laut.de-Kritik

Na geht doch: Die perfekte Balance aus Riffgewalt und Hooks.

Review von

Gary fucking Holt. Jede Besprechung eines Exodus-Albums muss einfach bei dem 57-Jährigen beginnen. Als Hauptsongwriter, Leadgitarrist und Texter leitet er die Bandgeschicke fast im Alleingang. Und auch wenn Exodus nie den kommerziellen Erfolg der "Big Four" erreicht haben, so haben sie sich immerhin stilistische Peinlichkeiten und Sellout-Projekte erspart. Exodus wurden nie softer, sondern orientierten sich ganz im Gegenteil zunehmend ins andere Extrem.

Die Schattenseite dieser Omnipotenz zeigte sich in jüngster Vergangenheit. Weil der Chef mit den Kollegen von Slayer fremdging, wo er für den 2013 verstorbenen Jeff Hanneman einsprang, musste seine Hauptkapelle im Parkmodus ausharren. 2014 reichte es trotz alledem für das Album "Blood In Blood Out", doch tanzte Holt damals immer noch auf zwei Hochzeiten den Toxic Waltz. Sieben Jahre später sind Slayer in den Ruhestand entschwunden und Holts Aufmerksamkeit gilt endlich wieder einzig und allein Exodus – mit welch erfreulichem Resultat, das zeigt "Persona Non Grata".

Eine Stunde feinsten Thrash Metal klatschen die Musiker uns auf den Platten-Teller. Das ist zugegebenermaßen recht viel des Guten, und da gleich zwei Tracks die Sieben-Minuten-Marke sprengen, macht der Blick auf die Tracklist den Rezensenten erst einmal skeptisch. Immerhin ist eine der größten Schwächen der Band die Tendenz, einzelne Riffs oder Songparts durch andauernde Repetition tot zu nudeln. Doch auf Studioalbum Nummer 11 verfliegen diese Bedenken rasch, respektive: sie werden in der Luft zerfetzt. Denn nebst der schieren Riff- und Doublebassgewalt stimmt diesmal auch das Songwriting.

Womöglich hatte die lange Anlaufzeit ja ihr Gutes, jedenfalls vereint "Persona Non Grata" sämtliche Stärken der Band in lange nicht erreichter Konstanz. Die Brutalität und Komplexität der Ära mit Ex-Shouter Rob Dukes treffen auf die eingängigsten Hooks seit "Tempo Of The Damned" von 2004. Dazu bringen die Veteranen einige kompositorische Überraschungen ein sowie einen Sound, der direkter reinknallt als auf dem Vorgänger – Thrash-Herz, was willst du mehr? Nach wochenlanger Dauerrotation sei die These gewagt: "Persona Non Grata" ist das rundeste Exodus-Album seit "Tempo Of The Damned".

Schon der Titeltrack ist ein Monster von einem Song, der das Kunststück vollbringt, siebeneinhalb Minuten nie langatmig wirken zu lassen. Der Einstieg gerät gnadenlos schnell und gehässig, mit extra-giftigem Gekeife von Steve "Zetro" Souza und ratternder Snare von Tom Hunting. Nach dem zweiten Refrain übernimmt Bassist Jack Gibson den Lead und leitet den Song ins Midtempo über, ehe Holt und sein Klampfen-Kollege Lee Altus sich in gewohnter Manier die Soli um die Ohren hauen. Wenn nach fünf Minuten eigentlich alles gesagt zu sein scheint, kippt die Stimmung ins Beklemmende, ehe am Schluss das Gaspedal nochmals voll durchgedrückt wird. Theoretisch ein sperriger Einstieg, aber in der Umsetzung großartig.

Unmittelbar danach verliert die Platte leider etwas von ihrem Momentum. Das kryptisch betitelte "R.E.M.F." krankt trotz famosem Drive am zappeligsten und damit uneinprägsamen Refrain. Da bleibt für einmal zu wenig hängen. "Slipping Into Madness", die einzige Lee-Altus-Komposition des Albums, macht gleich wieder Boden gut, wobei Altus und Holt im Refrain im vollen Headbanger-Modus vor dem geistigen Auge erscheinen. An starken Riffs mangelt es der Platte wirklich nicht.

Die Lyrics zu dem Song stammen von Zetro, dem auch Respekt für seine Gesangsleistung gebührt: So sehr seine kreischigen Gremlin-trifft-auf-Bon-Scott-Vocals polarisieren, so sehr findet er auf "Persona Non Grata" ein wohltuendes Maß. In nervige Gefilde driftet er nur selten ab. Mit dem vermehrten Einsatz kräftiger Growls oder unheimlichem Sprechgesang ("Prescribing Horror") zeigt er sich zudem so variabel, wie es die Songs verlangen. Einen Track wie "Elitist" – der flott statt angepisst klingt – bringt er mit seinem catchy Gesang sogar erst richtig zum Fliegen. Ihr Souza-Skeptiker: Einfacher macht es euch der Mann in diesem Leben vielleicht nie mehr.

