27. September 2017

"Mein Pflegebruder aus Angola ist schuld"

Interview geführt von

2016 veröffentlichte DePresno seine Debüt-EP "Forever" und schlug damit auch außerhalb seiner Heimat Norwegen Wellen. Das liegt zum einen an seiner außergewöhnlichen, angenehm tiefen Stimme. Zum anderen an den lässigen Songs, die sehr eingängig, aber cool, poppig und nicht seicht daherkommen.

Inzwischen ist der Rotschopf aus Bergen 21. Er macht, was 21-Jährige eben so machen: Mit der Freundin Serien schauen, mit Freunden abhängen, verreisen, möglichst billig Bier trinken, Festivals besuchen, Spaß haben. Außerdem arbeitet DePresno an seinem ersten Album. "Natürlich schlägt mir das Herz manchmal bis zum Hals", sagt er. Aber das Musikerdasein mit allem Drum und Dran mache viel zu viel Spaß, um ihn wirklich unter Druck zu setzen. Welche Träume für die Zukunft der Jungspund hat, wieso er "Scheißwetter" braucht und warum eigentlich sein Pflegebruder aus Angola für DePresnos Erfolg verantwortlich ist, verrät der Sympath im Interview mit laut.de. Sein neuer Song "Mr. Big" ist gerade erschienen.

Du nennst dich DePresno. Wie kam es dazu?

Eigentlich ganz einfach: Es ist mein zweiter Vorname. Mein voller Name ist Bjarte De Presno Borthen.

Bitte zwing mich nicht, das zu wiederholen.

Haha. Deswegen benutze ich im Ausland meist nur DePresno: Es ist leichter auszusprechen. Presno ist ein kleines Örtchen im Norden Spaniens, DePresno bedeutet also "aus Presno". Mein Urgroßvater stammte von dort. Er kam vor vielen, vielen Jahren mit seiner Familie nach Norwegen, um Fisch zu kaufen und Wein zu verkaufen. Aber er wurde seekrank. Deswegen ließen sie ihn in Bergen zurück, als sie für den Handel weiter reisten. Sie wollten ihn auf dem Rückweg wieder abholen, aber das Boot sank. Er war etwa 15, allein in Bergen, konnte die Sprache nicht. Und dann traf er ein bezauberndes norwegisches Mädchen - und jetzt bin ich hier!

Die Geschichte ist irgendwie süß, aber auch ein bisschen deprimierend.

Ja, ein guter Mix. Passt gut zum Namen.

Abgesehen von der wörtlichen Übersetzung: Für was steht DePresno?

Ich wurde nicht mit dem Namen geboren. Meine Großmutter hat verschiedene spanische Namen, aber mein Vater keinen. Wir hatten in der Schule ein Ahnenprojekt. Dort realisierte ich, dass der Name für immer verschwinden wird, wenn meine Oma stirbt. Deswegen hab ich meinen Vater gezwungen, seinen Namen zu ändern - damit ich meinen auch zu DePresno ändern kann. Inzwischen ist meine Großmutter tot, deswegen repräsentiert der Name mich und meine Familie.

War deinen Eltern schon früh klar, dass du Musiker wirst?

Ich konnte immer machen, was ich wollte. Meine Eltern hätten mich nie gezwungen, Anwalt oder so was zu werden oder Elektriker wie mein Vater. Aber ich schätze, sie hätten nie gedacht, dass ich Musiker werde. Mein Vater kaufte mir meine erste Gitarre, als ich etwa vier war. Ich fing aber erst mit acht oder zehn Jahren an, wirklich zu spielen. Es wurde mehr und mehr, aber nur in meinem Zimmer. Ich war sehr unsicher. Erst mein Pflegebruder aus Angola zwang mich dazu, einen Song aufzunehmen - er schenkte mir zu Weihnachten eine Aufnahme im Tonstudio und schickte diese dann an einen Produzenten. So kam ich an meinen heutigen Manager.

Das ist ziemlich gut gelaufen!

Sehr! Das war eigentlich nicht mein Verdienst.

Hattest du andere Pläne?

Ich liebe Reisen. Deswegen überlegte ich, Pilot zu werden, war mir aber nicht sicher. Aber ich wusste, dass Schreibtischarbeit nichts für mich ist. Ich glaube, da würde ich sterben. Deswegen bin ich ziemlich froh, wie sich alles entwickelt hat.

Und wie es sich entwickelt hat! Du wirst ziemlich gehypt grade, wie ist das für dich?

Ich versuche, nicht darüber nachzudenken. Aber ich glaube, das ist eigentlich nur sehr positiv. So ein Hype fühlt sich schon toll an. Dass Leute mögen, was man tut, gibt wohl jedem ein gutes Gefühl.

Dein Song "Hide And Seek" hat fast zwei Millionen Streams auf Spotify erreicht.

Wenn du merkst, dass deine Musik anderen Menschen etwas bedeutet, ist das ein wahr gewordener Traum. Das hört sich total kitschig an, aber so ist es. Das treibt mich an. Ich kann jetzt durch Deutschland reisen, coole Leute treffen, es macht einfach Spaß.

