4. Juni 2019

"Ein Großteil der Rapszene ist faschistoid"

Interview geführt von

Fatoni spricht über Verschwörungstheorien und Samy Deluxe und erklärt, warum er einen Großteil der Rapszene für faschistoid hält.

Fatoni ist bereits seit Anfang der 2000er Jahre im Rap aktiv, der endgültige Durchbruch folgte allerdings erst 2015 mit dem Album "Yo, Picasso" zusammen mit Dexter. Der Produzent ist auch bei "Andorra", dem neuen Album des Münchners, wieder an Bord. Ins Auge sticht allerdings erstmal etwas anderes. Das Albumcover hat Musiklegende Klaus Voormann designt. Die ungewöhnliche Zusammenarbeit ist auch das erste, auf das wir Fatoni festnageln.

Das erste, worüber wir sprechen müssen, wenn wir uns über dein neues Album unterhalten, ist natürlich das Cover. Das hat Klaus Voormann designt. Einer der Leute also, denen das Label 'fünfter Beatle' angehängt wird und der damals für das legendäre Artwork von "Revolver" verantwortlich war. Der ist bekanntlich alles mögliche, aber doch eher kein Hip Hop-Fan. Wie hast du ihn von der Zusammenarbeit überzeugen können?

Der ist tatsächlich gar nicht so wenig Hip Hop-Fan. Der Mann ist ja 81, aber mega fit, sowohl körperlich als auch im Kopf. Der hat mit mir zum Beispiel über Childish Gambino gesprochen, dass der einen Grammy bekommen hat und wie geil der Song ist. Der hat also schon voll Plan. Ich hab ihm damals geschrieben, hab aber gedacht, dass der wahrscheinlich unbezahlbar ist. Ging aber gerade so. Also natürlich kostet der mehr als irgendso ein Kumpel. Ich hab ihn dann am Starnberger See besucht und ich musste auf jeden Fall nicht so viel Überzeugungsarbeit leisten.

War das Artwork deine Idee oder kam die von ihm? Also, dass ihr das Revolver-Cover nochmal zitiert ...

Ich war tatsächlich noch nie so involviert bei einem Albumcover. Dadurch, dass alles gezeichnet ist, dauert das relativ lange und ich war voll im Prozess mit drin. Es war auch nicht die Idee, dass wir "Revolver" zitieren, das hat sich eher so ein bisschen entwickelt. Seitdem wir zusammengearbeitet haben, hab ich all seine Bildbände und Bücher und natürlich ist "Revolver" so ein bisschen der Mittelpunkt seiner Karriere. Gilt ja als eines der besten Coverartworks der Welt. Wahrscheinlich ist das jetzt schon das Cover, das am meisten an "Revolver" anschließt, aber er hat ja hunderte Albencover gemacht und Haare hat er immer wieder gezeichnet. Und die Art, wie er Haare zeichnet, ist super unique und sein Stil und das erkennt man eben. Ich wollte auch auf jeden Fall, dass das ein echter Voormann ist, dass man das auch checkt.

Und was bedeutet das jetzt für dich, dass du jetzt einen 'echten Voormann' auf dem Cover hast?

Das ist schon so eine kleine Erfüllung eines Traums. Nicht, dass ich das immer schon so konkret gewusst hätte, aber dass ich mit dem so viel zu tun hatte, mit ihm zu telefonieren, das war schon irgendwie surreal. Ich hab ihn am Starnberger See besucht und war mit ihm im Wald spazieren. Ich kenn mittlerweile so viele Leute, treffe so viele Musiker in Deutschland, auch krasse Vorbilder von mir, Legenden, aber er ist irgendwie nochmal was anderes, weil er einfach ...

... auch ne ganz andere Ära ist, oder?

Es ist einerseits die Ära, aber andererseits sind es auch die Menschen, mit denen er gearbeitet hat. Das waren ja nicht nur die Beatles. Sein Wikipediaeintrag ist ja völlig absurd. Der war ja auch als Bassist unglaublich erfolgreich, hat bei B.B. King in der Band gespielt ...

... mit Lou Reed ...

Mit Lou Reed, nach der Trennung der Beatles auch mit fast allen einzeln. Das sind alles Menschen, die für mich eigentlich gar keine richtigen Menschen sind (lacht). Wie soll ich das sagen: die existieren ja gar nicht in echt, die sind ja so gottgleiche Musiker. Das sind keine Künstler, die man einfach so auf Festivals trifft. Und er kennt die alle persönlich. Aber er ist auch überhaupt kein Angeber. Ich geh mit dem spazieren und sage: 'mit B.B. King hast du auch gespielt oder?', und dann sagt er: 'ja, das war ein toller Gitarrist'. Er meint das halt so: 'das war ein toller Gitarrist'. Und man selbst denkt sich: 'ja natürlich war B.B. King ein toller Gitarrist! Aber das war eben ein Kumpel von dir, du hast da einen ganz anderen Bezug zu'. Deshalb fand ich es so krass beeindruckend, diesen Mann kennen zu lernen.