Auch Drummer Tom Hunting spielt mit einer Verve, die einem Newcomer gut stehen würde. Felle, Becken und Pedale verdreschend, befeuert er maßgeblich die furiose Wut, von der das Album lebt, ohne sich aufzudrängen. Im Gegenteil bietet er Orientierung und hält alle Fäden zusammen, die Drums sind daher auch zurecht prominent in den Vordergrund gemischt.

Während der erste Teil des Albums als sackstarke bis solide Thrash-Kost durchgeht, folgt mit "Prescribing Horror" ein langsamer Track. Das Hauptriff entwickelt eine hypnotische Wirkung, darüber Zetros unheilvolles Gekeife und Glockenschlag-Samples. Nur, um das zu betonen: Der Track spielt in einer Liga mit fiesen Kriechern wie der Slayer-Grosstat "Seasons In The Abyss". Großes Kino!

Einen Tick schneller, aber gleichwohl atmoshärisch dicht ist "The Years Of Death And Dying". Hier wirft Holt im Refrain unverhofft eine melodiöse Tapping-Melodie ein, die er im laut.de-Interview als "ein bisschen Schweden" bezeichnet. Im Exodus-Kosmos ist das neu und sehr willkommen. Zusammen mit harmonischen Anklängen in "Slipping Into Madness" zeigt sich daran auch, dass Exodus den Härtegrad diesmal nicht über die Eingängigkeit stellen.

Die Lyrics von "Dying" stammen von Hunting und sind eine Huldigung an gefallene Ikonen wie Tom Petty, Johnny Cash und David Bowie. Wenn man weiß, dass der Drummer dem Tod wegen einer Krebsdiagnose gerade selbst nahe kam, erhalten sie eine berührende Note. Flankiert wird dieser Song von zwei reinrassigen Thrash-Bangern, "The Beatings Will Continue (Until Morale Improves)" und "Clickbait", die gnadenlos durchgeprügelt werden und Puristen begeistern dürften.

Wäre hier Schluss, wäre das Album ein moderner Meilenstein-Kandidat. Aber eben, eine ganze volle Stunde an Material bieten die Kalifornier auf. Das bedeutet: Auch wenn die Songs, die im letzten Teil folgen, keineswegs schlecht sind, haben sie doch das Pech, dass bei vielen Hörerinnen und Hörern bereits das Sättigungsgefühlt einsetzen dürfte. 'The Beatings' gehen dennoch weiter.

Das kurze Instrumental "Cosa Del Pantano" führt mit Canjun-Klängen zurück in die Sumpflandschaften von "Fabulous Disaster" und gibt nochmals Gelegenheit zum Durchatmen, ehe mit "Lunatic Liar Lord" das zweitlängste Stück vom Zaun bricht. Dieses wandelt mit rasendem Start und ausgedehntem, düsterem Mittelteil in den Fußstapfen des Titeltracks, fällt aber leider auseinander. Dass Rick Hunolt – der langjährige Gitarren-Sparringpartner von Holt – sein Gastsolo ausgerechnet auf dem schwächsten Song eingespielt hat, ist ein Jammer.

Die beiden letzten Tracks aktivieren nochmals sämtliche Thrash-Muskeln, mit Riffs-a-gogo, Gekloppe, Geknurre und Gefauche. Dass "Antiseed" mit einem knalligen Riff, aber ohne jegliches Pathos ausklingt, ist der logische Schlusspunkt für das Album: Lieber nochmals einen Banger mehr statt eines Schwanengesangs.

Das dürfte auch als Versprechen zu verstehen sein: Exodus sprühen im 40. Jahr ihrer Karriere nur so vor Tatendrang. Solange sie auf dem Niveau von "Persona Non Grata" nachlegen: Immer her damit.

Trackliste

  1. 1. Persona Non Grata
  2. 2. R.E.M.F.
  3. 3. Slipping Into Madness
  4. 4. Elitist
  5. 5. Prescribing Horror
  6. 6. The Beatings Will Continue (Until Morale Improves)
  7. 7. The Years Of Death And Dying
  8. 8. Clickbait
  9. 9. Cosa Del Pantano
  10. 10. Lunatic Liar Lord
  11. 11. The Fires Of Division
  12. 12. Antiseed

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