"Die Deutschen sind höflicher"

Du hast dieses Jahr auf Festivals in Deutschland gespielt. Wie sind die Deutschen so auf Konzerten?

Sehr anders als die Norweger - auf eine sehr gute Art. Sie sind irgendwie höflicher, weil sie sich mehr auf die Musik und die Konzerterfahrung freuen. Norweger tendieren dazu, einfach super besoffen zu sein und sich dann nicht so sehr um die Musik zu scheren. Die Deutschen wollen was erleben, zuhören, mit dir sein. Das ist echt cool. Das MS Dockville hab ich geliebt. Es schüttete, plötzlich kam die Sonne raus und es gab einen doppelten Regenbogen. Außerdem spielte einer meiner Lieblingsmusiker: King Krule.

Welche Musiker bewunderst du sonst noch?

Am meisten beeinflusst hat mich wahrscheinlich Jack Garratt. Außerdem hab ich viel komisches Zeug gehört, wirklich Poppiges wie Selena Gomez. Aber ich bin sprunghaft und höre viele Sachen.

Aus deiner Heimatstadt Bergen kommen so viele weitere gute Musiker wie Röyksopp, Kygo oder Kings of Convenience.

Ja, es ist verrückt.

Hast du eine Erklärung dafür?

Ich glaube, es liegt am vielen Regen in Bergen. Wenn die Sonne scheint, hab ich immer das Gefühl, ich müsste rausgehen, was mit Leuten machen und eben nicht zu Hause sitzen und Musik machen. Bei Regen bleibt dir fast nichts anderes übrig, als daheim Gitarre zu spielen oder Songs zu schreiben.

Dann hat schlechtes Wetter also doch was Gutes.

Für mein kreatives Schaffen, ja. Für meine geistige Gesundheit vielleicht nicht so. Aber tatsächlich hilft auch das: Jeder ist immer ein bisschen deprimiert wegen des Scheißwetters, haha. Dazu kommt, dass die Musikszene in Bergen sehr unterstützend ist. Es gibt kaum Konkurrenz, man hilft sich gegenseitig. Die Stadt ist so klein, es gibt nur zwei Bars, in denen Musiker rumhängen. Du kannst also einfach dorthin gehen und schon bist du drin im Musikbusiness.

Das heißt, du kennst die anderen Musikgrößen aus Bergen persönlich?

Mit Aurora, mit Sigrid und Kakkmaddafakka bin ich befreundet.

Was magst du an ihnen?

Kakkmaddafakka sind in Deutschland ziemlich bekannt, oder? In Norwegen sind sie nicht so groß, in Südamerika sieht das wieder ganz anders aus. Ihr Einfluss auf die Musik in einem ganz anderen Teil der Erde ist riesig, das finde ich bewundernswert. Und ich meine: Ihr Englisch ist nicht super gut und ihr Gesang nicht herausragend, aber auf der Bühne sind sie fantastisch. Sie zeigen, dass Musik einfach Spaß macht.

Willst du auch diese Richtung einschlagen?

Vor etwa einem Jahr begann ich darüber nachzudenken. Davor war Musik für mich eine Art Therapie, ich drücke damit meine Gefühle aus. Aber dann realisierte ich: Musik kann auch Spaß machen, es muss nicht immer nur um Herzschmerz gehen. Cool zu merken, dass das auch geht, ich werde aber natürlich nicht komplett mit meiner "Therapie-Musik" aufhören.

"Die Uni hat mich nicht genommen"

Hast du schon konkrete Pläne fürs nächste Jahr?

Mir geht’s grade sehr gut, mit der Musik und privat auch - ich hoffe, es geht genauso weiter. Gerade arbeite ich an einem Album, das hoffentlich nächstes Jahr rauskommt.

Arbeitest du Vollzeit an deiner Musik? Oder studierst du?

Nee, ich hab die Oberschule abgeschlossen und dann aufgehört.

Dein jetziges Leben klingt aufregender als Schule.

Meinem Vater sage ich immer: "Wenigstens mach’ ich überhaupt irgendwas!"

Macht er sich Sorgen?

Nein nein, meine Eltern unterstützen mich. Ich hab mich sogar vor einem halben Jahr an der Uni für "Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt Musik" beworben, aber ich kam nicht rein. Vielleicht versuche ich es bald noch mal ...

Du bist so jung und hast schon so viel erreicht.

Es ist wirklich gut, dass ich solche Interviews gebe, weil mir dann immer wieder bewusst gemacht wird, wie viel Glück ich habe. Ich schätze, es sollte mich mehr unter Druck setzen, als es das tatsächlich tut. Es macht viel zu viel Spaß, um stressig zu sein. Klar, es ist irgendwie beängstigend, aber eben witzig beängstigend!

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LAUT.DE-PORTRÄT DePresno

Jemandem, der von einem Geburtstagsgutschein fürs Tonstudio aus an einen Deal mit Sony Music kommt, darf man durchaus eine gewisse Starqualität unterstellen.

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