17. April 2003

"Ohne Nas kein Curse"

Interview geführt von

Zuerst als intensiv-investigatives Interview mit "unkonventionellen Fragen, die vor mir noch nie jemand gestellt hat" geplant, entwickelte sich das Treffen mit dem Mindener Emcee dank tatkräftiger Hilfe vom Szene-Kenner Florian Diehl zum offenen Schlagabtausch über Hip Hop im Allgemeinen und Rap im Speziellen. "Das ist doch das Exklusivste, was du kriegen kannst. Jetzt hast du Sachen gehört, die andere Journalisten nie erfahren", staunte selbst Curse nach anderthalb Stunden Diskussion.

Themen wie Leserbriefe, Eminem, 2Pac, Nas, Advanced Chemistry, MC Rene, Deutsch Rap, oder warum ein 50 Cent niemals auf das Frontcover der Bravo kommen wird, drehten wir durch den Fleischwolf. Nebenher erzählte Curse ausführlich über seine ersten Berührungen mit Rap und Hip Hop Anfang der Neunziger. Einen großen Anteil an der offenherzigen Atmosphäre leistet Gesprächspartner Florian Diehl vom ehemaligen Musikmagazin Cut, das der junge Curse früher als 'Augen auf beim Plattenkauf' benutzte und ihn nachhaltig prägte.

Intro: 'Ey, wo sind meine Hip Hop-Seiten geblieben?'

Curse, wenn wir den guten Flo schon am mal am Start haben, erläutere doch zuerst deine Beziehung zu ihm.

Curse: Ich habe damals das Cut-Magazin nur wegen Flos Kolumne gekauft. Das war für mich als Jugendlicher das Mag überhaupt. Da stand natürlich auch viel über Dance usw. drin, aber es gab eben diese speziellen Hip Hop-Seiten. Irgendwann war es dann jedoch nur noch über Dance-Genre, oder?
Flo: Ja, 1993 wurde das Büro in Hamburg quasi aufgelöst.
Curse unterbricht: Deshalb habe ich sogar einen Leserbrief geschrieben und geklagt: 'Ey, wo sind meine Hip Hop-Seiten geblieben?'
Flo: Da müsste man mal fragen, ob die noch existieren. Wir haben damals echt Pionierarbeit geleistet, und hatten eigentlich noch gar keine Anhaltspunkte, wie der Job so läuft. Ich habe irgendwann mal bei Cold Chillin angerufen, und einfach nach einem Roxanne Shante-Interview gefragt - und es auch bekommen. Auch wenn die Leute von der Plattenfirma sich bestimmt gefragt haben, wer wir überhaupt sind. Ähnlich lief es auch bei C.L. Smooth & Pete Rock. Das muss so 1991/92 gewesen sein.

"School Of Hard Knocks"

Welche Artikel haben dich denn besonders geprägt?

Curse: Zum Beispiel "School Of Hard Knocks" (Legendäres, aber wenig beachtetes Album des Rap-Duos Hard Knocks aus dem Jahre 1992. Kann in einer Reihe mit Main Source' "Breaking Atoms" gesehen werden, Anm. d. Verfassers). Ich schwör dir, ich hab die Platte nur wegen Flos Review gekauft. Und sie ist zu einer meiner All-Time-Platten geworden. Original.
Flo: Nee, wie geil!
Curse: Doch. Du hast denen ja auch die volle Bewertung gegeben. Ich habs dann gelesen und dachte "cool, kauf ich mal." Ich weiß noch, dass mein Homie und Produzent Busy dem Album eher kritisch gegenüber stand und meinte: "Ich stimme der Kritik überhaupt nicht zu und so." Das waren echt hitzige Diskussionen (lacht).

Intermezzo: Jede Woche geile Scheiße

Flo: Ich fühlte damals, dass mir die Musik neue Wege öffnet und Denkanstöße liefert. Man muss aber auch sagen, dass damals unendlich viele, superbe Sachen rauskamen.
Curse: Jede Woche geile Scheiße.
Flo: Classics galore.

Skit: CD-Reviews. Curse lacht sich tot.

