14. September 2001

"Manchmal muss man etwas tun, das falsch zu sein scheint"

Interview geführt von

Die Klimaanlage im Kölner Hyatt verströmt eine angenehme Kühle und lässt fast die tropischen Temperaturen vergessen, die draußen vor der Tür herrschen. Wahrscheinlich liegt es auch an dem schönen Sommerwetter, dass Heather, trotz dieser nicht immer geliebten Interview-Termine, sehr freundlich und sympathisch wirkt und geduldig unsere Fragen beantwortet.

Herzlichen Glückwunsch zu deinem neuen Album "South".

Vielen Dank.

Das Video zur ersten Single "I'm No Angel" wurde in Berlin gedreht. War es deine Idee dort zu drehen?

Nein es war nicht meine Idee; der deutsche Director für das Video hatte diese Idee. Ich fand seinen Vorschlag toll und dann haben wir es so gemacht.

Hattest du Gelegenheit, dir die Stadt Berlin anzuschauen?

Ein wenig, aber für eine ausgedehnte Sightseeing-Tour bleibt wegen des Tour-Programms leider nie genügend Zeit.

Ich habe Moby in einem Interview gefragt, ob er auch außerhalb der Tour gerne verreist und er antwortete mir, dass er lieber zu Hause bleibe. Wie ist das bei dir?

Ich bin unterwegs, auch wenn ich nicht auf Tour bin. Es ist wie eine Sucht. Ich kann nicht damit aufhören (als Kind lebte Heather Nova jahrelang mit ihren Eltern auf einem Boot, mit dem sie über den Indischen Ozean segelten, Anm. der Red.). Es ist ein großer Unterschied, wenn du ohne Tourstress unterwegs bist. Ich genieße es, herumzureisen und dort einige Tage zu bleiben, wo es mir gefällt. Auf Tour ist man ja immer nur eine Nacht an einem Ort.

In vielen Songs singst du über die Natur. Hat Natur für dich eine große Bedeutung?

Ja, ich liebe es, in der Natur zu sein. Während der Touren bin ich nur in großen Städten. Das ist toll, ich mag große Städte. Aber ich brauche die Natur als Ausgleich.

Magst du einsame Orte?

Ja, sehr gerne, besonders faszinieren mich Inseln.

Auf welcher Insel bist du am liebsten?

(lacht) Oh, das verrate ich nicht, das ist mein Geheimnis.

Nicht nur das Cover, das dich lachend auf einem alten Stuhl zeigt, sondern auch die Stimmung auf der Scheibe stehen in Kontrast zum letzten Album. Es wirkt sehr positiv. Siehst du das auch so?

Das neue Album sollte die gleiche emotionale Tiefe besitzen wie "Siren", aber nicht so traurig-melancholisch sein. Ich glaube, man kann ein gutes und positives Gefühl mit einem Album vermitteln und trotzdem die gleiche Emotionalität erreichen. Das war mein Ziel und deshalb habe ich viel positive Energie in das Album gesteckt.

Du hast den Song "Saw You In A Movie" geschrieben. Es geht darum, wie Menschen andere Menschen wahrnehmen, zum Beispiel auch wie Stars angehimmelt werden. Das gleiche widerfährt dir, denkt man an die vielen Fans weltweit, die dich "Supernova" nennen.

Für die Menschen sieht das Leben der Stars perfekt aus. Sie denken, dass das Leben glamouröser und aufregender sei, wenn man ein Star ist. Aber so ist es nicht.

Und wie ist die Erfahrung, vor einem großen Publikum auf der Bühne zu stehen?

Es ist großartig, aber macht dein Leben nicht perfekt.

"Gloomy Sunday" ist ein ganz besonderes Lied, da es lange Zeit als Hymne der Selbstmörder verschrieen war. Warum hast du diesen Song auf das Album gebracht?

