Porträt

laut.de-Biographie

Edward Sizzerhand

"Jede Zeit hat seinen bestimmten Flow und Style, ob in den Achtzigern, den Neunzigern, Anfang der Zweitausender oder 2019. Du kannst ein zeitloses Musikstück produzieren, aber sobald jemand draufrappt, kriegst du immer diesen Timestamp drauf. Deswegen fand ich meine Stücke nackt, sprich instrumental, immer besser." Edward Sizzerhand findet über das DJing den Zugang zur Hip Hop-Musik. Als Mitglied von Square One prägt er den hiesigen Ausläufer des Genres um die Jahrtausendwende. Später dreht sich sein Leben um die Leidenschaften Beats und Bienen, Hip Hop und Honig.

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Edward Obika wird 1975 als Sohn Münchener Auswanderer im New Yorker Stadtbezirk Brooklyn geboren. Bereits vor seinem ersten Geburtstag kehrt die Familie in die bayerische Metropole zurück. Über seine älteren Schwestern lernt er bereits in jungen Jahren Hip Hop kennen, doch erst ein Auftritt des damaligen DJ-Meisters David Fascher in einer Sendung von Alfred Biolek beeindruckt ihn nachhaltig: "Das hat mich gleich gecatcht." Mit dreizehn Jahren kauft er sich seinen ersten Plattenspieler. Nach und nach erwirbt er mit dem Geld aus Jobs sein Equipment.

Die passenden Platten steuern seine Schwestern bei: "Das waren natürlich Hip Hop-Scheiben. So bin ich gleich mit dem richtigen Sound infiziert worden." Vor allem Hip Hop der Eastcoast begeistert ihn: "Das war auch einfach die coolste Mucke zu der Zeit." Erst mit zunehmender Erfahrung erweitert sich sein Horizont um Jazz, Soul und Funk, "die Ursprünge von Hip Hop, von denen sich die ersten Crews bedient haben." Obika sammelt unter dem Pseudonym Edward Sizzerhand Erfahrungen als DJ. 1996 lernt er den Rapper Ali Rasul kennen, mit dem er sich auf Anhieb gut versteht.

Gemeinsam mit Ali Rasul und dem Produzenten Iman Shahidi gründen sie Square One. Gianni Dolo stößt später als viertes Mitglied hinzu. DJ Tomekk reicht das erste Demo des Quartetts mit besten Empfehlungen an Showdown Records weiter. Bei dem Independent-Label findet die Crew eine unternehmerische Heimat. 1999 erscheinen dort die Singles "Mind. Body. Soul." und "State Of The Art". Zwei Jahre später folgt das Debütalbum "Walk Of Life", auf dem sich unter anderem Patrice die Ehre gibt. Iman mischt das Album zusammen mit dem früh verstorbenen Sebi von Deichkind ab.

Zwar verkauft Square One knapp 15.000 Einheiten des Albums, doch innerhalb der Gruppe herrscht Uneinigkeit über die Bewertung des Erfolgs. Während Edward Sizzerhand alleine aufgrund der englischsprachigen Songtexte mit nur überschaubaren Verkaufszahlen rechnete, erhoffte sich insbesondere Ali Rasul mehr Anerkennung. Trotz des Angebots, eine Tournee durch Japan zu absolvieren, zerbricht das Quartett an den anhaltenden Streitigkeiten. 2010 stirbt Ali Rasul, womit sich die im Raum stehende Idee einer Reunion erübrigt.

Nach dem Ende der Gruppe richtet sich Sizzerhand ein Tonstudio auf dem stillgelegten Bauernhof seiner Großeltern ein. Für "Spiegelschrift" von Fiva MC und DJ Radrum steuert er 2002 Produktionen bei. Aufnahmen mit seinem ehemaligen Kollegen Gianni Dolo finden dagegen nie den Weg an die Öffentlichkeit. Sein Lebensmittelpunkt liegt dennoch in der Großstadt, wo er als DJ arbeitet. Ab 2006 tritt er regelmäßig in Bars auf, deren Besucher seine vor allem instrumentalen Sets zu schätzen wissen: "Die Leute wollen chillen, sich unterhalten und vielleicht einen Drink zu sich nehmen."

Square One - Walk Of Life Aktuelles Album
Square One Walk Of Life
Bei den Münchnern regieren deepe Harmoniebögen und trockene Drums.

2010 zieht er auf einen ehemaligen Bauernhof in Feldmoching. Zwar herrscht dort viel Platz, doch die Arbeit in der konventionellen Landwirtschaft liegt ihm nicht. Stattdessen weckt eine Zufallsbegegnung in der ländlich geprägten Region sein Interesse an einer anderen Disziplin. Beim Joggen trifft Obika auf einen Imker, der ihm Einblicke in die Bienenzucht gewährt. Er schreibt sich für einen Anfängerkurs ein, tritt dem Bienenzuchtverein bei und erhält einen Ableger eines Wirtschaftsvolks geschenkt, an dem er seine erlernten Fähigkeiten umsetzen muss.

Obika bringt sein Volk über den Winter, baut es weiter aus und erzeigt eigene Ableger: "Innerhalb von zwei bis drei Jahren hatte ich im Handumdrehen dann schon 20 Völker." Mit seinem Expansionswillen stößt er innerhalb des Vereins schnell an seine Grenzen. So entscheidet er sich, eine dreijährige Ausbildung an der Imkerschule im österreichischen Warth anzuschließen. Noch immer ambitioniert lässt er gleich noch den Meister folgen. Seine Meisterarbeit behandelt Bartpflegeprodukte aus Bienenwachs, die er neben Bio-Honig in seinem Online-Shop verkauft.

"Anfangs habe ich überlegt, das wird jetzt der Hip Hop-Honig, aber natürlich ist der klassische Honigkunde aus einer ganz anderen Zielgruppe als ein Hip Hop-Konsument." Obikas Kundschaft speist sich aus der Gruppe "meist junger Mütter, die wenig mit der Square-One-Vergangenheit zu tun" haben. Das habe den anfangs erhofften "Imagetransport" verhindert. Mit Sizzerbees leitet der Münchener den Namen seiner Firma dennoch von seinem Künstlernamen ab. Und statt den Hip Hop in den Honig einzuführen, kehrt er den Gedanken um, indem er die Imkerei auf die Musik überträgt.

Ein "Sensorikkurs" bringt ihn auf die Idee, "die Charakteristik der Honigsorte auf den Beat zu transportieren." Über Jahre sammelt er neben seiner Haupttätigkeit Songs. Vor dem Hintergrund des dunklen und aromatischen Waldhonigs entsteht etwa das gleichsam schwere "Forest". Dagegen erhält die mitunter halluzinogene Zustände induzierende "Alpinerose" einen Trance-Einschlag. Ende 2019 erscheint das Konzeptalbum unter dem Titel "A Taste Of Honey". Für Edward Sizzerhand handelt es sich dabei um nicht weniger als "eine Honigverkostung fürs Ohr."

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Square One - Walk Of Life: Album-Cover
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  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2001 Walk Of Life

Kritik von Stefan Johannesberg

Bei den Münchnern regieren deepe Harmoniebögen und trockene Drums. (0 Kommentare)

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