20. Oktober 2008

"Keine Zeit, die Frau zu schwängern!"

Interview geführt von

Die Kaiser Chiefs legten mit zwei erfolgreichen Alben eine grundsolide Karriere hin, an die sich der Drittling "Off With Their Heads" nahtlos anfügen soll. Anders als bei den skandalträchtigen englischen Kollegen steht beim Fünfer aus Leeds einzig die Musik im Vordergrund. Warum das so ist, und wer eigentlich hinter der Band steht, fragten wir Sänger Ricky und Bassist Simon im Interview.In den heiligen Hallen der Berliner Universal-Studios treffe ich Kaiser Chiefs Sänger Ricky Wilson und Bassist Simon Rix. Sie haben die vorherigen Interviews überzogen und sind spät dran, deshalb schärft mir die Managerin die Zeitbegrenzung noch mal ein.

Ricky hat bereits einen roten Kopf vom vielen Reden, während der schlacksige Simon noch schnell die bequemste Liegeposition auf dem Sofa austariert. Gut gelaunt sind sie aber auch nach dem x-ten Interview noch und werfen sich die Bälle lässig zu.

Euer Album ist langsamer …

Ricky: Langsamer? Ich denke es ist schneller. Es hängt davon ab, welchen Song man hört, wirklich. Ich denke, es ist rasant, es ist in 45 Minuten fertig.

Warum habt ihr mit Mark Ronson den Produzenten gewechselt?

Simon: Wir brauchten einen Wechsel. Viele Bands bleiben in einer Routine stecken. Sie machen es gut, sie kommen ins Radio, verkaufen eine paar Platten und denken: "Das ist ein einfaches Rezept, bleiben wir dabei!" Aber so wirst du nie besser, du wirst nur schlechter. Aber wir wollten besser werden, also haben wir gedacht, lass uns mit jemand anderem arbeiten. Keine mangelnder Respekt vor Stephen Street (dem Produzent der ersten beiden Alben, Anm. d, Red.,), aber ich glaube wir haben die richtige Entscheidung getroffen und Stephen denkt da sicher auch so.

Mir gefällt das Album. Am meisten der Song "Tomato In The Rain". Um was geht es da?

Ricky: Gut, Dankeschön! Das ist ein trauriges Lied über viele Sachen. Es geht darum, alleine im Regen zu stehen. Die meisten Songs haben eher das Ziel, Bilder in deinen Kopf zu kriegen als Dinge zu erklären. Wir wollten Lieder schreiben, die Ideen-Explosionen in deinem Kopf auslösen. Wenn du also in "Tomato In The Rain" die Line hörst, kommt dir hoffentlich eine Tomate im Regen in den Kopf. Wir sind sehr stolz auf unsere Lieder.

Was kommt als nächstes?

Ricky: Das Album ist noch nicht draußen, deshalb ist meine Konzentration voll darauf, dass es endlich kommt. Ich will, dass die Leute es hören, ich will, dass die Leute es lernen, und ich will, dass die Leute es live sehr laut singen. Ich will sehen, was die Leute darüber sagen, nicht nur Kritiken und Reviews in Magazinen. Man sieht das ja nicht sofort, was die Leute denken, aber mit der Zeit will ich die Reaktion darauf beurteilen. Ob es mit meinem Gefühl übereinstimmt, dass es unser bestes Album ist, und dass wir uns konstant verbessert haben.

Das erste Album macht einen berühmt, das zweite Album beweist, dass man wirklich gut ist, und das dritte Album …

Ricky: ... das dritte ist da, um den Sack zu zu machen! Wenn man mal drei gute Alben verkauft hat, danach kann man vielleicht machen, was man will. Das dritte ist wirklich wichtig, um zu zeigen, dass du was kannst.

"Ich schlafe auf dem Tisch ein, wenn ich drei Nächte unterwegs bin"

Ihr seid inzwischen 30 Jahre alt. Taugt ihr noch als Vorbilder für die junge Generation?

Ricky: Puuh, ich weiß nicht, wahrscheinlich. Bist du ein gutes Vorbild, Simon?

Simon: Ich wollte nie ein Vorbild sein. Aber ich glaube, ich hab es ganz gut gemacht. Ich bin sehr erfolgreich … ein ganz nettes, wohlerzogenes menschliches Wesen. Ich mache genug gute Sachen, um Schlechtes zu kompensieren.

