3. April 2005

"Wir haben unsere Lektion gelernt!"

Interview geführt von

Endlich angekommen verkündet uns der Promoter, dass es eine gute und eine schlechte Nachricht gibt. O.k., dann bitte erst die schlechte. Shirley geht es nicht gut. Sie hat die Interviewtermine abgesagt. Sie muss ihre Stimme schonen, bevor sie abends beim Rockpalast im Palladium mit einigen anderen Bands auf der Bühne steht. Tolle Wurst und was ist nun die gute Nachricht? Steve Marker und Duke Erikson sind da, und wir haben eine halbe Stunde Zeit, mit ihnen über Gott und die Welt zu sprechen. Wow, who the fuck are these piepel? Na, die Produzenten von Garbage. Hmm, nun gut. Die Fragen, die wir uns vorwiegend für Frau Manson ausgedacht haben sind dann ja nun für den Mülleimer ... oder? Wir betreten die Suite mit einem wunderbaren Ausblick auf den Rhein, vor uns stehen zwei reifere Männer, die uns freundlich begrüßen. Steve verlässt noch mal kurz den Raum, um ein anderes Geschäft zu erledigen. Na, dann fangen wir halt schon mal mit unserer beliebten Einstiegsfrage an.

Duke, was war deine erste Liebe?

Duke: Meine erste Liebe? (lacht) . Ihr Name war Jackie McKenzie. Ich war sehr jung, aber sehr verliebt.

War sie auch in dich verliebt?

D:(überlegt): Ich denke nicht.

Also war es eine unerwiderte Liebe?

D: Allerdings. Das sagt jetzt schon Einiges über mich aus, oder? Sie hätte es erwidern können, wenn ich irgend etwas zu ihr gesagt hätte.

Weiß sie heute darüber Bescheid, dass du in sie verliebt warst?

D: Ja. Ich habe sie auf unserem 25. Schuljahrestreffen gesehen. Und da hat sie mir gesagt, dass sie auch in mich verknallt war.

Das ist ein bisschen spät, oder?

D: Ja, ein bisschen. Ich habe sie gefragt, ob sie mich veräppeln will? Da hat sie nein gesagt.

Also, bleibt diese Liebe unerwidert?

D: Ja, verdammt. Und sie sieht selbst nach 25 Jahren noch so toll aus.

Wahrscheinlich hat sie jetzt schon Kinder und ist verheiratet?

D: Ja, aber ich weiß nicht, ob sie wirklich glücklich verheiratet ist. Sie sah nicht zufrieden aus. Lass uns sehen was passiert ... O.k, genug mit dieser Frage. (wendet sich zu Steve, der sich mittlerweile dazu gesellt hat). Du kannst auch diese Frage beantworten?

S: Ich weiß überhaupt nicht wovon ihr sprecht.

Die Frage lautete: Was war deine erste Liebe. Es ist übrigens nicht notwendig eine Person zu nennen.

(Ein aufgeregtes Raunen geht durchs Zimmer)

D: Aha.

S: Musik.

Natürlich.

S: Gitarre spielen.

D: Ah, jetzt verstehe ich. So hätte man also auch antworten können (grummel).

Warum hast du Gitarre gespielt? War das nur, um ein Mädchen zu beeindrucken?

D: Das war um seine erste Liebe zu beeindrucken. Los, komm, sag das Steve (grins).
S: Ja, das war vielleicht ein Grund. In der Schule war ich nie so gut im Football, Laufen, Mathematik, oder so was in dieser Richtung. Aber dann habe ich gesehen, dass ich Gitarre spielen könnte, wenn ich mir viel Mühe gebe. Wahrscheinlich war es immer so, dass man ein Mädchen beeindrucken wollte. Wenn du in einer Band spielst, ist es ein Weg, Leute zu beeindrucken. Das ist besser, als ein Kapitän in einer Fußballmannschaft zu sein. Ich kann billige Rocksongs spielen und bekomme die Mädchen.

Was für eine Musik hat dich beeinflusst?