Liest du deine eigenen Kritiken?

Curse: Wenn ich eine in die Finger krieg, dann lese ich sie auch. Es ist aber jetzt nicht so, dass ich alles sammle, wo meine Fresse gezeigt wird. Ich habe mich zum Beispiel über die Intro-Kritik von "Feuerwasser" totgelacht. Auf der Platte sind Songs drauf wie "Wahre Liebe", "Licht und Schatten" oder "Entwicklungshilfe", und die Quintessenz der Kritik lautete nur: Curse hat nichts zu sagen, außer "ich und meine Jungs sind die coolsten". Da dachte ich auch nur: du hast die Platte hundertprozentig nicht gehört.
Flo: So etwas wäre uns damals niemals untergekommen. Das war wie ein Auftrag. Da wurde nicht leichtfertig etwas runtergeschrieben, sondern wir haben uns intensiv der Musik gewidmet und sogar noch darüber diskutiert. Und nur so sollte es sein. Heute bin ich oft enttäuscht, obwohl man auch sagen muss, dass Hip Hop stark in den Mainstream gegangen ist.
Curse: Aber hallo.
Flo: Wir hatten ja gar keine Leserschaft, die über den Genre-Tellerrand hinausblickte. So konnten wir uns richtig austoben. Heute ist alles Mainstream. Da bekommt ein Praktikant ein gutes Album in die Hand gedrückt, mit dem er gar nichts anfangen kann. Ich stehe mittlerweile auf dem Standpunkt: 'mir reichts'. Gerade wenn ich zurück blicke, mit wie viel Herzblut und Engagement wir bei der Sache waren. Heute wird dagegen alles lächerlich gemacht. Selbst bei internationalen Themen.

"Nackte Frauen und brennende Mülltonnen" - oder "der Wu-Tang Clan kommt immer zu spät"

Ich darf eigentlich auch keinen anderen an Hip Hop-relevante Reviews lassen. Das endet oft böse.

Flo: Die Kommentare, die du über Rap und Hip Hop hörst, gehen immer in die Richtung: "Ja, das sind doch die Leute, die um eine brennende Mülltonne rumstehen und nackte Frauen in den Videos haben. Natürlich entwickelt das eine Eigendynamik und mittlerweile sind die meisten Sachen auch so.
Curse zustimmend: Auf jeden.
Flo: Du musst dir aber nur mal anhören, wie in diesem Geschäft und innerhalb der Firmen über Hip Hop-Acts gesprochen wird. Oder unter Journalisten, und das war schon immer so. Deshalb fehlt mir da ein wenig der Humor. Teilweise ist das sogar richtig rassistisch. Okay, der Wu-Tang Clan kommt immer zu spät.

Interlude: Internetforen anstatt Leserbriefe

Du sprachst vorhin die Leserbriefe an. Heutzutage geben gerade die Kids ihren Senf eher in Internetforen zum Besten.

Curse: Auf der einen Seite ist es natürlich gut, aber auf der anderen hast du eine Meinungsbildung von Leuten, die noch gar keine eigene, ausgeprägte Meinung haben.
Flo: Ein weiterer Faktor ist sicherlich die Anonymität.
Curse: Klar, beim Leserbrief steht dein Name, deine Adresse drauf. Auch die Aktion ist eine andere: Du gehst zur Post, wirst aktiv. Heute machst du das Modem an und kannst dich anonym zu Dingen äußern, die du noch gar nicht richtig durchschaust.

Der neue Trend: Rap ja - Hip Hop nein und Politik schon gar nicht?