Ricky: Ich glaube wir sind gute Vorbilder, weil wir hart arbeiten. Wir sind eine der am härtesten arbeitenden Bands in dieser alternativen Poprock-Welt. Ich denke, wir arbeiten nur so viel, weil es so viel Spaß macht. In dem Sinne sind wir Vorbilder. Wenn du wirklich etwas zu machen liebst, dann mach es! Und bleib auch dabei!

Ich habe einige Interviews von euch gelesen, und mir ist aufgefallen, dass es fast keine privaten Fragen gibt.

Ricky: Ja, wir haben uns nie in den Vordergrund gestellt, so wie es Celebritys machen. Wir haben einige Celebritys in England, aber wir gehören nicht dazu. Diese Art, Platten zu verkaufen, ist nichts für uns: unsere dreckige Unterwäsche in der Öffentlichkeit zeigen. Das hilft vielen Leuten. Aber andererseits: Je mehr du das machst, desto schneller ist es vorbei.

Es gibt in diesen Magazinen so Spalten, da stehen die Leute drin mit Pfeilen nach oben und unten. Und das Schlimmste, was dir passieren kann, ist, dass du ganz oben stehst. Wenn du ganz oben stehst, stehst du nächstes Jahr wieder ganz unten. Es geht nur um Mode. Und Mode ist sehr scheiße. Wir versuchen, das Beste zu sein, was wir können. Ohne irgendwelche Celebrity-Wellen zu reiten. Manchmal gehen wir auf Partys, aber das ist selten.

Jeder kennt Doherty, aber nicht jeder kennt die Babyshambles. Andererseits kennt jeder die Kaiser Chiefs, aber kaum einer kennt Ricky oder Simon ...

Simon: Es ist besser, wenn die Leute deine Musik kennen. Das einzige, warum sie sich für dein Privatleben interessieren, ist, wenn du eine berühmte Freundin oder einen Freund hast.

Ricky: Ich habe beides, eine berühmte Freundin und einen Freund. (lacht) Wir hängen nicht mit vielen Leuten rum, mal abgesehen von Mark …

… du meinst Mark Ronson? …

Ricky: Ja. Aber selbst dann … Er ist viel zu flott für mich. Ich schlafe auf dem Tisch ein, wenn ich drei Nächte unterwegs bin. Ich will nicht in Din-A4-Magazinen stehen, mit Kreisen um meine Schweißflecken rum, lustigen Haaren und Hosen an. Es ist erstaunlich, mit was sie alles kommen. "Erwischt! Ricky Wilson an einem Geldautomaten" … Jaaaa? Ich geh fast jede Woche zu Geldautomaten.

Simon: Wir versuchen, das zu vermeiden.

Angst vor der Scheidung

Kann ich euch trotzdem ein paar persönliche Fragen stellen?

Ricky: Ja, warum nicht.

Seid ihr zum Beispiel verheiratet?

Ricky: Nein

Keiner?

Ricky: Keiner aus der Band ist verheiratet. Wir haben Angst vor Scheidungen.

Aber ihr habt Freundinnen?

Ricky: Manche von uns haben eine, manche nicht.

Du willst also nicht darüber reden?

Ricky: Weißt du, manche haben mehr als eine Freundin. Eigentlich hat keiner mehr als eine Freundin, ich wollte nur, dass es ein bisschen skandalöser klingt. Es ist nur so, dass wir unsere ganze Energie auf die Band verwenden. Persönliche Fragen … ich glaube nicht, dass sie wichtig sind. Vielleicht für Leute, die Klatsch-Magazine lesen.

Naja, vielleicht mögen die Leute eure Band und wollen wissen, wer das eigentlich ist?

Ricky: Ja, vielleicht wollen sie den Mann hinter dem Mythos kennen.

Simon: Die Leute sind sehr beschützend unserer Privatsphäre gegenüber. Einer hat vor ein paar Tagen oder Wochen im Forum gefragt, ob jemand für ihn ein Bild von Ricky mit seiner Freundin hätte. Und die andere Leute so: "Nein, warum sollten wir? Das ist sein Privatleben." Ich denke, da hat Ricky eine gute Politik betrieben. Ich habe eine Freundin, die ich auch schon vor der Band hatte. Das Letzte, was sie will, ist, in einem Klatsch-Magazin zu landen. Wenn es so weit kommt, verlässt sie mich bestimmt sofort.

