnen Bildern. Die wurden im Booklet leider fürchterlich schlecht gedruckt. Warum das so passiert ist, kann sich wohl jeder selber ausrechnen. Aber das, was im Booklet sichtbar ist, kommt leider nicht einmal ansatzweise an die Original-Bilder heran. Für jeden Titel gibt es ein einzelnes Bild, das leider von der Druckerei trotz von mir mitgeliefertem Proof nicht vernünftig umgesetzt wurde. Wenn etwas im Gegensatz zum Proof zu dunkel ist, kontaktet man meines Wissens den Erzeuger, um das zu ändern. Dachte immer, dafür wäre ein Proof eigentlich da. Aber ich hab' im Laufe der Jahre ja auch erst mehrere 1000 CDs (ohne Beschwerden) im Auftrag erstellt, bin wahrscheinlich zu doof dafür.

Das Cover ist jetzt quasi aus einer Notlage heraus entstanden, da ich immer noch an einem Clip arbeite, der das ganze Album visuell unterstreichen soll. Die Bilder an sich sind auch keine Gemälde, sondern alles Renderings. Letztendlich sind das sehr hochauflösende Animationen. Da wir das auch in den USA rausbringen wollten, der Vorlauf aber deutlich unterschätzt wurde, bekam ich an einem Mittwoch-Abend um 21 Uhr die Nachricht, dass das Cover bis morgen Früh fertig sein müsse, weil sich der Release sonst erneut verschieben würde. Jetzt rate mal, welches Bild zu dem Zeitpunkt fertig gerendert war?

So, nun sieht dieses Dreieck bei der entsprechenden Auflösung wirklich geil aus. Aber das lässt sich auf der CD-Hülle leider in keiner Weise wiederfinden. Aber der Clip ist in Arbeit, da wird auch bald was kommen. Da ich aber mal wieder alles selbst programmiere und leider kein Team hab', mit dem ich da arbeiten könnte, kann das noch ein wenig dauern.

Damit man zumindest einen etwas besseren Eindruck davon bekommt, gibt es hier eine kleine Bildergalerie, leider auch in niedriger Auflösung. Weitere Infos zum Coverartwork werden schon bald folgen.

Wie bist du mit der Labelarbeit von SPV bisher zufrieden?

Soweit echt gut. Hat vor allem den Vorteil, dass ich den ganzen Kram nicht machen muss (lacht). Sonst musste ich immer alles an alle Leute rauschicken. Gerade in den USA haben SPV natürlich ganz andere und vor allem mehr Kontakte, als ich je hatte. Das war auch einer der Hauptbeweggründe, warum ich mit Mekong Delta zu SPV gegangen bin. Als kleines Independent-Label, das Aaarrgh nun einmal ist, in Amerika einen Fuß auf den Boden zu bekommen, ist so gut wie unmöglich. SPV haben dort einen eigenen Vertrieb, ein Label vor Ort, und so kommen dabei letztendlich vielleicht auch ein paar Shows für uns raus. Die Reaktionen von dort sind bislang auf jeden Fall sehr, sehr positiv. Was Europa, speziell Frankreich, angeht, sind meine Kontakte sogar besser (lacht).

Wobei du da vermutlich gar kein großes Fass aufmachen musst, um Medieninteresse zu wecken, oder?

Nein, das stimmt schon. Das soll jetzt echt nicht arrogant klingen, aber wenn Mekong was rausbringen, dann rufen die entsprechenden Medien, gerade in Frankreich, ehe alle an. Wir sind nun mal nicht sonderlich präsent, wenn nicht gerade ein Album ansteht. Sobald da irgendwas passiert, das nicht dem Standard entspricht, wird in der Regel gleich nachgefragt.

"Der Mann ist Tenor!"

Na, ihr veröffentlicht ja jetzt auch nicht so häufig Alben. Live sieht man euch auch kaum.

Kann man so oder so sehen. Wir haben jetzt die letzten drei Alben im Zweijahrestakt veröffentlicht. Das ist schon ganz schön viel, für meine Verhältnisse. Musik muss reifen, wie guter Wein. Ich halte nichts davon, einfach nur Material zu veröffentlichen, damit was auf dem Markt ist. Gerade so eine Nummer wie "Inside The Outside Of The Inside" schreibt man halt nicht von heute auf morgen. Da steckt richtig viel Arbeit drin. Da muss man ganz schön viel nachdenken, ehe alles so klingt und funktioniert, wie es soll.

Kann ich mir durchaus vorstellen. Vor allem, da mich die Nummer doch sehr an die "Dances Of Death"-Ära erinnert.