Als nächstes steht dann der Titel des Albums: "Andorra", nach dem Theaterstück von Max Frisch. Bist du damit im Rahmen deiner Schauspielausbildung in Berührung gekommen?

Ja. Davor kannte ich das gar nicht. Ich war auf keinem Gymnasium, die meiste Pflichtlektüre dort hab ich also erst auf der Schauspielschule gelesen.

Warum hast du genau dieses Stück als Titel für dein Album gewählt?

Nach dem Stück wurde ein soziologisches Phänomen benannt. Das heißt der "Andorra-Effekt". Das beschreibt eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Insofern, als dass Menschen beginnen, sich so zu verhalten, wie die Gesellschaft es voraussagt. Ohne dass sie sich so verhalten hätten, wenn die Gesellschaft es nicht die ganze Zeit vorausgesagt hätte. Dass sich zum Beispiel Teile einer Minderheit beginnen so zu verhalten, wie es die Gesellschaft ohnehin schon die ganze Zeit von ihnen behauptet hat, aufgrund von Vorurteilen oder so. Oder auch im kleinen Rahmen: Der Schüler, der die ganze Zeit Einsen schreibt und dem man sagt, er sei so toll und so klug, der schreibt weiter Einsen. Nicht automatisch, aber weil er sich halt in seine Rolle fügt.

Und wie bezieht sich dieses Phänomen jetzt auf dein Album?

Die erste Single heißt "Die Anderen" und der Refrain ist: "Hör nur auf dich selbst haben die anderen gesagt". Das ist so ein bisschen die Überschrift des Albums. Außerdem klingt "Die Anderen" fast schon wie Andorra, das fand ich cool.

Der Grundton des Albums ist auch sehr viel persönlicher und auch ernster als zuletzt. War das eine bewusste Entscheidung oder etwas, das sich bei der Arbeit ergeben hat?

Ich treffe meistens keine bewussten Entscheidungen auf rationaler Ebene, sowas passiert mir immer. Ich bin aber ganz zufrieden, weil es trotzdem super rund wirkt. So als ob es ein Konzept gegeben hätte.

Wolltest du trotzdem so ein bisschen weg von dem Image als Klassenclown, das dir ja hier und da angeheftet wird?

Ne, eigentlich nicht. Ich glaube auch, dass das neue Video (Clint Eastwood) ganz, ganz falsch wäre, wenn ich von dem Image weg wollen würde.

Ich habe mir beim Album eben gedacht, dass da relativ viele Witze auf dem Weg liegen, die du vor zwei Jahren auf jeden Fall noch gemacht hättest und auf die du dieses Mal lieber verzichtet hast.

Jaa, vielleicht muss man auch nicht mehr jeden offensichtlichen Witz nehmen. Ich finde, dass da immer noch relativ viele platte Witze drauf sind. Da kommt dann auch der Song mit Casper, wo ich wieder nur Quatsch rede. An sich ist diese Entwicklung auf jeden Fall da, das war aber keine Entscheidung fürs Image. Wenn ich nicht mehr Klassenclown sein wollte, hätte ich natürlich kein "King of Queens"-Video drehen dürfen, in dem ich Shorts trage. Deine Beobachtung stimmt auf jeden Fall, aber es ist mehr oder weniger so passiert. Dass das Album mit diesem Song anfängt, "Alles Zieht Vorbei", das ist in jedem Fall eine bewusste Entscheidung. Auch weil ich das einfach als Intro wahrnehme, aber früher hätte ich solche Songs doch eher hinten auf dem Album versteckt und eher mit dem Rap-Opener angefangen. Jetzt wollte ich es mal bewusst anders machen. Ich wollte es nicht so verstecken.

"Die Leute biegen sich eine Moral zusammen, dass sie jeden noch so menschenverachtenden Müll gut finden dürfen"

Eine Zeile, die mir vom Album sehr stark hängengeblieben ist, ist eine ziemlich provokante These: "Zum Beispiel hassen alle Frei.Wild und wir sind uns alle einig, doch wenn Rapper dumme Faschos sind, dann sind wir nicht so kleinlich."

