29. Juni 2001

Das Beste was du je gehört hast ... und noch ein bisschen mehr!

Interview geführt von

Gebäude 9. Alte Backsteingebäude und strahlender Sonnenschein. Warme, fröhliche Sommer-Atmosphäre. Man könnte meinen, das wäre das unpassendste Wetter, um Eskobar zu treffen. Denn eine Band, die melancholische, träumerische Musik macht, gehört doch eher an einen kalten Winterabend vor den Kamin! Aber weit gefehlt. Es handelt sich bei Daniel und Robert von Eskobar, mit denen ich die nächste halbe Stunde im charming bei Tageslicht jedoch leicht angeknabbert wirkenden Cafe des Gebäude 9 verbringen werde, um muntere junge Kerlchen. Als ich das Mikro auf den Tisch stelle schnappen sie es sich gleich und fangen an reinzubrabbeln ...

D: I'm coming for you Murdock! (Daniel und Robert fangen an zu kichern.)

Was war das?

R: Das ist Rambo. Teil 2. Vielleicht einer der größten Filme.
D: Nicht der Größte, aber der Beste.

Und was ist dann der Größte?

D: Rambo 1!! (kichert schon wieder verschmitzt) Nee, kleiner Spaß.

Eigentlich scheint ihr sehr fröhliche und lebensbejahende Menschen zu sein, aber eure Songs sind sehr sehr traurig. Wie kommt ihr in diese Stimmung?

D: Das Ding ist, dass die Songs gar nicht so traurig sind, wie sie am Anfang erscheinen, denn es ist immer Hoffnung in ihnen. Wir sind eine sehr natürliche Band und die meisten Songs habe ich geschrieben, als ich traurig war. Aber auf der Bühne bin ich nicht traurig. Wir sind da eher glücklich und haben Spaß
R: Wir sind drei glückliche Typen!
D: Also kann ich auf der Bühne auch nicht so tun, als wäre ich traurig, ich bin's ja nicht.

Man sieht das ja wenn ihr spielt ...

R: Das sind dann einfach nur wir.
D: Ja, wir sind wir wenn wir die Songs schreiben, wenn wir sie aufnehmen und wenn wir sie live spielen.

Manche Leute beschreiben eure Songs als ruhig, relaxend, warm und schön, andere hingegen sagen, das wäre "Selbstmordmusik". Was denkt ihr über diese doch sehr verschiedenen Reaktionen?

R: Wenn jemand denkt, das wäre die optimale Musik für einen Selbstmord, dann ist das wahrscheinlich nur die erste Reaktion. Aber wenn sich diese Person dann hinsetzen und auf die Lyrics hören würde, würde sie wahrscheinlich ihre Sichtweise ändern.
D: Absolut!

Und wie würdet ihr selbst eure Musik beschreiben?

R: Persönliche Songs und Erfahrungen, ... ähhhhh (die beiden gucken sich fragend an und sind schon wieder kurz davor loszukichern).
D: Ich weiß nicht, wie ich die Musik beschreiben soll, man muss sie einfach anhören und verstehen wie sie ist, was sie sagen will. Die Songs verbreiten natürlich ein sehr melancholisches Gefühl, aber da ist auch irgendwo ein Licht, es ist Hoffnung in ihnen. Sie sagen ja nicht: Spring in den Fluss und sag der Welt Ade! So sind sie nicht!!! Sie sagen, dass es erlaubt ist, manchmal traurig zu sein, aber auch, dass es immer Sachen gibt, für die es sich zu leben lohnt!

Wie kreiert ihr dieses dunkle aber schöne Stimmung? Kommt das einfach beim Spielen?

D: Wir haben nie darüber nachgedacht, es in irgend eine Richtung gehen zu lassen, das ist einfach so passiert. Die Songs entstehen so: ich schreibe die Basisideen, ein paar Akkorde, die Texte und die Melodie, dann bringe ich sie zu Robert und Frederik und wenn sie das mögen, was ich gemacht hab spielen wir's zusammen und bringen den Song voran.
F: Soudcheck!
D: Wie?
(Kurzer Wortabtausch in Schwedisch)
D: O.K. wir können noch weitermachen.