Ricky: Irgendjemand von einer sehr bekannten Boulevardzeitung fragte mich letzten Sommer mal: "Bist du immer noch mit wemauchimmer zusammen?" Und dann fragten sie: "Hören wir schon die Hochzeitsglocken läuten?" Wie soll ich darauf antworten? Wenn ich Nein sage, dann schreiben sie eine Geschichte mit der Überschrift "Ricky Wilson hat Angst vor dem Heiraten. Er wird seine langjährige Freundin nie heiraten, weil er nicht will." Das will ich nicht in der Zeitung sehen. Und wenn ich Ja sage, dann schreiben sie: "Ricky Wilson heiratet! Mietet die Kirche, bucht die Band!" Verstehst du? Wenn es zu diesen persönlichen Fragen kommt, dann weiß ich nicht, wie ich antworten soll. Weil ich …

Simon: (ruft dazwischen) Eine Celebrity-Freundin zu haben wäre toll!

Ricky: … niemanden außerhalb der Band in die Presse reinziehen will. Ich denke nicht, dass das fair wäre ihm gegenüber (lacht).

Hat jemand von euch Kinder?

Ricky: Nein, keine Kinder.

Ihr lebt also nur für die Musik?

Ricky: Naja, wir schauen ab und zu Fernsehen! (Gelächter) Am meisten geht es zur Zeit um die Band. Wir schauen aber auch nach unseren Freundinnen, ich zumindest. Wir nehmen sie nicht überallhin mit. Ich habe auch keine Tiere, übrigens. Ich glaube, keiner von uns hat Tiere, keiner ist verheiratet, keiner hat Kinder.

Simon: Wir sind alle sehr …

Ricky: … verdammt, das ist komisch, oder! …

Simon: Keine Zeit!

Ricky: Keine Zeit, die Frau zu schwängern. (Gelächter)

Was sind eure nächsten Pläne?

Simon: Das Album kommt raus, hoffentlich wird es gut sein und dann … schwängern wir ein paar Frauen, heiraten, besorgen uns Tiere, finden ein paar Hobbys. (Gelächter)

Ricky: Es ist komisch. Je besser es sich verkauft, desto mehr Arbeit haben wir. Das ist ein komisches Gefühl.

Simon: Naja, das kann es auch einfacher machen.

Ricky: Das Album macht die Arbeit für dich?

Simon: Hängt davon ab ...

Ricky: Wir wissen inzwischen, wie es ist, in einer Band zu sein. Und obwohl es immer neue Sachen zu tun und zu entdecken gibt, sind wir sehr gut untergebracht in der Band. Wir genießen das sehr. Ich hoffe, das kommt im Album rüber, die meisten Leute sagen, dass es das tut. Und ich hoffe, dass kommt in den Interviews rüber, weil wir schon so viele gegeben haben.

Seid ihr nervös, so kurz vor der Veröffentlichung?

Ricky: Nein! Im Gegenteil, wir freuen uns sehr.

Simon: Die Sache ist die: Im Moment hast zum Beispiel du es gehört, was gut ist, aber in den Wochen zwischen dem Fertigstellen und der Veröffentlichung reden wir lediglich darüber. In allen möglichen Arten. Versuchen die Auswahl zu rechtfertigen, versuchen zu beschreiben wie es sich anhört und so weiter. Aber wenn es dann draußen ist, dann hat es jeder gehört. Dann musst du das nicht mehr machen, weil es jeder gehört hat und jeder seine Meinung gebildet hat. Dann sagen sie: "Ja, ich glaube, es ist ganz fruchtig, mit einer Zitronenessenz…"

Ricky: … mit Soße darauf und einer knusprigen Haut …

Simon: … erinnert mich an Haselnüsse, im Frühling …

Ricky: … da möchte ich nicht widersprechen! (lacht)

Simon: Das ist das Geniale daran, wenn das Album rauskommt. Jeder kann sich seine eigene Meinung bilden. Dass es viel besser ist, als alles andere zur Zeit.

Okay, jetzt hab ich aber alles.

Ricky: Super! Danke! Das war einfach! (Springt auf, schmeißt mir die Hand hin und rennt auf die Toilette)

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