Ich finde das überhaupt keine krasse These. Ich finde das nur eine Beobachtung.

Aber wenn man solche Zustände beobachten kann, müsste dann nicht mehr Kritik kommen? Auch von innerhalb der Szene?

Das ist ne gute Frage … ich weiß gar nicht, ob da mehr Kritik kommen müsste. Mein Problem ist eher die Doppelmoral an der Sache. Ich glaube das Problem ist, dass die Leute sich so ne Moral zurechtbiegen, dass sie es allen Ernstes schaffen, einen Weg zu finden, wirklich jeden noch so menschenverachtenden Müll gutfinden zu dürfen, ohne dass es problematisch ist. Ob das jetzt in den Texten oder im Benehmen eines Rappers ist. Die gleichen Menschen reden aber über Frei.Wild, als wären das so Neo-Nazis und zerkratzen am besten noch irgendwelche Autos, wo ein Frei.Wild Aufkleber drauf ist. Aber gleichzeitig hören die gewisse Künstler ... und ich sage da niemals Namen, weil ich keinen Bock habe auf die Fresse zu bekommen.

Und dann als Nestbeschmutzer zu gelten?

Ne. Einfach als jemand, der wen anders disst. Irgendwelche Hip Hop-Journalisten schlagen mir ja nicht auf die Fresse. Irgendwelche harten Straßenrapper, die Kriminelle sind, schlagen mir auf die Fresse. Das ist ja nichts anderes als in irgendeiner Naziszene. Das ist ein faschistoides Weltbild, was da vorherrscht. Deshalb halt ich das überhaupt nicht für eine provokante These. Leute empfinden das als provokant, weil sie nicht akzeptieren wollen, dass die Dinge sind wie sie sind: Ein Großteil der Rapszene funktioniert nach einem faschistoiden Weltbild. Da geht's um die Macht des Stärkeren, um Sozialdarwinismus. Da geht’s darum, wer der krasseste Mann ist, wer seine Frau am meisten unter Kontrolle hat, wer wem am heftigsten auf die Fresse geschlagen hat. Das sind doch alles total faschistoide Strukturen. Da gibt's auch überhaupt nichts zu beschönigen. Ich halte meine Aussage also für eine Tatsache. Ich wollte nur noch mal auf den Punkt zu bringen, wie ich das sehe.

Aber glaubst du denn, es reicht, das auf den Punkt zu bringen oder muss man dem auch irgendwie entgegenwirken?

Naja, ich setze dem ja meinen Lebensentwurf und meine Kunst entgegen. Innerhalb von diesem Kosmos ist es ja klar, dass die sich nicht dafür kritisieren, weil die ja mehr oder weniger das gleiche Weltbild haben. Das eigentlich Lächerliche finde ich irgendwelche Hip Hop-Journalisten und irgendwelche Fans, die sich so ein Weltbild zusammen biegen, dass sie das gut finden dürfen am Ende. Durch was für an den Haaren herbeigezogene Argumente auch immer. Wenn die Leute einfach sagen würden: es ist einfach krass menschenverachtend, frauenverachtend, dieser Künstler hat wirklich ein Weltbild, das meinem komplett konträr gegenüber steht, aber weißt du was, ich hör's trotzdem, weil's so geil ist – da könnte ich dann wahrscheinlich auch nichts mehr zu sagen. Da würde ich dann sagen: "Okay, krass. Naja, wenn du meinst, dann mach's doch so." Ich fand halt die Beobachtung geil, dass Leute das so richtig vor sich hintragen, dass sie das hören dürfen. Dass die dann aber Frei.Wild als großes Feindbild sehen, wobei Frei.Wild eigentlich verhältnismäßig harmlos sind im Gegensatz zu dem, was auf den selben Festivals spielt wie ich. Das ist ja in erster Linie auch ein lustiges Phänomen, wie Menschen eben so ticken können.

Disqualifiziert ein derartiges Weltbild denn für dich einen Künstler? Sagst du, ich kann mit dem Weltbild überhaupt nichts anfangen, deshalb höre ich mir das auch nicht an?

Ne, so schwarz-weiß ist es ja leider auch nicht. Es gibt Leute, die sich so ekelhaft benehmen in Interviews oder wo auch immer, dass ich die Bilder und die Sachen, die sie sagen, eben nicht mehr loswerde und das dann gar nicht anhöre. Natürlich bin ich davon auch nicht frei, aber ich versuche eben nicht irgendwelche Argumentationen zu erfinden, warum das voll okay ist, wie Künstler XY drauf ist und was der sagt. Warum das okay ist, dass der Sexist oder Antisemit ist. Ich höre auch gewisse Leute - weil ich nunmal rapsozialisiert bin und die Form auch immer noch super wichtig ist. Da muss man dann wahrscheinlich von Fall zu Fall unterscheiden. Es sind ja auch nicht alle gleich schlimm. Natürlich ist das auch nicht konsequent. Aber ich würde mir nicht diese Doppelmoral unterstellen, die ich in der Zeile anspreche.