Daniel, ich hab gelesen, dass du eine sehr extreme Person bist ...

D: Ich habe das nie gesagt! Das haben die falsch aufgeschrieben! Ich bin keine extreme Person. Wir sagen immer wir sind ganz normale Menschen. Manchmal glücklich, manchmal traurig. Es ist nicht so, dass wir immer in diese dunkle Richtung gehen!
R: Wir stehen eigentlich mit beiden Füßen auf dem Boden.

Arbeitet ihr schon an einem neuen Album? Wie wird es?

D: Es wird das Beste, was du je gehört hast ... und noch ein bisschen mehr! Die Basis der Songs ist immer noch die selbe wie auf dem ersten Album, aber dieses Mal werden wir einen Schritt in die Zukunft machen ... nach 2003 oder 05 oder so ...

Wie sieht die Zukunft denn aus?

D: Für uns? ... ist sie elektronisch! Ja, das neue Album wird ein bisschen elektronischer!

Lasst ihr die Sneaker Pimps als Vergleich durchgehen?

D: Ja, die Sneaker Pimps sind gar kein so schlechter Vergleich! Aber, naja, auch nicht wirklich ... Gleichzeitig gucken wir nämlich auch zurück auf unsere alten Songs. Unsere Vergangenheit vor dem "'Til We're Dead"-Album. Wir waren eher eine Indie-Pop-Band, also haben wir damals auch mehr Indie-Pop-Songs gemacht. Jetzt kommt das Ganze halt mit einem neuen Sound, einem elektronischen Sound. Einige Songs sind sehr smooth und low, wie auf dem ersten Album, vielleicht sogar noch extremer. Auf dem neuen Album wird es alles geben: Langsame und schnelle Songs, Mittlere ... das letzte war schon ziemlich low key.

Ihr habt mit Heather Nova zusammen gearbeitet ... wie kam das zustande?

D: Wir haben allgemein darüber diskutiert, wen wir als Gast auf das neue Album nehmen könnten, denn wir hatten jemanden auf dem Letzten und es hat uns Spaß gemacht, mit jemandem zusammen zu arbeiten. Wir haben uns über verschiedene Personen unterhalten, die wir mögen, also Sänger. Und dabei haben wir mit jemandem gesprochen, der dann wiederum Kontakt zu Heather Nova hatte. Und sie sagte: 'Ja, cool, lass uns was zusammen ausprobieren'.

Kannte sie eure Musik vorher schon?

R: Ich weiß nicht ...
D: Ich glaube ... jemand hat mir erzählt, sie würde sie kennen, aber man weiß ja nie ... Leute erzählen anderen die merkwürdigsten Sachen, weil, ach ... Also weiß ich nicht wirklich, ob sie unsere Songs vorher schon mal gehört hat, aber wir haben gut zusammengepasst und haben dann einen Song zusammen gemacht. Der wird auf dem Album sein und wahrscheinlich auch als Single erscheinen.

Eskobar gibt es seit 1994, euren jetzigen Stil habt ihr aber erst 1998 gefunden. Was ist zwischendurch passiert?

D: Wir haben den Mut gesucht, einfach wir selbst zu sein. Wir haben alles ausprobiert, unsere Vorbilder kopiert.
R: Wir haben versucht wie die Musik zu klingen, die wir damals auch gehört haben.

Was war das?

D: The Stone Roses, Charlatans, oder so ähnliches Zeug

... also alles britische Bands?
D und R: Yea!

Aber ihr wollt nicht in die "Britpop"-Schublade gesteckt werden.