S: Ich bin mit Radio aufgewachsen. In meiner Jugend gab es viele Uni-Radios, besonders FM Radio in New York, wo ich aufgewachsen bin. Sie spielten wilden Avantgard-Jazz und Greatful Dead, Kiss und David Bowie. Die totale Mischung. Ich habe versucht, diese verschiedenen Stile auf der Gitarre nachzuspielen. Ich wollte nicht nur ein Metal-Gitarrist werden.

D: Für welches Magazin schreibt ihr noch mal?

Für das Online Magazin laut.de.

S: (ganz laut) LAUT? Ich habe laut.de gesehen, online. L, A, U, T, E. de? LAUT. Das ist gut.
(zu Duke) Was waren deine musikalischen Einflüsse?

D: Ich bin mit den Beatles aufgewachsen.

S: Du hast nur Beatles gehört?

Keine Stones?

D: Die Beatles waren die erste Band, die mich angemacht haben. Elvis Presley auch ein bisschen. Aber ich habe die Idee geliebt, eine Band, wie die Beatles zu gründen. Zu lernen, wie man Gitarre spielt und wie sich die Lieder zusammen setzen. Ich habe die Schlagzeug-Beats und die Bass-Linien dieser Band auswendig gelernt. Neben den Beatles war ich auch von den, Stones, Yardbirds und The Animals, dieser ganzen "britischen Invasion " begeistert. " Das war meine erste Injektion, die beste Droge (lacht). Es hat mich wach gemacht.

Denkst du, dass es heute auch eine ähnliche Szene gibt wie in den 60er Jahren?

D: Ich werde diese Erfahrung nicht mehr machen. Die ganze Szene um die Beatles, diese Ära, werden wir nicht noch mal haben. Es war unglaublich. Sie haben die Grenzen der Musik verschoben. Ab und zu gibt es vielleicht auch heute Bands, die das machen.

Was denkt ihr über die verschiedenen Szenen von heute?

D: Ich lese sehr viele Plattenbesprechungen, aber kaufe sehr viel weniger CDs als früher. Das Problem ist, dass mich 60% der Platten eher enttäuschen. Wenn ich etwas über eine Band gelesen habe und mir dann die Musik dazu anhöre, bin ich immer enttäuscht.

Habt ihr Zeit, euch Bands live anzusehen?

D: Die letzte Band, die ich gesehen habe ... ich weiß es gar nicht mehr. (er wendet sich zu Steve): Was war der letzte Auftritt den du gesehen hast?

S: Wir waren die letzten zwei Jahre für unser neues Album im Studio. Wir haben fast gar nichts anderes gemacht, außer im Studio zu arbeiten. Wir wohnen in Madison, Wisconsin, das ist nicht New York, Chicago oder L.A.

D: Das ist kein Musik-Mekka.

S: Doch.

D: Ich habe den Singer/Songwriter Joseph Arthur gesehen. Habt ihr von ihm gehört? Ich kann ihn nur empfehlen. Es ist wunderbare Popmusik. Er hat eine ausgezeichnete Stimme. Er ist auf Peter Gabriels Label, Real World.

S: Da gibt es ganz viele Bands, die ich gerne sehen möchte. Viele neue englische Bands, die richtig gut sind. Zum Beispiel Franz Ferdinand (tatsächlich sind das allerdings Schotten. Anm. der Redaktion) und andere...

Ah, wie Bloc Party und The Futureheads, …

S: Genau!

… und alle diese Postpunk Revival Bands, wie Kaiser Chiefs (aus Leeds) und Killbright Groceries (Luton).

S: Viele von diesen Bands benutzen die Musik von Gang Of Four aus den 80er Jahren...

Stimmt. Die haben sich ja auch wieder neu gegründet und in Manchester und Leeds gespielt. Es gibt viele Post-Postpunk-Revival Bands heute.

S: Vielleicht werden sie dieses Mal diese Szene weiter nach vorne bringen? Ich habe im Stoole Pigeon Magazin gelesen, dass Andy Gill (Gitarrist von Gang Of Four) das Futureheads Album zuerst produzierte. Die Band verehrt ihn wie den "Godfather of Postpunk", dennoch hat sie ihn rausgeschmissen. Sie hatten das Gefühl, dass sie mit ihrer Musik auf einer anderen Ebene sind. Heutzutage gibt es ja auch viele Garage Punk- Retrobands ...

