31. Januar 2018

"Ohne Tony wäre da eine große Leere"

Interview geführt von

Es gibt nicht mehr allzu viele aktive Bands, die bereits am Start waren, als Elvis Presley noch lebte und Gene Simmons noch Jungfrau war. Magnum ist so eine Band. Und die Melodic Rocker um Sänger Bob und Tony Clarkin haben noch lange nicht genug. Erst vor wenigen Wochen gelang den Briten mit ihrem 20. Studioalbum "Lost On The Road To Eternity" ein weiterer AOR-Meilenstein.

Im großen Fundus der langen Melodic Rock-Geschichte stolpert man irgendwann zwangsläufig über die Band Magnum. Seit mehr als 45 Jahren touren die beiden nimmersatten Gründungsmitglieder der britischen Kapelle, Bob Catley und Tony Clarkin, nun schon durch die Welt. Selbst in den Jahren, in denen die Band eine "Pause" einlegte (1995 bis 2002) hingen die beiden Rock-Altherren wie Kletten aneinander (Hard Rain).

Mit ihrem 20. Studioalbum "Lost On The Road To Eternity" setzen Magnum dieser Tage ein weiteres, dickes AOR-Ausrufezeichen. Wir trafen uns mit Sänger Bob Catleys zum Interview und plauderten über den dritten Rock'n'Roll-Frühling, die Band-Neuzugänge Lee Morris (Schlagzeug) und Rick Benton (Keyboard) und die Lichtgestalt Tony Clarkin.

Bob, Mitte Februar geht's mal wieder quer durch Europa. Bis zum Tour-Finale am 16. April in Madrid werdet ihr 42 Shows spielen. Das ist ein Programm, bei dem selbst junge Bands erstmal schlucken müssen. Du wirst im Spätsommer 71 ...

(Unterbricht mich:)

Bob Catley: Das ist doch nur eine Zahl (lacht). Ich sag dir was: Man ist immer nur so alt wie man sich fühlt. Das ist nicht nur ein Spruch. Das ist die Wahrheit. Und ich fühle mich nicht wie 71. Ich fühle mich fit und gesund. Und ich bin bereit für die Tour. Ich meine, ich komme gerade direkt von den Proben. Natürlich bin ich müde und ausgepowert. Aber ich spüre auch ganz viel Energie in mir. Die Musik gibt mir Kraft.

Mit Rick Benton und Lee Morris habt ihr zwei neue Gesichter in der Band. Letztgenannter ist bereits der sechste Drummer in der Band-Geschichte. Was ist da los hinter euren Kesseln?

Jimmy (Jimmy Copley) und Jim (Jim Simpson) waren damals nur sehr kurz mit dabei. Dann wären es eigentlich nur noch drei Drummer, denn Lee ist ja erst im letzten Jahr zu uns gestoßen. Demnach hat ein Drummer bei Magnum im Schnitt ungefähr 15 Jahre mit uns auf dem Buckel. Das ist ziemlich amtlich, finde ich (lacht). Aber gut, Spaß beiseite. Du willst natürlich wissen, warum Harry (Harry James) nicht mehr in der Band ist. Es war einfach so, dass Harry in der Vergangenheit unheimlich viel mit Thunder unterwegs war. Das wurde dann irgendwann einfach zu viel. Wir haben uns dann zusammengesetzt und beschlossen uns zu trennen. Harry ist immer noch ein guter Freund von uns. Und das wird er auch immer bleiben. Aber Tony und ich, wir wollten die nächsten Schritte gehen. Und dafür brauchten wir jemanden hinterm Schlagzeug, der konstant am Start ist.

Warum gerade Lee Morris?

Lee wurde von meiner Managerin ins Spiel gebracht. Sie war überzeugt, dass Lee musikalisch und charakterlich gut ins Team passen würde. Wir haben uns dann einige Videos von ihm angesehen und uns mit ihm zum Essen verabredet. Danach war klar: Annie (Annie Minion, Bobs Managerin) hatte Recht. Lee passte wunderbar zu uns.

"Jedes Magnum-Album steht für sich"

Rick Benton passt scheinbar auch gut zu euch.

Auf jeden Fall. Mit Rick hatten wir wirklich Glück. Als uns Mark vor zwei Jahren plötzlich verließ, mussten wir schnell handeln. Wir waren mitten in einer Tour und wollten unsere Fans natürlich nicht enttäuschen. Ich weiß noch, dass wir eine Show komplett mit Keyboard-Sounds aus dem Laptop über die Bühne bringen mussten. Das war eine Herausforderung für alle Beteiligten. Aber es ging gut und war eine weitere spannende Erfahrung für alle Magnum-Mitglieder (lacht). Danach stieß Rick dazu und erledigte einen tollen Job. Wir wussten sofort, dass er uns auch in Zukunft würde weiterhelfen können. Naja, so griff dann ein Rädchen ins andere. Wir sind wirklich happy, dass er damals am Start war. Auf dem neuen Album zeigt er, was er alles drauf hat. Es macht Spaß mit ihm zu arbeiten.

Wie wirkt sich bei einer Band wie Magnum personell frischer Wind auf die Arbeitsprozesse aus?

