5. April 2013

"Rock muss sich wieder öffnen!"

Interview geführt von

Drei Jahre lang gingen die vier Emo-Alternative-Rocker von Fall Out Boy getrennte Wege. Das ständige Aufeinanderhocken und der nicht enden wollende Hype um die Band drohte die Gemeinschaft zu zermürben, sodass man keinen anderen Ausweg sah, als für einen unbestimmten Zeitraum komplett von der Bildfläche zu verschwinden. Nun scheinen die Akkus wieder aufgeladen, denn wie aus dem Nichts kündigten Patrick Stump und Co. vor einigen Monaten die baldige Veröffentlichung ihres neuen Albums "Save Rock And Roll" an.Fall Out Boy sind eine dieser Bands, die sich nach einer neunjährigen Karriere auf der Überholspur im Jahr 2010 dazu entschlossen, erst einmal die Reißleine zu ziehen. Um die Vergangenheit zu verarbeiten und einem bevorstehenden Erfolgs-Kollaps entgegen zu wirken. Nach dreijähriger Business-Abstinenz sind die Herren Stump, Wentz, Trohman und Hurley nun wieder am Start.

Mit ihrem "Comeback"-Album "Save Rock And Roll" und groß angelegten Tourplänen weckt die Band wieder all die schlafenden Geister, die vor drei Jahren noch für eine Flucht ins Dunkel gesorgt hatten. Keine Angst vor wiederkehrenden Freiheitsräubern der Vergangenheit? Wir trafen uns mit Sänger Patrick Stump in Berlin und fragten nach:

Hi Patrick, vor drei Jahren habt ihr euch bewusst aus dem Rampenlicht verabschiedet, weil euch der Trubel um die Band einfach zu viel wurde. Jetzt habt ihr ein neues Album im Gepäck, eine dicke Arena-Tour in Planung und schon wieder massenhaft Reisemeilen auf dem Buckel. Schrillen da nicht die Alarmglocken bei euch?

Patrick: (lacht) Nun, es gab in den vergangenen Wochen wirklich einige Tage, an denen uns ein bisschen die Muffe ging. Wir wussten natürlich, dass uns unsere Fans nicht komplett vergessen würden, aber mit einem derartigen Feedback auf unsere Rückkehr haben wir nicht gerechnet.

Aufgrund der überschwänglichen Reaktionen auf euer Comeback wurde sogar die Veröffentlichung eures neuen Albums vorgezogen.

Ja, das stimmt. Das Album sollte eigentlich Anfang Mai erscheinen, auf den Tag genau zehn Jahre nach dem VÖ-Tag unseres Debütalbums. Das hätte alles wunderbar gepasst, aber irgendwie wurden wir und unser Label in den vergangenen Wochen mit Fanreaktionen nur so überhäuft, sodass wir uns dazu entschlossen haben, die Wartezeit auf das neue Material noch etwas zu verkürzen.

Euer Label hatte damit doch bestimmt am wenigsten Probleme, oder?

Die waren natürlich total begeistert, ganz klar. Normalerweise ist an einem festgesetzten VÖ-Termin nicht mehr zu rütteln. Insofern waren wir schon ziemlich überrascht, als irgendwann der Anruf mit dem Vorschlag kam, das Album eventuell vorher zu veröffentlichen. Das war dann auch der Moment, wo wir uns kurz hinsetzen mussten. Unsere Fans sind nämlich unheimlich leidenschaftlich bei der Sache.

Manchmal kann Leidenschaft aber auch ziemlich angsteinflößend werden – vor allem wenn man sie, wie wir damals, nahezu jeden Tag zu spüren bekommt. Andererseits wollen wir uns aber auch nicht beschweren. Wir sind sehr stolz auf unsere Fans und wissen, was wir ihnen zu verdanken haben. Außerdem hatten wir ja jetzt genug Zeit uns von all dem Trubel etwas zu erholen. Daher blicken wir voller Vorfreude in die Zukunft.

