laut.de-Kritik

Ruhrpott-Raubein mit Herz und Höhenflügen.

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In Anbetracht der Tatsache, dass Hip Hop dem Vernehmen nach von unten kommt, gibt es erstaunlich wenig Rapper, die sich glaubhaft als Abkömmling der Arbeiterklasse inszenieren. Mit seinem zumeist unprätentiösen Auftreten nimmt Fard die Rolle des Rap-Handwerkers ein. Seinem schnörkellosen Vortrag fehlt es dementsprechend an extravaganter Kunstfertigkeit. Dafür pflegt er die Malocher-Mentalität und bekommt über die einstündige Laufzeit ein ordentliches Pensum weggerappt. Da verbleibt natürlich keine Zeit für Jux und Dollerei: "Rapper tanzen nicht bei TikTok."

Hinter der forschen Fassade des Rappers verbirgt sich dabei deutlich ein guter Kern, der sich in "Scotty" enttäuscht von der Welt zeigt: "Menschen klauen, Menschen lügen, Menschen führen Kriege, aber reden dann von Bruderliebe." Vor allem "Nein Mann!" bemängelt die Kaltherzigkeit der Upperclass: "Da ist kein Platz für Liebe zwischen euren Maßanzügen." Respekt zollt er seinem Vater und seiner Mutter, deren Neuanfang in Deutschland nicht nur mit Vorteilen einherging: "Der Preis dafür, dass wir jetzt in Freiheit leben, wär' nicht so hoch, wenn meine Eltern nicht so einsam wären."

Die ihm innewohnende Unschuld schlägt sich im Peter-Pan-Motiv nieder, auf das der Gladbecker bereits früher zurückgriff. In "Moonwalk" bezeichnet er sich ganz direkt als die literarische Figur, in "Nein Mann!" vergleicht er sich mit Huckleberry Finn. Er bleibe "der Junge, der durch sein Viertel tanzt", betont er in "Nimmerland". Zur Schilderung seiner "Odyssee" zwischen Knutschen auf dem "Reiterhof", "Billigfusel" und dem Aufstieg zum Rapper mit Anfang 20 breitet der "Straßenjunge mit zu großem Künstlerherzen" seine Schwingen aus, um sich von der Panflöte davontragen zu lassen.

Besonders deutlich sticht die romantische Seite Fards in den Stücken hervor, in denen er nach der großen Liebe schmachtet. "Vielleicht macht Liebe uns verrückt und darum fallen wir", gibt er zu Protokoll, während ihm in seiner Einsamkeit nur noch der "Mann Im Spiegel" bleibt: "Wozu die Tränen und das Drama? Als Dank ein Loch in dei’m Herz." Im andächtigen "Türkischer Honig" verzehrt ihn nicht nur die Sehnsucht, auch selbstkritische Gedanken nehmen Raum ein: "Sie sagen, gute Frauen lieben oftmals schlechte Männer. Wenn dem so ist, bin ich vielleicht der letzte Penner."

Doch dann offenbaren sich immer auch Risse im Mauerwerk seines Images. Zu einem heldenmütigen Instrumental eröffnet Fard ein Album, das schwülstige Liebeslieder wie "Eisblume" prägen, mit den rotzigen Zeilen: "Mir scheißegal, wie viel Schmerz du in dein' Vers verpackst. Eine DM und deine Frau wird weich wie Kerzenwachs." Das fügt sich ebenso schlecht ins Konzept ein wie der Trap-Versuch "Dance Baby Dance", in dem er "selbstverliebt und dekadent" über "Hoes" spricht. Sogar im für ihn völlig unpassenden "Moshpit" muss sich der gebürtige Iraner Avancen erwehren.

Wenn sich Fard einmal in den Überflieger-Modus gerappt hat, folgt gerne die bekannte Paranoia. "Bin mir selbst mein letzter wahrer Freund geblieben. Lass' nicht zu, dass diese Pussys meine Träume kriegen", wehrt er sich in "Scotty" gegen die Umtriebe ungenannter Mächte. Selbst ein locker-leicht aufspielender Song wie "Keine Liebe", in dem er davon schwärmt, dass "all die süßen Bienchen" seinen "Liebesnektar" begehren, endet mit einer wahnhaften Note: "Es reicht nicht aus, mir einfach nur den Tod zu wünschen. Du musst schon kommen und den Abzug der Pistole drücken."

"In meinem Block gibt's kein' Applaus für eure Pop-Balladen." Fard müsste eben diese in "Terrorbars Freestyle" geäußerte Erkenntnis selbst verinnerlichen. Wenn er die gelegentlichen Protzereien und unnötigen Höhenflüge à la "Jupiter" und "Sinaloa" hinter sich ließe, müsste der sonst bodenständige Rapper als Ruhrpott-Raubein mit Herz die optimale Identifikationsfigur für die Nachfahren der Gastarbeiter, Geflüchteten und Grubenkumpel Nordrhein-Westfalens hergeben. "Bleib' für immer dieser Junge aus dem Ruhrpott", klingt am Steuer eines Lamborghini ausgesprochen hohl.

Trackliste

  1. 1. Jupiter
  2. 2. Yeah Yeah Yeah Yeah (mit PA Sports)
  3. 3. Scotty
  4. 4. Eisblume
  5. 5. Dogo Argentino
  6. 6. Dance Baby Dance
  7. 7. Moonwalk
  8. 8. Türkischer Honig
  9. 9. Odyssee
  10. 10. Moshpit
  11. 11. Moncler
  12. 12. Nein Mann!
  13. 13. Terrorbars Freestyle
  14. 14. Call Me
  15. 15. Sinaloa (mit Kollegah und Asche)
  16. 16. Keine Liebe
  17. 17. Mann Im Spiegel
  18. 18. Nimmerland
  19. 19. Wolkenfrei
  20. 20. Tausend Dank
  21. 21. Herz (mit Miksu/Macloud)

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