"Verschwörungstheroien sind ein gefährliches Phänomen"

Gehen wir mal ein Stück weiter, hin zu einem weiteren Problemfall, den du ansprichst. Auch zu Verschwörungstheorien hast du einen Song auf dem Album. Die werden im Rap ja ziemlich offen thematisiert. Bekommst du das aus deinem Umfeld heraus direkt mit?

Mein Umfeld besteht natürlich in erster Linie aus Leuten, die sich drüber lustig machen. Wir haben jetzt alle auch schon Songs über das Thema gemacht. In dem Song ("Nein, nein, nein, nein, nein") versuche ich das nochmal ein bisschen anders anzugehen. Da geht es auch nicht nur direkt um Verschwörungstheorien, sondern für mich um die Frage, was in meiner Biografie hätte passieren müssen, dass ich jetzt auf der anderen Seite stehen würde. Ich kenne so Leute, die in so ne Richtung gehen, typische Hip Hop-Kiffer halt, aber nicht in meinem näheren Umfeld.

Und wie ist das mit Rapper-Interviews? Da kriegst du das ja wahrscheinlich schon mit. Diskreditiert das für dich dann deren Musik?

Nein, per se nicht. Per se diskreditiert das nicht die Musik, sondern erstmal die Person. Aber alles kann ich natürlich auch nicht trennen. Das kann wahrscheinlich jeder für sich entscheiden, was er emotional trennen kann. Bei R. Kelly geht das für mich zum Beispiel nicht. Also, nicht, dass ich der krasseste Fan gewesen wäre. Aber wenn jetzt Fler auf einmal etwas von einer flachen Erde erzählt, dass er das nicht ausschließen kann, heißt das nicht, dass ich keinen Fler-Song mehr hören kann. Ich denke mir eben auch: wen wundert das denn? Wer ist denn da jetzt so wahnsinnig überrascht.

Ich glaube vor allem, dass es wichtig ist, dass wir nicht mehr die Fronten verhärten, in dem wir uns nur über über Verschwörungstheoretiker lustig machen, so als Bildungsbürger. Es gibt eine neue Statistik, dass in Deutschland jeder zweite an Verschwörungstheorien glaubt. Das sind jetzt nicht direkt Chemtrails, aber die Statistik besagt, dass sich jeder zweite zumindest vorstellen kann, dass es Geheimbünde gibt, die Dinge lenken. Das heißt, wir können uns jetzt weiter nur drüber lustig machen, aber ich glaube da werden wir verlieren. Wir werden verlieren, weil es die letzten Jahre so 'in' geworden ist und es mit der AfD auch eine Partei gibt, die das krass befeuert. Die AfD zieht das an sich, die hat ja Reichsbürger als Mitglieder. Und die AfD reproduziert auch eine riesengroße, uralte Verschwörungstheorie von der 'großen Umvolkung'. Das machen die ganz bewusst. Viele von denen glauben selber dran, denk ich, und andere nutzen das eher. Es ist glaube ich wichtig, dass man, wenn man so Leute trifft immer wieder argumentativ dagegen vorgeht. Ich glaube, noch sind nicht alle verloren. Auf jeden Fall ist es ein gefährliches Phänomen und man kann da glaub ich Angst haben.

Du sprichst auch an, dass dieser Hang zu Verschwörungstheorien im Rap kein neues Phänomen ist, sondern schon bei so alten Songs wie "Weck mich auf" von Samy Deluxe vorbereitet wurde. Dass solche Tendenzen ein altes Phänomen sind und nicht, wie oft behauptet, eines, das durchs Internet hochgekommen ist.

Durchs Internet wird es eben so krass verbreitet. "Weck mich auf" war ja noch nicht der klassische Verschwörungssong, sondern eher so ne platte, sehr überspitzte Gesellschaftskritik. Aber da liegt schon der Grundstein für diese Denke. Was ich in meinem Song auch versuche zu zeigen ist, dass es halt nicht nur in AfD- und irgendwelchen rechten Esoterikerkreisen gang und gäbe ist so zu denken, sondern auch in der Hip Hop-Szene, in so Kifferkreisen. Ich kenn so Leute, wie meinen alten Kumpel, über den ich da rede, die halt nicht aufgehört haben zu kiffen und auf solche Songtexte zu hören. Und dann kam das Internet und da haben die sich in irgendwelchen Foren rumgetrieben. Da wird wirklich die dümmste Scheiße geredet und das ist dann eben das, was die glauben. Und der Grundstein liegt eben doch in "Weck mich auf", weil da eben Sachen gesagt werden ... ich meine das nicht als Diss. Ich glaube, Samy Deluxe ist einfach nicht so reflektiert.

