"In the high, hot years of the early 80's, a scene was born on what was then the Lower East Side, before capitalism made it hte East Village. They Called the Scene Antifolk. It was mostly made up of young people with guitars, writing angry songs about how fucked up the world is and sad songs about how hard it is to really love. In the beginning, they just play music for each other." (Melanie Bush, "Anti Fairy Tail", 1996)

Der Antifolk bezieht sich auf eine Folk-Bewegung der 60er in Greenwich Village - dem Bezirk, in dem sich heute das Sidewalk Café befindet - die sich als Folk Revival bezeichnete und etablierte. Bands wie Velvet Underground oder The Fugs brechen damals genauso mit herrschenden Konventionen wie die Beat Generation-Poeten William S. Burroughs und Allen Ginsberg. Musikalisch wird der Antifolk auch mit dem Naive Pop eines Jonathan Richman und Daniel Johnston in Verbindung gebracht.

Den Begriff Antifolk soll erstmals Billy Bragg als Beschreibung für seine Musik verwendet haben. Der Songschreiber und Musiker Lach gilt aber als eigentlicher Begründer und Namensgeber des Antifolk. Er macht ihn populär und sorgt dafür, dass man mit ihm eine eigene Szene rund um das Sidewalk Café in New York assoziiert.

1982 kommt Lach nach New York und beginnt, nachdem seine eigene musikalische Karriere nicht ins Laufen kommt, in verschiedenen Lokalitäten 'Open Mic Sessions' zu veranstalten. Lachs Ziel war es, einen Club zu etablieren, in dem alle Arten von Songwritern ohne stilistische Limitierung die Bühne erklimmen können. Lach strebt an, den klassischen Folk mit seinen mittlerweile spießigen und dogmatischen Tendenzen zu erweitern. Anfang der 80er, als in den USA Bands wie Black Flag, Minutemen und die Dead Kennedys aufkommen und in New York sowohl die No Wave-Szene rund um Bands wie DNA, The Contortions und Suicide wie auch die ersten Hip Hop-Bands boomen, gibt es für Lach kaum etwas Rückständigeres und Überflüssigeres als eine beharrlich an den 60ern festhaltende Folk-Szene.

Antifolk ist also nicht als eine Bewegung zu verstehen, die sich gegen Folk richtet, sondern als eine, die den Folk modernisieren will. "Antifolk ist für Folk das, was Punk für Rock gewesen ist", formulierte es Lach treffend.

Die Clubs als Veranstaltungsort wechseln im Laufe der Jahre, bis Lach 1994 seine Bühne im Sidewalk Café eröffnet, wo er für lange Zeit jeden Montag als Gastgeber fungiert. Diese Antifolk-Sessions betreibt er während der 80er und 90er Jahre mit einer gewissen Bescheidenheit, die dafür sorgt, dass weder sein Name noch der Begriff Antifolk über die Grenzen von New York hinaus bekannt werden. Doch schon zu dieser Zeit nehmen Künstler an den Sessions teil, deren Namen sich schnell verbreiten sollten, darunter Beck, Roger Manning, Cindy Lee Berryhill, Suzanne Vega, Brenda Kahn oder Michelle Shocked.

Bei diesen Sessions gibt es von Anfang an keine Vorgaben, schon gar nicht die, sich auf Gesang und Akustikgitarre zu beschränken. Aber eine Szene ist immer so experimentierfreudig und vital wie ihre Protagonisten und Protagonistinnen es sind. Daher ist der Antifolk der 80er und 90er durch seine eigene Limitierung sehr berechenbar; die Szene beschränkt sich vorerst auf eine Mischung aus Folk und Punk.

Erst um das Jahr 2000 erobert eine neue Generation das Sidewalk Café, die sich dem limitierten Stil widersetzt. Bands wie Dufus und die Moldy Peaches bringen Tröten und Blockflöten mit ins Café, Jeffrey Lewis untermalt seine Songs mit selbstgemalten Comics, Diane Cluck und Kimya Dawson hauchen ihre traurigen Songs ins Mikro.

Das sympathische Plattenlabel Rough Trade Records reagiert 2002 auf die wachsende Popularität und veröffentlicht zwei von Adam Green und Kimya Dawson zusammengestellte Antifolk-Sampler, die erstmals einen breiten Überblick über die vielgestaltete Songwriter-Szene des Sidewalk Cafés gibt.

Will man den Antifolk auf einen gemeinsamen Nenner bringen, so ist es wohl der, dass die Szene nach Zusammenhalt und nichts in ihrer Musik nach Perfektion strebt, dass Dilettantismus und kindliche Naivität bewusst gepflegt werden, was eine intime Authentizität zur Folge hat, die die kommerzielle Poplandschaft nicht bietet. Stets wird etwas eingeklagt, was der Welt abhanden gekommen zu sein scheint - Zuneigung und gegenseitiger Respekt.