9. März 2017

"Fickt euch alle!"

Interview geführt von

Das neue Emmure-Album "Look At Yourself" steht in den Regalen, ein neuer T-Shirt-Skandal zog seine Kreise und Frankie Palmeri steht mal wieder als umstrittener Protagonist im Rampenlicht. Im laut.de-Interview sprach er über all das und noch mehr.

Sucht man nach Enfante terrbiles der Metalszene, dauert es in der Regel nicht lange, bis der Name Frankie Palmeri fällt. Ex-Bandmitglieder diffamierten den Emmure-Fronter, und spätestens seit seinem Ausflug in die Modewelt, wobei er das Columbine-Massaker als T-Shirt-Motiv nutzte, hat Palmeri den Stempel "Tunichtgut" quasi abonniert. Als sich Ende 2015 tatsächlich seine komplette Band geschlossen von Palmeri lossagt, scheint das seinen schlechten Ruf nur zu bestätigen.

Dabei übersieht man leicht, dass Palmeri bei aller Provokation und zugegebenermaßen manchmal etwas harschen Öffentlichkeitswirkung stets eine ziemlich klare Linie vertritt, was seine künstlerische Vision angeht. Sie mag kompromisslos und manchmal in der Wortwahl nicht ganz glücklich sein, doch sie ist zweifellos hart und ehrlich erarbeitet. Das beweist nicht zuletzt sein neuestes Album "Look At Yourself", das trotz vollständig neuer Besetzung den Emmure-Trademarks gerecht wird. Im Interview gab Palmeri einen Einblick, wie groß sein musikalischer Einfluss auf das Werk der Band ist.

Wie es das Schicksal wollte, ploppte am Wochenende vor dem Gespräch ein neuerlicher T-Shirt-Skandal auf: Palmeri soll frauenverachtende Botschaften propagieren und zu häusliche Gewalt befürworten. Hörbar aufgebracht, nahm der Sänger auch hierzu Stellung.

Hey Frankie. Fangen wir doch gleich mal mit der Frage an, die du in letzter Zeit wahrscheinlich am häufigsten gestellt bekommst: Du hast einen massiven Line-Up-Wechsel hinter dir – wie kam es eigentlich zu der Trennung?

Im Grunde ging intern einfach alles den Bach runter. Wir sind weder kreativ noch persönlich miteinander ausgekommen. Also haben wir uns entschlossen, das zu beenden. Das ist jedenfalls die Kurzversion.

Bereust du im Nachhinein, dass es so gelaufen ist? Oder siehst du es als Chance?

Nein, ich bereue nichts. Ich sehe es total als eine Gelegenheit, noch mal neu anzufangen, neues Leben in die Band zu bringen. Und auch in mein eigenes Leben. Seit dem Split ist vieles besser geworden. Letztendlich bin ich froh darüber, wie alles gelaufen ist.

Wie hast du denn die neue Band zusammengestellt?

Mit Joshua Travis (Gitarrist, A.d.R.) bin ich schon seit zehn Jahren befreundet. Wir haben immer wieder darüber gesprochen, vielleicht mal ein Projekt zusammen zu starten. Als sich dann für ihn eine Tür geschlossen hat und ich die Chance hatte, ein neues Line-Up zu bilden, war er der erste, den ich angerufen habe. Wir haben drüber geredet, wurden uns einig und er brachte dann einige Musiker ins Gespräch, mit denen er bereits gearbeitet hatte. Ich hab' seinem Urteil vertraut und könnte nicht glücklicher mit dem Ergebnis sein.

Gab es mal die Überlegung, das Kapitel Emmure komplett zu schließen und etwas Neues anzufangen?

Nein. Und dafür gibt es verschiedene Gründe. Zunächst mal wollte ich damit nicht aufhören, weil Emmure etwas ist, wofür ich eine Menge Leidenschaft hege. Ich wollte mich nicht von etwas entfernen, das sich unfertig anfühlte. Das ist ein Grund. Und viele Leute realisieren das vielleicht gar nicht, aber ein Großteil des Emmure-Sounds läuft durch meinen Filter. Viel hängt von meinem persönlichen Geschmack ab und deshalb klingt die Band wie sie klingt. Das jetzt ist eine Fortführung der Emmure, die ihr kennt. Das neue Album beweist, dass ich unabhängig davon, wer in der Band ist, fähig bin, eine echte Emmure-Platte für die Fans zu produzieren.

Darauf wollte ich eh noch zu sprechen kommen: "Look At Yourself" klingt für mich nicht nach einem neuen musikalischen Kapitel. Also siehst du das ähnlich? Dass zwar Line-Up-technisch ein neues Kapitel begann, das sich aber nicht zwingend auf die Musik auswirkte?