Naja, du hast auf dem Album schon eine kleine Spitze drin mit deiner BSE-Zeile ("Essen auf der Autobahn, hab immer noch kein Rinderwahn") ...

Ne, ne, ne. Ich meine das wirklich nicht als Diss. Auch nicht, dass ich sage, dass er nicht reflektiert ist. Aber es ist nun mal das, was er sagt. Er sagt in dem Song, die Medien haben uns belogen. Samy Deluxe hat damals offensichtlich geglaubt, dass die Medien schon länger wussten, dass es Rinderwahn gibt: "Belogen von Medien, die zu spät berichteten". Das ist ein Text, den er damals geschrieben hat, aber heute noch live spielt, weil es natürlich einer seiner größten Songs ist. Der Typ hat halt damals (2001) schon gesagt: Die Medien haben uns bewusst zu spät informiert und wir haben bald alle BSE. Wahrscheinlich war der damals in Panik, aber natürlich ist das völliger Schwachsinn. Das ist ja ein verschwörungtheoretisches Weltbild, dass sich alle Medien zusammen im Hinterzimmer treffen und beschließen, die Bevölkerung erst später zu benachrichtigen. Jetzt sollen die alle noch ein bisschen Rindfleisch essen. Das ist absoluter Quatsch und gefährlich. Dass das gefährlich ist, weiß der Künstler, der das rappt, vielleicht gar nicht. Aber es ist wieder mal ein Beispiel für Medienbashing, dass man denen nicht vertrauen darf. Außerdem sagt er in dem Song, dass Politiker Psychopathen sind. Das sind einfach krass dumme Zeilen. Ich meine das nicht böse, Samy war trotzdem mein Vorbild zu der Zeit und ich bin über den ans Rappen gekommen - sage ich ja auch in dem Song. Deshalb muss man auch sagen dürfen, das das wirklich absurd ist, was der da sagt. Da gibt es noch viel krassere Songs, aber das ist eben ein Song aus meiner Jugend. Ich hab das damals einfach mitgerappt und nicht reflektiert. Ich will jetzt auch nicht so kulturpessimistisch und hysterisch rüber kommen, was alles passieren kann, aber wenn man sich überlegt, dass jetzt ja viel absurdere Sachen von Rappern in Interviews auf YouTube behauptet werden. Das gucken Millionen Kids. Da kann man nur hoffen, dass die das differenzieren können. Dass die Leute haben, die denen das besser erklären oder, dass die das irgendwann von selber checken.

Verschwörungsvideos auf YouTube sind die eine Sache. Unter anderem bringen einem YouTube und Soundcloud aber auch eine Flut von neuen Rappern. Was denkst du als Musiker, der eine sehr lange Anlaufbahn hatte, über diese neue Möglichkeit der Popularität? Meinst du, der Musiker Fatoni hätte es im Jahr 2019 als Newcomer einfacher gehabt?

Ich denke nicht. Ich glaube, wenn ich jetzt Newcomer wäre, würde mir der gleiche Weg bevorstehen, der hinter mir liegt. Weil ich nicht durch Hits und Einfachheit funktioniere. Das meine ich jetzt gar nicht wertend, ich feiere auch simple Musik mega. Ich feiere auch viele von den Acts, die ich in der "Clint Eastwood"-Single meine. Es gibt Leute, die ich total geil finde, die in zehn Minuten Texte schreiben. Damit wie's ist bin ich voll zufrieden. Aber ich glaube, wenn ich jetzt ein Teenager wäre, würde ich überhaupt keinen Rap machen wollen.

Sondern?

Das ist echt ne gute Frage. Ich habe keine Ahnung. Ich hab damals mit Rap angefangen, weil es für mich eine interessante Subkultur war, die mich krass angezogen hat. Weil ich dachte, dass das ne geile Welt ist, in der es auch viel um Inhalt geht. Glaub ich zumindest, vielleicht romantisiere ich da auch was. Und heute glaube ich, dass ich die meisten großen Rapper voll dumm fände und von Rap eher abgeturnt wäre. Ich glaube, ich wäre gar kein Rapfan mehr.

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