Eine Aufösung stand zu keiner Zeit zur Debatte.

Es lag ja wohl auch nicht nur am öffentlichen Hype um die Band, der euch vor drei Jahren dazu veranlasst hat, auf den Pausenknopf zu drücken. Ihr sollt auch intern das Gefühl gehabt haben, nicht mehr so richtig weiter zu kommen. Stimmt das?

Ja, wobei es damals nicht um irgendwelche Ego-Probleme oder Streitereien innerhalb der Band ging, sondern lediglich darum, dass wir musikalisch völlig ausgepumpt waren. Wir hockten jahrelang fast sieben Tage die Woche unterbrochen aufeinander. Und ständig erweiterte sich unser Umfeld. Es kamen immer mehr Menschen hinzu, die in den kreativen Prozess mit einbezogen wurden. Irgendwann merkten wir einfach, dass wir eine Pause brauchten.

Dieses verbundene Gefühl, das wir hatten, als wir anfingen und sich keiner, außer uns um unsere Musik kümmerte, war verloren gegangen. Der ganze Songwriting-Prozess stockte auf einmal und es bildeten sich immer größere Mauern um uns herum. Wir haben einfach gemerkt, dass wir Gefahr liefen, ganz elementare Dinge aus den Augen zu verlieren. Deswegen haben wir uns für die Pause entschieden.

Gab es denn Momente, in denen ihr über eine Auflösung des Ganzen nachgedacht habt?

Nein, die gab es nie. Uns war allen klar, dass wir nur für eine unbestimmte Zeit Freiraum brauchten. Es war ja nicht so, dass wir keinen Bock mehr aufeinander hatten. Es ging nur nicht mehr so einfach wie früher. Eine Auflösung stand aber zu keinem Zeitpunkt zur Debatte.

Wann habt ihr denn gemerkt, dass es wieder an der Zeit ist, es miteinander zu versuchen?

Da gab es keinen bestimmten Moment. Das war einfach ein Prozess. Irgendwann war das Gefühl für einen Neubeginn einfach da. Pete und ich waren ja ständig in Kontakt. Wir haben während der Pause viel mit anderen Kunstformen experimentiert. Irgendwann habe ich ihm einen Song geschickt, den ich geschrieben hatte und er war sofort begeistert und schlug vor, die anderen Jungs anzurufen, um zu gucken, was man im Kollektiv daraus machen könnte. Von da an kam die ganze Entwicklung wieder ins Rollen. Das war ungefähr vor einem Jahr.

Wie habt ihr es geschafft, das alles dann ein Jahr lang unter Verschluss zu halten?

Das war natürlich nicht immer einfach. Aber es war nötig, um uns wieder richtig fokussieren zu können. Als wir anfingen Musik zu machen hat sich kein Mensch außer uns für unsere Musik interessiert. Das war unser kleines eigenes Universum, verstehst du? Niemand quatschte uns rein – es ging nur um die Band und um unsere Musik. Diesen Zustand haben wir in den letzten Jahren immer mehr aus den Augen verloren. Da wollten wir wieder hin. Also versuchten wir den Kreis der Eingeweihten so klein wie nur möglich zu halten.

Manchmal fühlte es sich sogar so an, als wüssten wir selbst nicht so genau, ob wir uns schon in einem richtigen Songwriting-Prozess befinden. Ich kann mich noch erinnern, wie mich meine Schwester irgendwann dauernd nervte. Sie hatte mitbekommen, dass ich mich regelmäßiger als sonst mit Pete traf und wollte ständig wissen, ob wir an neuen Songs arbeiten. Ich guckte sie dann immer völlig erstaunt an und sagte ihr, dass ich mir selbst nicht sicher sei (lacht). Irgendwann hatten wir diese Vibes jedenfalls wieder, dieses Gefühl, dass nur wir selbst involviert sind und wir uns total auf das konzentrieren können, was zählt: nämlich die Musik. Dieses Gefühl wollten wir uns so lange wie möglich bewahren.