Flo: Man kann es den Kids aber auch nicht vorwerfen. Wir kamen aus einer anderen Generation, in der gerade die Musik politisch engagiert war. Deswegen habe ich mich auch über Curse-Anliegen gefreut, mehr politisch-motivierte Texte zu schreiben.
Curse: Das finde ich im deutschsprachigen Hip Hop auch so seltsam. Ich mein, ich war noch nie ein politischer Rapper, aber ich habe immer Statements auf meinen Alben. Es gibt wirklich Leute, deutsche Emcees auch, die sagen: es ist mir alles scheißegal, ich will nur rappen. Graffiti, DJing und Breakdance interessieren mich auch nicht. Das ist so das neue Ding wie in Amerika, und ich finde das sehr ignorant und schade.
Flo: Das ist halt eine andere Generation heute. Ich hatte zum Beispiel beim Cover von Boogie Down Productions "By All Means Necessary" noch den Antrieb, herauszufinden, woher kommt dieser Titel usw. Deshalb war ich von Nas und seinem Huey P. Newton (Black Panther-Gründer) im "God's Son"-Booklet positiv überrascht.
Curse: Deutsche Kids setzen sich aber auch mit der Materie zu wenig auseinander. Ich hatte früher mit zehn, elf Jahren einen Mentor, der mir dann einen Spike Lee-Film und diverse Bücher ans Herz gelegt hat. Die Kids heutzutage haben jedoch überhaupt keinen Bezug mehr dazu. Null. Die kennen vielleicht noch den Namen Malcolm X, dann aber nur mit Denzel Washington-Gesicht. Viele Kids wissen ja noch nicht mal, wer Krs-One ist. Höchstens vom DJ Tomekk-Song.

Das erste Mal

Curse: An den vier Hip Hop-Seiten im Cut-Magazin habe ich vier Monate gehangen. Und da ich kein MTV hatte, habe ich mir Yo-Raps immer aufnehmen lassen und alle zwei Monate eine Cassette geschickt bekommen. Ich weiß noch, wie ich das erste Mal Nas gehört habe. Das war, als Fab 5 Freddie mit seinem Jeep zu einem Ice-T-Interview gefahren ist und währenddessen im Auto-Tapedeck das Nas-Feature auf Main Source' "Live At The Barbeque" lief. Das sind so Dinger, heutzutage gibt es solche legendären Momente gar nicht mehr. Du wirst so vollbombardiert mit Sachen, ohne danach diggen zu müssen.

Aber trotz des Bombardements herrscht momentan oft eine idiotische Trennung zwischen Underground-Zeug und sogenanntem Mainstream.

Curse: Das ist so verbaut.

"Holen wir uns Hip Hop zurück" oder "Country Grammer ist Ghetto pur"

Flo: Man darf das aber auch nicht überbewerten. Wir wissen, Hip Hop bzw. Rap begann als Partymugge. Das übelste, poppigste Zeug find ich geil, wie Nelly zum Beispiel. Viele verschließen sich da gerne.
Curse: Das ist aber die deutsche Mentalität. Was erfolgreich ist, muss scheiße sein. Ein Jay-Z kann die geilsten Songs schreiben oder "Country Grammer" von Nelly zum Beispiel. Das war ein ganz neuer und doper Style, wird aber als Jiggy-Kram verurteilt, obwohl der Song Ghetto pur war. Oder DMX. Bei uns gilt DMX als jiggy. In den USA dagegen ist er das totale Gegenteil. Als jiggy gelten Mase und Puffy.

Für mich ist DMX eher ein wenig prollig

Curse (erregt): 2Pac, Rakim, Run DMC waren alle prollig. Das gehört doch dazu.
Flo: Nicht jeder Song muss über Malcolm X sein.
Curse: Du musst dich aber damit wenigstens auseinandersetzen. Ich rappe zwar auch nicht über Malcolm X, aber ich weiß worum es geht. Und ich glaube, um den Antrieb und die Geschichte des Hip Hop wirklich zu verstehen, solltest du dich mit diesem schwarzen Struggle irgendwann einmal zumindest beschäftigt haben.
Flo: Am liebsten würde ich mich mit dem neuen Nas-Album vor eine Schulklasse stellen und sagen: "Den hier auf dem Cover kennt ihr ja. Wisst ihr denn auch, wer der Typ (der angesprochene Huey P. Newton) mit dem Gewehr in der Hand ist? Aber egal, wir müssen uns Hip Hop zurückholen (lacht). Ich habe einfach keine Lust mehr, den Leuten das alles durchgehen zu lassen. Ich habe das Forum zwar nicht mehr, aber ich versuche mir, das zurückzuholen.
Flo: Wir brauchen in zwanzig Jahren einfach eine Historie in Deutschland, auf die wir zurückblicken können, obwohl ich da mehr US-beeinflusst bin.