Wie du schon sagst: Es kommt frischer Wind rein. Das ist gut für alle, für jeden, der schon lange mit dabei ist, und natürlich auch für das große Ganze.

Kommt man auch musikalisch einen Schritt weiter?

Wir haben uns nicht hingesetzt und beschlossen, dass wir neue Leute brauchen, weil es mit Harry und Mark musikalisch nicht mehr funktioniert hat. So lief es ja nicht. Viele Leute erzählen mir immer wieder, dass wir gerade in den letzten Jahren mit die besten Alben unserer Laufbahn herausgebracht haben. Manchmal laufen die Dinge halt so. Und wenn dann neue Türen geöffnet werden, und alles funktioniert, dann ist man einfach nur froh und glücklich darüber.

Apropos jüngere Vergangenheit: Wie erklärst du dir den Schub seit der Veröffentlichung von "Escape From The Shadow Garden"?

Die Frage müsste eher lauten: Wie erklärst du es dir, dass viele Leute ...? Verstehst du? (lacht) Ich empfinde es nämlich gar nicht so. Ich höre mir auch die Alben davor immer noch sehr gerne an. Jedes Magnum-Album steht für sich. Und jedes Magnum-Album hat besondere Qualitäten. Ich bin immer wieder erstaunt über die Resonanz. Aber so ist das nun mal. Der eine mag das, der andere mag das. Für mich persönlich gibt es aber keine großen Unterschiede. Und es gibt auch keine Band-Phase, die ich besonders hervorheben würde. Das werde ich nämlich auch oft gefragt. Ich bin so dankbar für jeden einzelnen Moment, den ich mit dieser Band bisher teilen durfte. Es ist einfach unglaublich, dass wir nach mehr als 45 Jahren immer noch hier sind und Alben rausbringen. Unsere Fans der ersten Stunde sind immer noch da draußen und präsentieren uns ihre Kinder und Enkelkinder. Das ist einfach unfassbar.

"Tony ist das Herz von Magnum"

Tony und du, ihr seid seit Beginn an die Aushängeschilder der Band.

Sicher, ich trage meinen Teil dazu bei. Und das schon seit dem ersten Tag. Ich singe und versuche all mein Herzblut in die Songs zu stecken. Aber Fakt ist: Ohne Tony wäre da eine große Leere. Tony ist das Herz von Magnum. Er schreibt all diese faszinierenden Melodien und all diese tiefgründigen Texte.

In dieser Konstellation würden sich viele andere Bands zerfleischen. Warum funktioniert diese 'Alleinherrschaft' bei euch so gut?

Tony weiß einfach genau, wie ein Magnum-Song klingen muss. Es gibt keinen Grund, sich einzumischen. Ich meine, hör dir all die Songs an. Da ist eine ganz bestimmte Handschrift zu erkennen. Und das schon seit Beginn an.

Aber hat man als Sänger und Frontmann nicht das Bedürfnis ...

(Unterbricht mich:)

Nein, ich weiß was du sagen willst. Das Fundament ist perfekt. Wir, und damit meine ich mich und alle anderen Band-Mitglieder, spielen und singen auf diesem Fundament. Es geht darum, alles in Form zu gießen, damit am Ende alles passt.

Und das reicht dir?

Weißt du, ich habe mehrere Stimmfarben, die ich alle unterschiedlich einsetzen kann. Ich freue mich jedes Mal wieder wie ein kleines Kind, wenn Tony mit einem neuen Demo ankommt. Ich kann mich dann voll und ganz auf meinen Gesang konzentrieren, alles ausprobieren und genau das in die Waagschale werfen, was der Song braucht. Das ist mein Job. Und ich liebe diesen Job.

Magnum ist eine Band mit einer klaren Struktur. Gab es auch mal Phasen, in denen Grundsätzliches in Frage gestellt wurde?

Die personenbezogene Arbeitsweise stand nie auf dem Prüfstand. Aber es gab natürlich immer mal wieder Neuerungen in anderen Bereichen. Wir sind zum Beispiel keine Band, die auf Teufel komm raus so arbeiten will oder muss, wie man es früher gemacht hat. Dieser ganze Vintage-Kram interessiert uns nicht. Wir gehen nicht ins Studio und schmeißen als erstes alle Computer raus, weil wir Platz für unser analoges Equipment brauchen. Das ist Quatsch. Heutzutage hast du alle Möglichkeiten. Die Technik ermöglicht es dir, so zu klingen, wie du willst. Und das nutzen wir aus.

Woran liegt dieser Retro-Wahn? Was denkst du?

Nun, ich kann junge Bands und Künstler natürlich auch verstehen. Die wachsen in einer Zeit auf, in der alles per Knopfdruck möglich gemacht wird. Wir mussten damals noch richtig Hand anlegen, wenn du verstehst was ich meine. Die jungen Bands wollen auch mal so arbeiten. Sie sind neugierig und wollen Dinge ausprobieren. Wir haben das alles schon hinter uns. Wir brauchen das alles nicht mehr. Wir sind froh, dass wir mittlerweile die Möglichkeit haben, bequemer zu arbeiten, ohne dabei an Sound-Qualität zu verlieren.

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