S: Zum Beispiel?

Die Band, mit der ihr heute Abend spielt, The International Noise Conspiracy (Rockpalast im Palladium, Köln) aus Schweden. Oder auch The Hives, ebenfalls aus Schweden. Es macht Spaß, sie live zu sehen und zu hören, aber es ist nichts Neues.

S: The Hives sind großartig. Ich würde sehr gerne sehen, dass sie das nächste große Ding werden.

D: Diese Art von Bands verstehe ich nicht.

S: Wo können sie hinkommen mit ihrer Musik?

D: Sie rennen gegen eine Mauer und kommen nicht weiter.

Und die andere Band? The International Noise Conspiracy? Ich habe großen Respekt vor ihnen, aber letztendlich sind sie nur eine Kopie von noch einer Retroband, The Make Up. Und das waren die Reste von noch einer großartigen Band, Nation Of Ulysses. Sie wollten die Musik verändern.

D: Diese Musik wird immer jung bleiben.

S: Es ist aufregend, wenn man es das erste Mal hört.

Die Lebensdauer vieler Bands ist heutzutage sehr kurz. Hat das was mit dem Musikmarkt zu tun?

D: Ich denke es hat mit Marketing zu tun. "Marketing dictates what the market is." Man will nicht so viel Geld und Zeit für Bands ausgeben.

Sie möchten das investierte Geld halt sehr schnell zurück bekommen.

S: Ja, wenn sich das erste Album nicht zu einer bestimmten Menge verkauft, bist du raus. Früher durfte man noch drei Alben herausbringen und die Plattenfirmen warteten sogar noch auf das vierte Album, bis die Band dann erfolgreich war. Heute muss du schon nach dem Debüt erfolgreich sein. Wenn die zweite Platte dann nur noch zu 90% verkauft wird, dann denken die Firmen sofort, dass das ein Misserfolg ist. Das ist sehr traurig. Es geht nur noch um Business. Wir müssen das auch akzeptieren. Wir hatten bereits unsere Hochs und Tiefs. Wir sind jetzt schon seit zehn Jahren zusammen, und es war mal heiß, mal kalt. Aber wir sind auch stur. Wir werden nie aufgeben.

Mit eurem neuen Album "Bleed Like Me" wart ihr zwei Jahre im Studio. Viele Bands können so viel Geld gar nicht investieren. Wie kann man überhaupt außerhalb von diesem gnadenlosen Konkurrenzkampf überleben?

S: Wir ignorieren einfach diese Tretmühle. Wenn wir da mitziehen würden, könnten wir nicht das machen, was wir heute tun. Wir hätten schon längst aufgegeben und die Band aufgelöst. Aber da wir so stur sind, hören wir nicht auf und machen weiter. Wir selber wissen, dass wir noch Einiges zu sagen haben, und dabei ist es egal, wie viele Platten wir verkaufen.

Wie war die Arbeit mit dem neuen Produzenten auf eurem Album?

S: Das ist misslungen. Wir haben versucht, mit anderen Produzenten zu arbeiten, zum Beispiel mit John King von den Dustbrothers, aber das hat nicht funktioniert. Es gibt nur ein Stück auf der Platte, wobei er geholfen hat. Irgendwann während der Produktion des Albums haben wir gemerkt, dass es nicht so richtig klappt. Vielleicht brauchen wir mal Hilfe von außerhalb?. Dann gibt es einen Produzenten und wir sind "nur" die Musiker. Wir waren einen Monat mit John im Studio in L.A. Es war schon sehr gut, aber wir sind auch eine sehr eigene Band. Wir leiden nicht, wenn uns jemand anderes sagt, was wir zu tun haben. Am Ende haben wir dann doch fast alles wieder selbst gemacht. Allerdings haben wir unsere Lektion gelernt. Die war sehr teuer.