Ich glaube, alles ist neu. Zum ersten Mal in meiner Karriere bin ich wirklich stolz auf ein Album, das ich gemacht habe. Also ich meine: vollkommen stolz – auf jeden einzelnen Song. Das kann ich nicht über jedes Emmure-Album sagen. Auf den bisherigen Platten gibt es immer ein, zwei Songs, die mir egal sind, wo ich es einfach nicht fühle. Auf 70 Prozent des Emmure-Katalogs stehe ich total, aber bei 30 Prozent denke ich eben auch, dass das totaler Müll ist. Bei diesem Album allerdings nicht. Jeder Song haut hart rein, macht Spaß und ist interessant. Es ist die Musik, die ich machen möchte. Ich versuche immer, zuallererst mich zufrieden zu stellen. Und damit auch die Fans. Ich möchte die Leute zufrieden stellen, die meinen Vibe mögen. Mission accomplished.

"Es ist wie eine Seite aus meinem Tagebuch"

Beim Songwriting hast du hauptsächlich mit Joshua Travis zusammengearbeitet?

Ja, ich und Josh haben gemeinsam das gesamte Album geschrieben. Und unser Produzent Drew hat auch geholfen, das alles zum Leben zu erwecken. Er hat dem Sound nochmal ganz neue Elemente gegeben. Er ist auf seine Weise ein Genie, genau wie Josh Travis. Wir drei in einem Raum ist der Grund, warum das Album klingt wie es klingt.

Hat sich der Songwriting-Prozess an sich verändert? Oder war es vorher genauso, nur eben mit anderen Leuten?

Das Songwriting lief bisher bei jedem Album anders ab. Insofern unterschied sich das Schreiben gemäß echter Emmure-Tradition auch diesmal wieder von der Vorgänger-Praxis. Aber das Grundprinzip blieb immer mehr oder weniger gleich: Ich bringe Ideen ein, manche klappen, manche nicht. Und bei den anderen genauso: Mal gibt Josh mir ein Riff und ich sage: "Nee, das hier lieber nicht" oder: "Nur den Part". Wir versuchen einfach, den richtigen Vibe aufzubauen. Er vertraut mir, ich vertraue ihm. Also: Der konkrete Schreibprozess war zwar immer anders, aber am Ende läuft eben alles durch mich. Das hat sich nicht verändert. Und diesmal musste ich mich nicht mit Leuten rumschlagen, die kreativ nicht souverän sind. Wenn ich mal gesagt habe: "Yo, das ist Müll, das verwenden wir nicht", konnten wir das abhaken und uns auf das Zeug konzentrieren, das wir geil finden und wo wir denken: "Das ist Feuer!" Jeder Track auf "Look At Yourself" ist ein Feuer-Track!

Fühlst du dich in gewisser Weise noch mehr verantwortlich für das Album? Klar warst du bisher schon die Person, die die Leute als erste mit dem Namen Emmure in Verbindung bringen. Momentan bist du allerdings die einzige Person, die sie mit Emmure assoziieren können.

Ja und das ist großartig! Ich kann kaum erwarten, dass die Leute hören, was wir zustande gebracht haben. Ich hab es vorhin schon in einem Interview gesagt: Wenn du harte Musik magst, aber dir das neue Emmure-Album nicht taugt, bist du übergeschnappt. Es verfügt über jedes Element, das das Genre ausmacht – zumindest die, die mir taugen. Okay, es gibt vielleicht keine Blastbeats, aber die Art von Band sind wir einfach nicht. Verstehst du, was ich sagen will? Wenn du offen für harte Musik bist, ist dieses Album was für dich. Und wenn nicht, stimmt was nicht mit dir.

Kommen wir mal zu den Texten. In den Songtiteln gibt es Referenzen zu Filmen und antiker Mythologie, dann taucht noch Gucci auf und "Shinjuku Masterlord" verweist wohl auf den Zweiten Weltkrieg. Wie bringst du all das zusammen und woher ziehst du deine Inspiration?

Die Songtitel sind eher ein Nachgedanke. Erst schreibe ich Musik und Texte und dann versuche ich, den Songs den stärksten möglichen Titel zu geben, der wirklich einfängt, worum es geht und was es für mich bedeutet. Die Formulierung "Shinjuku Masterlord" stellt für mich eine starkes Bild dar: Jemand wie ein König. Das ist mein Weg, ein sehr ego-zentriertes, selbstbewusstes Gefühl auszudrücken. Es gibt eine Menge selbstbewusster Momente auf dem Album, aber auch welche, in denen ich mich selbst herabwürdige und über Dinge spreche, die ich nicht an mir mag. Und dann gibt es Momente, in denen ich über Dinge spreche, die ich an anderen Leuten nicht mag. Gewissermaßen ist es wie eine Seite aus meinem Tagebuch.