D: Wenn du dir unser Album anhörst und dir dann das anhörst, was die Leute Britpop nennen ... ich meine was ist Britpop denn überhaupt? Das spukte mal ein Paar Jahre durch alle Medien, das waren damals Oasis, Blur und vielleicht Suede. Aber die Leute wollen halt immer Menschen und Bands in Kategorien pressen. Aber ich glaube, wir sind überhaupt kein Britpop!

Auf eurer EP "Tumbling Down Dead: Mono Version" habt ihr einen Song der Wannadies gecovert. Warum? Hat der Song eine spezielle Bedeutung für euch?

R: Wir waren mit den Wannadies in Schweden auf Tour. Das war unsere allererste Tour. Und das sind großartige Menschen. Wir mögen sie und ihre Musik. Wir haben sie schon gehört, bevor wir mit ihnen auf Tour waren.
D: Es ist einfach ein cooler Song. Sie sind aus dem Norden Schwedens und wir sind aus Stockholm und da kam uns die Idee eine Art "Cityversion" dieses Songs zu machen.

Gibt es in Schweden eine enge Musikerszene?

D: Naja, wir rufen die Leute von anderen Bands nicht oft an oder so. Aber man trifft jeden mal, wenn man auf Festivals oder so spielt. Also kennen wir eine Menge von den Leuten, wie Kent ...
R: Wenn man zusammen auf Tour ist oder so macht man auch zusammen Party.
D: Aber ich glaube nicht, dass es dieses bestimmte "kleine Ding" in Schweden gibt, dass uns alle zusammen hält.

In Schweden unterstützt die Regierung junge Musiker. Habt ihr von diesem Programm profitiert?

D: Wir sind reich. (Beide lachen)
R: Nee, aber wir beide sind auf diese staatlichen Musikschulen gegangen. Das ist eine ziemlich gute Sache, um überhaupt Zugang zur Musik zu bekommen!
D: Da gibt es zum Beispiel Proberäume, die man umsonst benutzen kann. Und da macht einem auch niemand Vorschriften. Außerdem haben wir Aufnahmegeräte und ähnliches umsonst bekommen. Das ist wirklich gut. Die haben in Schweden junge Leute wirklich unterstützt, die irgendwas mit Musik machen wollten!

Nach eurer letzten Tour habt ihr gesagt, ihr seid mit eurer Situation sehr glücklich, wie sie gerade ist. Werdet ihr langsam ein bisschen müde, beginnt es zu viel zu werden?

D und R: Nein!
D: Wir wollen mehr! Wir sind sehr sehr glücklich mit unserem Leben im Moment wir wollen auf keinen Fall aufhören mit dem, was wir gerade machen!
R: Wir leben gerade in unserem alten Traum! Wir wollten immer von unsere Musik leben können.
D: Einfach nur davon überleben. Wir wollten nie Megastars sein oder viel Geld machen. Wir wollten einfach nur rumfahren und für die Leute unsere Musik spielen. Das ist genug. Und wenn wir nebenbei damit noch Geld machen.. ach weißt du, das ist dann auch O.K. ... Dann können wir morgens 'ne Scheibe Käse mehr auf unseren Sandwich machen, ach ich weiß auch nicht (lacht schon wieder auf seine schelmische Art) ... aber das war nie unsere Priorität.

Wie sieht denn euer Leben im Moment genau aus?

D: Ach, Dinner mit Michael Jackson ...
R: Musik ... 100 Prozent.
D: Wir machen nichts anderes. Wir haben keine Jobs nebenbei mehr. Wir machen Musik, Touren, nehmen Sachen auf. Ja ... wir haben eigentlich einfach Spaß!

Mögt ihr das deutsche Publikum? Ist das anders als das schwedische?

R: Nein das unterscheidet sich kaum.
D: In den meisten Ländern ist das Publikum ähnlich. Es ist bloß außerhalb von Schweden schwieriger, den Leuten auf Englisch genau zu erklären, was du ihnen sagen willst. Aber wir sagen sowieso nicht so viel. Wir lassen lieber die Musik sprechen. Wir hatten eigentlich überall ein gutes Publikum.