Dieser Song wurde in den 40er Jahren geschrieben. Ich habe es für den deutschen Film "Gloomy Sunday" aufgenommen (Hauptdarsteller ist Ben Becker, der in dem Film einen Nazi-Offizier spielt, Anm. der Red.). Ein toller Film. Der ganze Film dreht sich um diesen Song und seinen Komponisten. Als es damals komponiert wurde, war es ein reines Instrumentalstück (Heather hat die Lyrics geschrieben, Anm. der Red.). Tja, und es hatte eben diesen starken Einfluss auf die Menschen. Viele Leute nutzten den Song, um sich auf diese Weise von der Welt zu verabschieden. Übrigens durfte es aus diesem Grund eine Zeit lang nicht im Radio gespielt werden. Aber es ist unglaublich, dass ein Instrumentalstück so eine große Emotionalität ausstrahlt. Ich sehe es nicht negativ, es war ja auch nicht die Musik, die die Leute umbrachte. Es ist wirklich ein großartiger Song.

Eine Frage zu Lilith Fair. Du hast bei dieser Tour vor wenigen Jahren durch Nordamerika mitgemacht. Warum gibt es so etwas nicht hier in Europa?

Sarah McLaughlan initiierte diese Tournee, um sich für die Rechte von Frauen im Rockgeschäft einzusetzen. Vor einigen Jahren war es in Amerika noch ziemlich schwierig, im Radio gebracht zu werden, wenn man als Frau Rockmusik spielte. Sarah dachte, dass es endlich Zeit sei, den Künstlerinnen die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen, da es ja auch wirklich viele tolle Musikerinnen gibt. Ich denke, Europa ist in der Beziehung einfach etwas ausgeglichener. Glücklicherweise hat die Plattenindustrie dies auch erkannt.

Du hast das ganze Album mit deiner Tourband aufgenommen. Wie war die Stimmung während der Aufnahmen?

Zuerst spielten wir die erste Hälfte des Albums ein. Die zweite Hälfte haben wir dann an verschiedenen Orten mit unterschiedlichen Produzenten aufgenommen. Wir waren zum Beispiel in Schweden und New York. Und es herrschte immer eine tolle Stimmung – diese angenehme Atmosphäre war für das Album sicher sehr wichtig. Ich denke, bei jedem Album muss man etwas Neues ausprobieren.

Haben die Produzenten Einfluss auf deine Arbeit?

Nein. Ich denke, das kann man auch auf dem Album hören, da man es als ein Ganzes und nicht die einzelnen Songs wahrnimmt. Es sind meine Songs, aber ich mag es, mit verschieden Produzenten zusammen zu arbeiten, da sie frische Ideen mit einbringen. Es gibt keine Kontrolle, es ist immer eine Zusammenarbeit.

Du hast mit verschiedenen Künstlern wie Moby und Bryan Adams zusammengearbeitet. Wie kam es dazu?

Ich habe in der letzten Zeit viele Einladungen erhalten. Obwohl, oder besser gerade weil ich so etwas bisher sehr selten gemacht habe, habe ich mitgemacht. Warum nicht? Es ist gut, offen zu sein, und manchmal ist es genau das richtige, etwas zu tun, was falsch zu sein scheint. So wie ich es mit ATB gemacht habe (Andre Tannenbergers Doppelalbum "Two Worlds", auf dem Heather bei zwei Songs den Gesangspart übernommen hat, enthält neben den typischen Dance-Tracks auch eine Reihe von Chill-Out Songs à la "Café Del Mar", Anm. der Red.). Das hätte ich nicht machen sollen, denkt ihr jetzt sicher, aber genau deshalb habe ich es getan. Es ist großartig, verschiedene Stile zusammen zu bringen. Das Interessante daran ist, dass man nie genau weiß, was dabei herauskommt.

Welche Probleme gab es denn mit dem Bassisten?

Drei Wochen vor Tour-Beginn habe ich erfahren, dass der Bassist nicht kommen konnte. Das war natürlich schlimm, aber ich habe zum Glück noch einen Bassisten gefunden.

Der hatte aber wirklich wenig Zeit, die neuen Songs ein zu üben.

Stimmt, aber er ist ein sehr talentierter Musiker.

Hast du Ideen für die nächste Zeit?

Oh, ich weiß nicht genau. Für die nächsten zwölf Monate sehe ich nur die Straße vor mir – eine Touring-Periode eben. Danach werde ich weitersehen.

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