Letztendlich war es aber doch auch eine wertvolle Erfahrung, abgesehen davon, dass ihr so viel Geld investiert habt?

S: Ja, ich denke schon. Man kann schon stolz auf das sein, egal wie anstrengend es war.

Vor vielen Jahren habt ihr ja komplett alles selbst produziert. Ihr konntet nur das machen, was ihr wolltet. Das ist ja schon eine beachtliche Leistung und verdient Respekt.

S: Ich weiß nicht, ob es wirklich so schlau von uns war, zu machen was wir wollten ...

Aber ihr habt es geschafft. Wird es noch mehr Garbage in der Zukunft geben?

Ja, das hoffen wir. Es gab nie einen Plan. Ich denke, das kann man auch gar nicht planen. Wenn du uns vor zehn Jahren gesagt hättest, dass wir dort ankommen, wo wir jetzt sind, ich hätte dir nie geglaubt. Wir sind alle gespannt, wie lange wir das noch machen. Auf jeden Fall nicht so lange wie die Rolling Stones. Nicht mehr mit 70 spielen.

Hält die Stimme von Shirley die Strapazen denn noch aus?

S: Das kann ich nicht beantworten. Ich hoffe, dass sie noch lange singt.

Ist ihre Stimme zur Zeit ein großes Problem?

S: (wendet sich an Duke): Die Stimme von Shirley?

D: Was meinst du? Was ist mit ihrer Stimme?

S: Machen wir uns Sorgen um ihre Stimme?

D: Nein, überhaupt nicht.

S: Sie hatte ein kleines Problem mit ihren Stimmbändern. Sie hat viel an ihrer Stimme gearbeitet, und jetzt klingt sie besser als früher.

Hatte sie Probleme mit ihren Halslymphknoten?

S: Ja, genau. Sie hatte eine Stimmbandoperation.

Wir haben gehört, dass sie die Interviews nicht machen kann, weil sie ihre Stimme für heute Abend schonen muss.

S: Ja, wir haben auf dem Flug hierhin alle eine kleine Erkältung bekommen.

Also, hat das nichts mehr mit ihren Lymphknoten zu tun?

(beide gleichzeitig): Nein, gar nicht.
D: Es ist nur eine kleine Virusinfektion. Es hat gar nichts mit ihrer Operation zu tun. Sie hat nur eine Erkältung.

Das ist gut. The Show must go on.

D: Ja, schnell mal auf Holz klopfen (sucht nach einem Holzgegenstand im Zimmer und klopft dann auf die Tischplatte, die allerdings aus Stein ist).

Wie sieht es aus mit einer Tour durch Deutschland?

S: Wir werden wohl auf vielen Festivals spielen. Das haben wir schon immer gemacht. Rock am Ring etc.

D: Ja, wir haben auch auf dem Hurricane mal gespielt und in einer Burg. Das war in Singen auf einem Berg. Es dauerte über zehn Minuten bis man endlich da oben war.

S: (auf deutsch) Altes Schloss.

D: Genau. Da haben wir nur vor 100 Leuten gespielt. Es war ganz seltsam.

S: Ja, das hat nicht so richtig funktioniert (lacht).

Und eine Tour durch Europa?

S: Bis jetzt ist da noch nichts geplant. Es hängt davon ab, wie gut unser Album ankommt. Wir machen zuerst die Promotour und sehen dann, wie es läuft. Wenn die Leute es mögen, kommen wir wieder. Hoffentlich auch nach Deutschland.

Wie war denn die Reaktion in den USA?

S: Die Platte erscheint zur selben Zeit auf der ganzen Welt. Deshalb wissen wir noch nicht, wie es dort ankommt. Wir sind sehr gespannt. Die letzte Platte kam richtig gut an. Unsere Single "Why Do You Love Me" läuft seit einigen Wochen in Amerika schon in den Radios. Bisher sehr gut (klopft noch mal auf Holz bzw. Stein). Wir haben das Gefühl, dass Amerika für uns bereit ist, und das ist wichtig, da viele von uns dort wohnen.

Das Interview führten Paul J. Greco und Jasmin Luetz

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