Wie reagiert das Publikum bei euren Konzerten?

R: Die schmeißen mit Flaschen ...
D: ... fangen an zu kotzen... (ein Lachen das ein Eskobar-muss-man-einfach-mögen-Gefühl im ganzen Raum verbreitet)
R: Bei einem wirklich guten Gig haben wir einfach ein Publikum, das wirklich zuhört ...
D: ... außerdem mögen wir es, wenn das Publikum mitsingt. So lange die Leute sich auf uns konzentrieren ist es O.K.. Wenn sie anfangen zu reden, ist das nicht sehr nett. Unsere Musik ist zum Teil sehr leise und das Reden zerstört dann das Gefühl in der Musik. Das passiert eigentlich immer, wenn die Leute viel Alkohol getrunken haben ... also passiert es manchmal.

Was war euer schönstes Erlebnis?

D: Das Hulsfred-Festival. Das größte Festival in Schweden. Wir haben da letzen Sommer gespielt und waren uns nicht sicher, ob uns überhaupt jemand sehen will, da wir vorher immer nur in sehr kleinen Clubs gespielt haben. Wir saßen also ganz unbedarft in der Backstagearea, bis unser Techniker rein kam und meinte: 'Hey, draußen ist es so voll, da geht kein einziger Mensch mehr rein.' Wir waren ziemlich geschockt. Und später konnte man durch die Mauern auch die 'Love Eskobar'-Chöre hören. Ich bekam solch eine Angst, schon ne Stunde vorm Gig standen da Leute, die Eskobar T-Shirts anhatten und haben auf uns gewartet ... wir haben richtig Angst bekommen ...
R: ... und dann sollten wir da auch noch unseren Soundcheck machen.
D: Ich hab mich nicht mal mehr getraut, meinen Mikrofon-Soundcheck zu machen. Wir haben uns einfach nur noch in den Backstagebereich gesetzt und hatten Angst vor dem, was kommen würde. (die beiden schauen sich beim Erzählen immer wieder an und müssen anfangen zu kichern)
R: Auch die letzte Deutschlandtour war großartig, wir waren noch nicht oft aus Schweden draußen und die Leute hier haben so nett auf uns reagiert.
D: Auch die Leute, die du in diesem Job triffst, sind sehr nett, es ist ziemlich interessant, mit ihnen zu reden, wie z.B. mit Grandaddy, mit denen wir das letzte Mal in Deutschland waren!

Ihr habt ziemlich stylische Videos. Wie viel kommt da von euch und welchen Anteil haben andere daran?

D: Wir haben nicht viel Input in die Videos.
R: Wir bekommen ein paar verschiedene Skripts, die jemand anders sich ausgedacht hat und suchen uns dann das aus, was uns am besten gefällt und was am besten auf die Musik passt.
D: Wir haben Vertrauen in die, die Videos professionell machen. Wir können das nämlich nicht!

Seid ihr in Schweden schon richtig berühmt? Erkennt man euch dort auf der Straße?

D: Wenn wir weggehen werden wir schon erkannt. Aber wir leben in Stockholm, das ist groß genug, so dass uns die Leute in Ruhe lassen. Die tun merkwürdiger Weise auch immer so, als würden sie uns nicht erkennen. Sie denken wahrscheinlich, sie wären nicht cool, wenn sie dir zeigen, dass sie wissen, wer du bist. Also sagen sie auch nichts, wenn sie dich erkennen. Sie gucken einfach weg.

Danke fürs Interview ... und ein gutes Publikum heute Abend
D und R: Danke!

(wieder fangen sie an zu kichern wie zwei kleine Jungen, die was ausgefressen haben. Die muss man einfach lieb haben. Das merkt auch das Publikum beim Konzert am Abend schnell ... kaum einer hat geredet.)

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