Manchmal verarbeite ich persönliche Gefühle und versuche das irgendwie für die Musik zu übersetzen und schreibe einen Song innerhalb eines bestimmten Rahmens. Oder Joshua zeigt mir ein Riff und ich versuche, den Vibe aufzunehmen und darüber zu schreiben. Wenn etwas für mich traurig klingt, versuche ich, traurige Lyrics zu schreiben. Wenn es wütend und aggressiv wird, werden es auch die Lyrics. Manchmal lasse ich mich von der Musik inspirieren, manchmal schreibe ich eher das auf, was mich gerade beschäftigt.

"Schon die Frage pisst mich an"

Ich würde gern auf etwas zu sprechen kommen, mit dem du gestern erst Schlagzeilen gemacht hast: ein neuerlicher T-Shirt-Skandal, der dich als Frauenverachter darstellt. Ich habe deine Erklärung dazu gelesen und sie ergibt völlig Sinn. Vielleicht war es etwas unglücklich, dass es gerade mit dem Women’s March zusammenfiel. Aber war sich ein Teil von dir vielleicht bewusst, was das Shirt-Motiv (siehe unten) für Auswirkungen haben könnte und hast du es vielleicht auch ein bisschen deshalb gewählt? Weil du wusstest, es würde manche Leute provozieren und Aufmerksamkeit generieren?

Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie die Leute auf die Idee kommen, Emmure würden so etwas (Gewalt gegen Frauen, A.d.R.) unterstützen. Oder dass ich so etwas unterstütze. Das ist totaler Bullshit – eine fucking Hexenjagd! Das macht mich wütend. Ich verstehe auch nicht, wie die Leute überhaupt so etwas darin sehen können. Als ich das Shirt gesehen habe, fand ich es nicht so cool, aber ich mochte, dass es die Farbe wechselt und ich meine, es fängt den Geist des Albums gut ein: Wenn Leute sich selbst betrachten, sehen sie nicht die hässlichen Bestandteile, sondern nur das, was sie nach außen tragen. Aber wenn du das Shirt in den Trockner packst, passiert der Farbwechsel und plötzlich ist alles fucked up, überall sind Wunden und Blutergüsse. Aber was hat das bitte mit Frauenmissbrauch zu tun? Wenn es dasselbe Motiv mit meinem Gesicht drauf gewesen wäre, hätte auch niemand geschrien: "Oh, die unterstützen Gewalt gegen Männer!"

Es pisst mich schon so dermaßen an, dass du diese Frage überhaupt stellst.(wird deutlich lauter) Ich seh' es einfach nicht! Es wäre was anderes, wenn das Shirt sagen würde: "Prügelt Frauen zu Tode!" Ich kriege es einfach nicht in meinen Kopf rein, warum die Metal-Community glaubt, ich wäre so eine Art von Person. Bin ich nicht! Und allein die Tatsache, dass ich erklären muss, was das Shirt bedeutet, zeigt, wie kurzsichtig die Leute sind. Jeder sucht verzweifelt nach einem Grund, entweder mich zu hassen oder die Band zu hassen oder einfach jemanden zu finden, den sie nicht mögen. Ich verstehe es nicht und ich bin leid, zu versuchen, es zu verstehen. Ich nehme an, das soll einfach mein Platz in der Welt sein: Die Leute brauchen jemanden, auf den sie draufhauen können, also hauen sie auf mich drauf. Ich werde mich nicht für das Shirt entschuldigen und ich habe nichts zum Women's March zu sagen – der kümmert mich einen Scheiß. Das Shirt hat nichts mit Frauenrechten zu tun, unterstützt keinen Missbrauch oder sonst was. Um das ein für alle mal klarzustellen – für dich und den Rest der Welt: Jeder, der ein Problem mit dem Shirt hat, kann sich ficken. Wenn ihr ein fucking Problem mit dem fucking T-Shirt habt, schaut es nicht an, kauft es nicht und versucht verdammt noch mal nicht, eine fucking Hexenjagd auf mich zu starten und mich wegen eines fucking T-Shirts zu dieser bösen fucking Person zu stilisieren – während Bands wie Cannibal Corpse so fucking abscheuliche T-Shirts designen. Da beschwert sich keiner drüber, da sagt niemand ein fucking Wort! Aber wenn Emmure ein Shirt macht, das entfernt ein bisschen nach Tabuthema aussieht, kommt: "Oh, Emmure ist so diese Art von Band und Frankie ist eine verachtenswerte Person – klar macht er so geschmacklose Shirts." Fickt euch alle. Das habe ich dazu zu sagen.