Versteh' ich ganz ehrlich nicht. Wobei du nicht der erste bist, der mit diesem Vergleich ankommt. Wenn ich das von meiner Warte aus strukturiere, dann ist es von der Basis her auf einer extrem klassischen Struktur aufgebaut. Bass und Gitarren ähneln sehr dem, das eine Streichersektion im Orchester normalerweise veranstaltet. Gerade von den Drums her kommt schließlich ein gewisser Thrash- und Rock-Touch mit dazu und letztendlich - für mich fast das Interessanteste an der Sache – hab' ich ein paar Seventies-Riffs mit eingebracht. Ich wollte da einfach ein paar Seventies-Elemente mit drin haben. Das klingt natürlich nicht original wie die 70er, aber diese Riff-Typen sind von der Struktur her doch sehr an diesen Sound angelehnt. Wollte einfach mal sehen, ob das funktioniert, und bin doch sehr zufrieden mit dem Ergebnis.

Hattest du den Ansatz auf "Dances Of Death" auch?

Nein, gar nicht. Deswegen verstehe ich den Vergleich ja auch nicht. Aber is' ja okay, jeder Mensch klammert sich irgendwo dran, um etwas zu verstehen. Von daher sei dir das verziehen (lacht).

Na, da bin ich aber eeeecht froh.

Was ich mir auch vorstellen könnte ist, dass der Vergleich vielleicht von "Night On A Bare Mountain" her stammt, das ja auch ein recht langes Instrumental auf der "Dances" war.

Das könnte zwar sein, nur ist es auch so, dass ich mir zu "Inside ..." perfekt den Gesang von Doug Lee vorstellen könnte.

(Vollkommen verblüfft) Zu der Instrumentalnummer? Wo soll denn da noch gesungen werden? Wir haben doch eh schon zehn Gitarren rausgeschmissen, weil das Ding sonst viel zu vollgepackt gewesen wäre. Man hört auf dem Album tatsächlich nur die abgespeckte Version, weil es massiv Probleme beim Abmischen gab, das Ganze überhaupt nicht strukturierbar zu gestalten. Aber kann schon sein, dass das deine Verbindung ist. Martin hätte da aber, glaube ich, insistiert, wenn er auf "Inside ..." auch noch hätte singen sollen (lacht).

Wir sind ja mittlerweile so weit, das wir versuchen, die wirklich komplexen Nummern rein instrumental zu halten. Das hat den Vorteil, dass man beim Komponieren nicht mehr auf den Gesang Rücksicht nehmen muss. Mit Gesang gehe ich das Songwriting ganz anders an, da Martin auch eine sehr atmosphärische Stimme hat, der man den entsprechenden Raum zum Entfalten geben muss. Nach dem Prinzip gehe ich seit "Wanderer On The Edge Of Time" vor. Früher war das ja so, dass sich die Stimme quasi immer wie in fünftes Instrument über alles gesetzt hat.

Das lag zum Teil aber auch daran, dass die bisherigen Mekong-Sänger nicht das Volumen von Martin hatten. Der Mann ist Tenor und kann damit 'ne Menge Sachen, die mit den anderen so wahrscheinlich nicht funktioniert hätten. Ohne, dass ich jetzt einen seiner Vorgänger schlecht machen möchte, ganz im Gegenteil. Wenn du die Stimme aber zur Geltung kommen lassen willst, musst du entsprechende Freiräume schaffen. Das funktioniert nur, wenn du das Instrumentalgeschehen an der Stelle zurückfährst. Wobei dieses Zurückfahren dann allerdings auch schon wieder auf einem Level ist, das bei den alten Scheiben das Höchstmaß der Gefühle war (lacht). Wenn ich mich also bewusst bremse, um genügend Freiräume für Martin zu lassen, dann kommen dabei so Nummern wie "The Sliver In Gods Eye" raus.

Das ist tatsächlich der Song, der für meinen Geschmack am ungewöhnlichsten ist.

Die Sache ist die: Du kannst instrumental sehr schnell unterschiedliche Atmosphären schaffen, indem du es richtig krachen lässt, extrem düstere Momente erzeugst, oder was auch immer. Wenn es aber darum geht, eine Geschichte zu erzählen, die Atmosphäre mal anders aufzubauen, dann musst du mit der Stimme auch ganz anders arbeiten. Das ist mir vor allem bei meinen Arbeiten zu "The Heart Of Darkness" aufgefallen. Ich hab mittlerweile wieder alles verworfen, das ich je zu dem Thema ausgearbeitet hatte, und will da ganz neu anfangen. Aber dieses Mal eben über das Thema Gesang. Damit lassen sich ganz andere Kontraste erarbeiten. Zumindest ist das der momentane Stand der Dinge. Das kann sich auch wieder alles ändern, bis da tatsächlich was bei rauskommt (lacht).

Heißt das, ihr müsst für das Projekt enger zusammen arbeiten?

