laut.de-Kritik

Wie eintönig kann das High Life sein?

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"Deutscher Rap ist ein Mix aus Statements und schlechter Musik, sehr schlechter Musik", erklärte unlängst der Schweizer Produzent OZ, der sich durch die Zusammenarbeit mit Travis Scott, The Game oder Lil Baby einen Namen gemacht hatte: "Es gibt 5 % mit geiler, kreativer Musik in Deutschland. Aber die anderen 95 % sind einfach respektlos gegenüber deutschen Rap-Fans." Angesichts einer höchst ausdifferenzierten Szene erscheint es ungerecht, ein ganzes Genre derart über einen Kamm zu scheren. Ein Rapper wie Kalazh44 bestätigt hingegen die Aussage vollumfänglich.

"Zwischen Millionen Und Depressionen" vereint alle Elemente, die den hiesigen Hip Hop an den Rand der Ungenießbarkeit treiben. In Autotune getränkte Markenfixierung trifft auf Metaphern, die so antiquiert sind wie das Frauenbild. Kalazh44 bedient Paranoia- und Neid-Motive ebenso durchgängig wie den überstrapazierten Vertrauensbruch: "Gestern Brüder, heute Verräter und morgen Feind." Während ihm die Rolle des verführten Helden zukommt, lauern ihm überall die Rivalen in ihren Löchern auf: "Gott, hol' uns raus, weil um uns 'rum ist der Teufel: Frauen, viel Geld, falsche Freunde."

"Bitches kriegen Absturz, wenn sie keinen Sex kriegen", meckert er in "Rot Und Blau" über seinen Fulltime-Job, den er seiner fast übernatürlichen Ausstrahlung zu verdanken hat: "Mache Models nass so wie Beckham." Der Antichrist persönlich muss seine Finger im Spiel haben, wenn es in "Lüge" ausreicht, ihn einmal zu sehen, um sich umgehend zu verlieben. "Frauen wollen das Eine", wiederholt der Rapper in samrascher Opferpose in "Rote Augen 2" an der Seite von Capital Bra, der mit ganz ähnlichen Problemen kämpft: "Um mich 'rum sind geile Hoes, doch ich muss wieder los."

Unabhängig davon, ob er von Frauen umgarnt oder von der Polizei verfolgt wird, stets thematisiert Kalazh44, das nichts passiert: "Sie wollen chatten, aber ich bin busy." Womit denn? Die Hauptfrage hinter dem im Albumtitel behaupteten manisch-depressiven Leitmotiv lautet offenbar: Wie eintönig kann das High Life sein? Es passiert durchweg nichts Spannendes, was so manchen Vers als leere Behauptung dastehen lässt: "Ich lebe das, was du in deiner Lieblingsserie siehst." Der sich endlos wiederholende Stumpfsinn aus schönen Menschen und Verrat klingt eher nach einer Telenovela.

Ohnehin hat es ihm die filmische Welt angetan. Ob er "Wut im Bauch" hat wie bei "La Haine" oder wie in "Letzte Kippe" als "Legend wie Tom Hardy" auftritt. Die Frau an seiner Seite sieht natürlich "heiß wie Megan Fox" aus. Und wenn er in "Live Fast Die Young" das frühe Ableben romantisiert, wartet der Hörer förmlich auf einen James-Dean-Bezug, den Kalazh44 verspätet in "Panamera" nachreicht. Während er knietief durch filmische Klischees stapft, wehrt er sich zugleich gegen die blauäugige Konkurrenz, die all die Höhen und Tiefen nur aus dem Kino kennt: "Lass ma' deine Filme!"

So verspricht der Titel "Zwischen Millionen Und Depressionen" das ganz große Drama, doch hält letztlich nur schale Stereotype bereit, die der Berliner zu verhaltenen Trap-Produktionen mit Gitarrenbegleitung zum Besten gibt. Am Ende bleibt völlig nebulös, wer er ist, woher er kommt oder wohin er will. Da hilft es auch nicht, dass er in "Macallan" beteuert: "Lass' mein Ziel nicht aus den Augen." Berauscht von Drogen, Anerkennung und Reichtum wirkt Kalazh44 schlicht orientierungslos. Daneben konkurriert Capo mit "Hyat" um die Auszeichnung zum Album des Jahres.

Trackliste

  1. 1. Lüge
  2. 2. Rote Augen 2 (mit Capital Bra)
  3. 3. Keine Liebe (mit Bozza)
  4. 4. Macallan
  5. 5. Rot Und Blau
  6. 6. Letzte Kippe
  7. 7. Live Fast Die Young
  8. 8. Schwarz Oder Weiss (mit Toksi)
  9. 9. Panamera
  10. 10. Läuft
  11. 11. La Haine

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