Worum es ihnen geht, ist an sich nicht das Shirt. Das Shirt ist ihnen an sich egal, aber Hauptsache, sie haben wieder was, um auf mir rumzuhacken. Sie stellen sich ja auch nicht hin und spenden 10 000 Dollar für eine Frauenrechtsbewegung. Und was ich zu sagen habe, interessiert sie eh nicht. "Das Shirt bedeutet das? Nö, ich finde immer noch, dass es das andere bedeutet." Wenn es bedeuten sollte, Frauen zu verprügeln, hätte ich das verdammt nochmal gesagt! Ich hätte gesagt: "Ja, das Shirt habe ich gemacht, weil ich will, dass man Frauen ihre fucking Fressen einschlägt." Aber so ist es nicht! So, ich will nicht mehr darüber reden. Gehen wir weiter zur nächsten Fragen.

Okay, das war deutlich und offen. Danke dafür. Aber klar, machen wir weiter. Du musstest gerade die geplante Europa-Tour absagen. Gibts schon Nachholoptionen?

Naja, ich cancele nur ungern Touren. Das ist scheiße. Aber die Fans müssen verstehen, dass so etwas eben manchmal passiert. Nicht jeder Aspekt meiner Karriere liegt in meinen Händen. Ich kann nicht einfach jemanden anrufen und sagen: "Hey, ich will morgen nach Europa, wir brauchen einen Bus, kommt alle mit." Ein paar Dinge liefen nicht optimal. Das ist ein bisschen unglücklich. Ich wäre gerne da. Aber wir kommen dafür vielleicht Endes des Jahres. Irgendwann sicher. Ich meine: Letztes Jahr waren wir ja gleich zweimal in Europa. Klar sind die Leute enttäuscht – ich bin enttäuscht. Aber wir kommen ja wieder. Kommt eben vor.

Grund dafür war ja teilweise das verschobene Album-Releasedate. Gab es zwischenzeitlich Überlegungen, die Tour trotzdem durchzuziehen – ohne Album im Gepäck? Oder war für dich gleich klar, dass erst einmal das richtig gemacht werden muss?

Wir wollten das Album eigentlich im Januar veröffentlichen und damit auf Tour gehen. Aber ohne etwas Neues promoten zu können, waren meine Promoter und Agenten nicht sonderlich angetan von einer Tour. Statt ein Risiko einzugehen und Leute gegebenenfalls zu enttäuschen, weil wir nichts Neues anzubieten haben, haben wir entschieden, lieber später wiederzukommen. Das ergab mehr Sinn. Und wie gesagt: Da treffe nicht nur ich die Entscheidung. Andere Leute investieren in solche Dinge und wenn sie fürchten, das Investment lohnt sich nicht, machen sie einen Rückzieher. Ich kann nicht erwarten, dass alle das verstehen, aber so läuft es in der Musikindustrie eben manchmal.

Letzte Frage: Was würdest du dich selbst fragen?

Hahaha, keine Ahnung, Mann. Ich würde fragen: "Hast du dich schon selbst satt?" Und ich würde antworten: "Ja, ich hab mich satt." Hahaha. Nein, weißt du, ich mache so viel Pressekram in letzter Zeit... Nichts gegen dich, Mann, du bist cool, aber auf Dauer strapaziert das schon.

Oh ja, das kann ich verstehen. Wie viel steht heute noch an?

Etwa vier Stunden…

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2 Kommentare

  • Vor 7 Jahren

    Lächerlich Mal wieder, das mit dem T-Shirt. Gut auch, dass er sich nicht entschuldigt. Viel zu viele Leute haben da die letzten Jahre die falschen Signale gesendet, so dass diese ganzen SJW-Mobidioten auf Twitter und Co. das inzwischen schon erwarten von Künstlern. Und die einschlägigen Medien machen schön mit... berichten über jeden shitstorm und Zwergenaufstand, wenn es ihnen gelegen kommt und verdrehen die Kontexte für ihre eigene Sache bzw. ergreifen einseitig Partei für diese moderne Form der digitalen Selbstjustiz.

  • Vor 7 Jahren

    "Ich versuche immer, zuallererst mich zufrieden zu stellen. Und damit auch die Fans."

    klingt logisch.