Einfache Arbeiter waren es, die in klapprigen Lastwagen illegal aus ihrer Heimat in Richtung Süden gebracht wurden, um in Rio de Janeiro, Sao Paulo oder Brasilia Beschäftigung zu finden. Aus dem ausgedörrten und verarmten Nordosten brachten sie ihre Musik mit, einen polkaähnlichen Rhythmus, bei dem ein Akkordeon, eine Triangel und traditionellerweise die "Zabumba"- Trommel die charakteristischen Instrumente darstellen. Ab Anfang der 50er Jahre eröffneten in den südbrasilianischen Metropolen immer mehr Forró - Tanzhäuser, in denen die immigrierte Arbeiterschaft ihren Sehnsüchten nach der fernen Heimat huldigte, erste kleine Plattenfirmen mit Musik aus dem Nordosten wurden zu Beginn der 60er Jahre gegründet.

Der Name "Forró" leitet sich von dem volkstümlichen Wort "Forróbodo" ab, was soviel wie "Unordnung" aber auch "Tanz des Pöbels" heißt. Die zweite, originellere Theorie: Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die englische Firma "The Great Western of Brazil Railway & Co. Ltd" im brasilianischen Bundesstaat Pernambuco ihre erste Bahnstrecke einweihte, wurde für die versammelte Arbeiterschaft ein großes Fest gegeben. Am Eingang stand auf einem großen Schild "For all" geschrieben, im lokalen Akzent wurde daraus "Forró." Bis heute ist dies der Name für die Tanzveranstaltungen in Nordosten des Landes geblieben, es gibt unzählige Diskotheken, die ihn spielen, außerdem wird er als prächtig inszeniertes Volksfest in den Zentren der Kleinstädte zum St. Johannis-Tag im Juni zelebriert.

Europa lernt den ursprünglich regionalen Musik-und Tanzstil aus dem Nordosten Brasiliens, der sich mit schlüpfrigen Texten und frivolen Tanzeinlagen seit den 50er Jahren im ganzen Land verbreitete, Ende der 50er Jahre kennen: Vom Staat gefördert reiste 1958 eine Gruppe brasilianischer Musiker, die sich "Os Brasileiros" nannten, nach Europa, um in den Clubs von Lissabon, London und Paris den "Baiao", den charakteristischsten Rhythmus des Forró, zu spielen. Ein Jahr später feierte das europäische Publikum die live dargebotene Musik des in Cannes ausgezeichneten brasilianischen Films "Orfeu Negro". In den folgenden Jahrzehnte sollte sich aus Brasilien jedoch vor allem Samba und Bossa Nova durchsetzen, erst Ende der 80er Jahre erlebte der dem Forró ähnliche Lambada eine kurze Karriere in Europa. 1990 brachte GobeStyles in London eine Compilation mit 10 Jahre alten Forró Aufnahmen aus Recife heraus. "Forró: Music for Maids and Taxi Drivers" wurde ein Jahr später für den Grammy nominiert und erregte als regionaler Musikstil großes Aufsehen.

In Brasilien selbst hingegen machte ab Ende der 40er Jahre vor allem Luiz Gonzaga mit seinen sehnsüchtigen, der nordöstlichen Heimat verbundenen Texten den Forro landesweit bekannt und auch in den Großstädten salonfähig. Heute gibt es mehrere brasilianische Radiosender, die ihn ausschliesslich spielen, oft werden bekannte Songs aus der Pop-Welt wie Robbie Williams' "Angel" oder Kraftwerks "Das Model" mit schnulzigen Texten versehen und als Forró-Version neu interpretiert. Typisch bei den heutigen Tanzveranstaltungen sind vor allem äusserst spärrlich bekleidete Tänzerinnen, die zusammen mit der Band dem Tanzbein des Publikums zum Durchbruch verhelfen. Doch das mögen nicht alle: In Teilen der Mittel- und Oberschicht wird die Musik und der Tanz wegen der Zweideutigkeiten der Texte und der teilweise sehr offenen Obszönität verachtet und ist, ähnlich wie der Baile Funk, eher ein Tanz der Unterschicht geblieben. Vor allem Jugendliche treffen sich jedes Wochenende, teils in einfachsten, ehemaligen Lagerhallen, um sich bei diesem frivolen Partnertanz auf die Suche nach einer neuen Eroberung zu machen.