Fandst du, dass die Dinger peinlich aussahen?

Lass uns über das neue Album reden. Einige Songs, die ich bereits vorab hören konnte, klingen sehr experimentell.

Ja, das stimmt. Das war auch genau das, was wir wollten. Es ging uns bei diesem Album im Wesentlichen darum, Dinge auszuprobieren. Fast jeder Song auf dem neuen Album präsentiert sich in einem eigenen Gewand. Es gibt Hip Hop-Elemente, einige Elektro-Sachen und ziemlich viel anderes Zeugs. Es ist definitiv unser facettenreichstes Werk bis dato.

Sind Fall Out Boy jetzt die Retter des Rock And Roll?

(Lacht) Der Titel des Albums ist eher ironisch gemeint, wenngleich auch viel Wahrheit drin steckt. Ich finde, dass viele Bands momentan wieder verstärkt auf straighte Genre-Kategorien setzen. Das ist, meiner Meinung nach, der falsche Ansatz. Denn für mich bedeutet Rock'n'Roll vor allem Freiheit - die Möglichkeit, sich auszuprobieren, um Neues zu schaffen. Wir haben keine Angst davor, über den Tellerrand zu gucken und andere Einflüsse zuzulassen.

Ich meine, heutzutage würde Rockmusik sicherlich anders klingen wenn die Rolling Stones damals nicht Howlin' Wolf gehört hätten und die Beatles nicht auf Johnny Gentle abgefahren wären. Oder schau dir Led Zeppelin an, die Mutter aller Rockbands. Die haben sich mit Jazz, Reggae und Funk befasst. Das ist der springende Punkt. Die Rock-Community muss sich wieder mehr öffnen.

Ihr sollt für das neue Album auch eine lange Gästeliste angefertigt haben.

Ja, es wird einige Überraschungen geben. Wir haben beispielsweise mit dem Rapper 2 Chainz zusammengearbeitet. Es ist ein tolles Gefühl, wenn man merkt, wie sich völlig verschiedene Ansätze zu etwas Großem verbinden lassen. Aber ich will auch noch nicht zu viel verraten.

Apropos neu: ihr seid letztens bei der Jimmy Kimmel-Show in hautengen Skelett-Ganzkörperanzügen aufgetreten. Nur ein Gimmick? Oder nehmt ihr die neue Garderobe auch mit auf Tour?

Die Anzüge waren wirklich cool, auch wenn es echt schwierig war darin zu performen. Es war eng und super heiß. Aber es sah richtig cool aus. Wir sind eigentlich keine Band, die sonderlich viel Wert auf derartige Verkleidungen legt, aber in diesem Fall hat es einfach wunderbar gepasst. Wir haben die Anzüge danach auch nicht entsorgt. Mal schauen, ob und wann sie wieder zum Einsatz kommen. Fandst du, dass die Dinger peinlich aussahen?

Nein, überhaupt nicht. Ich fand es eher erstaunlich, wie tight man trotz einer derartigen Verkleidung spielen kann.

Ja, wir waren auch überrascht. Aber guck dir David Bowie oder Kiss an – die stehen seit Jahrzehnten in schweren Kostümen auf der Bühne und liefern trotzdem ab. Dagegen sah unser Auftritt eher aus wie ein Kindergeburtstag (lacht).

Übung macht den Meister. Wie du schon sagtest: große Podeste, Feuersäulen, Pyros und tonnenschwere Kostüme gehören bei denen ja schon seit Dekaden zum Standardprogramm.

Wir haben auch mal mit überdimensionalen Hydraulik-Podesten experimentiert. Da standen wir dann drauf und die schossen uns dann in die Höhe. Bei einer Show ist die Hydraulikflüssigkeit allerdings über Nacht eingefroren. Als dann während der Show im Hintergrund die Knöpfe gedrückt wurden, bewegten sich die Podeste nur im Zeitlupentempo gen Himmel, sodass wir vom Boden aus über die Podeste auf die Bühne krabbeln mussten. Das war peinlich!

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