Eigentlich nicht. Ich schreibe die Songs ja trotzdem alle selber und weiß dann, was da stimmlich kommen soll. Das ist ja das unglaubliche Geile an Martin: Der Mann kann genau das singen, das ich mir dazu vorstelle. Die Gesangslinien auf dem Album sind an einem Sonntag-Nachmittag in gerade mal drei Stunden entstanden. Das klappt wie am Schnürchen. Wir ergänzen uns echt prima, denn wenn Martin nichts einfällt, kommt meistens gleich eine Idee von mir oder Erik. Ob das dann alles realisierbar ist, ist wieder eine anderen Frage, aber er macht zumindest immer irgendwas draus.

"Warum sollte ich mir einen zweiten Gitarristen antun?"

Hat er denn auch textlich jetzt mehr in seiner Hand?

"Mutant Messiah" stammt von ihm, aber eigentlich auch nur, weil ich da keine Zeit hatte, noch was zu texten. Ansonsten stammen alle Lyrics von mir. Das hat aber auch einfach zeitliche Gründe. Wir mussten den Release ja schon dreimal verschieben, weil noch nicht alles fertig war oder ich mit dem Ergebnis einfach nicht zufrieden war. Martin legt sich für die meisten Songs immer schon gewisse Fragmente zurecht, die er singt. Bei "Mutant Messiah" war das schon relativ weit ausgearbeitet. Da ich in aller Regel die Rhythmik der Wortsilben eh aufnehme, um das Vermaß von ihm zu übernehmen, hat sich das bei dem Song angeboten, dass er den Text komplett übernimmt.

Wie sieht es mit Liveauftritten dieses Jahr aus?

Da sind Leute dran, aber bislang ist nur ein Festival in der Tschechei bestätigt. Ist alles immer etwas schwierig, weil wir auch nicht ein Wochenende da, ein Wochenende da und dann wieder zwei Wochen lang nix spielen wollen. Entweder, man bekommt zehn Tage am Stück auf die Beine, oder man lässt es sein. So gerne wir auch live spielen, aber wir können das unmöglich soweit auseinander ziehen. Vor allem Alex (Landenburg, Drums, u.a. bei Axxis oder Luca Turilli's Rhapsody) ist eh dauernd unterwegs und eingebunden. Martin (LeMar, Gesang) ist mit Nachtgeschrei auch ziemlich ausgelastet, und Erik (Grösch, Gitarre u.a. bei Straight From Hell) beschwert sich in der Regel auch nicht über zu viel Freizeit. Das muss einfach sehr genau koordiniert werden. Erschwerend hinzu kommt noch: Ich spiel' einfach nicht mehr für 'ne Kiste Bier! Außerdem würden wir das Album auch gern auf eine besondere Art präsentieren. Vor allem, nach den wirklich überschwänglichen Reaktionen bisher.

Sind die noch positiver, als auf die letzten Alben?

Was soll ich sagen ... "und sie wähnten sich gottgleich, um dann tief abzustürzen" (lacht). Das drückt momentan in etwa meine Gedanken dazu aus. Das Feedback bisher ist wirklich fantastisch. Gerade auch in den Staaten und sogar in Großbritannien. Und die halten sich bei deutschen Bands ja in der Regel mit Lob zurück.

Hast du vor, in Zukunft wieder mit einem zweiten Gitarristen zu arbeiten?

Nein, warum denn? Warum sollte ich mir das antun, mein vor allem im Produktionsprozess schon brach liegendes Nervensystem mit einem zweiten Gitarristen zu strapazieren? Reicht doch, wenn ich mich da mit einem rumschlage (lacht). Außerdem ist auf dem Album ja kein einziges Solo drauf, für das man einen zweiten Gitarristen bräuchte. Mit Erik ist das inzwischen ein echt gut eingespieltes Team, weil der Mann mich mittlerweile gut kennt und weiß, was ich machen will. Wenn ich ihm die ersten Soundfiles schicke, sind das ja keine Gitarrenriffs, sondern ausschließlich Synthies. Riffs entstehen entweder rein aus dem Kopf heraus, die ich dann notiere und anschließend zu spielen versuche, oder ich schreibe sie auf der Konzertgitarre. Ich diskutiere das dann mit Erik durch, ob das überhaupt so machbar ist, und dann legen wir los. Ein Riff wie bei "Armageddon Machine" ... Ich behaupte mal, dass ein E-Gitarrist da gar nicht drauf kommt. Der hat gar nicht die Möglichkeit, das so zu spielen, wie ich das auf der Konzertgitarre mache. Man hat damit viel mehr Möglichkeiten, als auf einer elektrischen Gitarre. Man mag mir vergeben, aber die meisten Riffs, die man heute hört, die spiel' ich auf einem verzerrten Bass aber 1:1 nach. Das sind ganz einfache Figuren, das brauch' ich für Mekong Delta wirklich nicht. Erik muss dann eben überprüfen, was sich davon wie umsetzen lässt. Da verlasse ich mich mittlerweile sehr auf ihn. Da muss ich mich echt nicht noch mit einem zweiten Gitarristen rumärgern (lacht).

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