Drama 'Deutsch Rap' oder das erste MC Rene-Album ist die Hölle in Person

Flo: In den frühen Neunzigern gab es auch so gut wie keinen deutschen Hip Hop.
Curse: Stimmt. Und das, was es damals gab, war eigentlich nur Schrott.
Flo: Alle zwei Wochen kam eine Maxi bei uns reingeschneit, von der wir meistens dachten: Gut versucht, aber irgendwie kickt das nicht so richtig. Erst bei Advanced Chemistry hat man dann gemerkt, dass da doch was geht. Ich hab die Gruppen dann auch immer wieder auf unsere Hip Hop-Seiten aufgenommen. Andre Luth, der ja später Yo Mama gegründet hat, wollte bei uns die deutschen Sachen immer puschen. Für mich ging es jedoch eher über den großen Teich.
Curse: Geht mir auch so, ich hab fast keinen deutschen Rap gehört, weil 90 Prozent des deutschen Rap total unkreativ, langweilig und qualitätsmäßig einfach unter den Ami-Sachen ist.

Oder französischen.

Curse: Oder französischen, obwohl dort mittlerweile auch einiges stagniert. Ausnahmen bestätigen natürlich bekanntlich die Regel. Doch weißt du, warum ich angefangen habe auf deutsch zu rappen? Pass auf, ich fand halt, dass es bei uns niemanden gibt, der amerikanisch geil flowt. Ich wollte der erste sein. Ich hab früher nur auf englisch gereimt. Und während meiner zwei Jahre in den USA haben mich viele Leute nach deutschem Hip Hop gefragt, und ich habe dann geantwortet, dass es bei uns noch Jams, Graffiti, Breakdance usw. gibt. Old School-Flavour eben. Doch dann kam immer wieder die Aufforderung: Spiel uns mal deutschen Rap vor. Was gab es da? Da gab es vielleicht ein erstes MC Rene-Album, das die Hölle in Person war. Das einzige Vorzeigbare waren Walkin Large, aber auch nur als Instrumental. Die Amis haben mir dann immer wieder gesagt, rap doch auch auf deutsch. Du hast doch Flow, und so fing es dann an.

Deutsch Rap war doch lange Zeit eine eigenes Genre, da es mit den USA doch gar nicht konkurrieren konnte. Es stand dank der deutschen Texte und Themen lange Zeit eher der deutschen Ausprägung des Punk oder des Rock näher.

Curse: Klar, hast du weniger finanzielle Möglichkeiten sprich Equipment und bla. Meine Vorstellung war aber trotzdem seit jeher, dass es doch möglich sein muss, den Qualitätslevel der Amis zu erreichen. Advanced Chemistry fand ich damals auch cool, die Lyrics sind aussagekräftig und die Flows gehen auch in Ordnung, doch der Beat von "Fremd Im Eigenen Land" klingt so altbacken nach Old School, obwohl zur gleichen Zeit von Nas "Illmatic" erschien. Da lagen ja Welten zwischen.

Das kannst du heute fast nicht mehr hören. Höchstens als Gimmick oder Oldie.

Curse: Rakin, C.L.Smooth, Big Daddy Kane und dann Nas. Mit dieser Schule des Rappens bin ich aufgewachsen.

Reprise "Ohne Nas kein Curse"

Apropos Nas. Das neue Album gehört für mich zum Besten, was in den letzten Jahren veröffentlicht wurde. Auch von Nas. Von Rap-Skillz würde ich es sogar über "Illmatic" stellen.

Curse: Er macht momentan vieles richtig. Schon "The Lost Tapes" fand ich hammergeil.
Flo: Ich hatte ihn schon abschrieben, aber als ich "Made You Look" gehört hab, war ich total geplättet. Der kopfnickende Sound, das Video mit den New Yorker Borroughs. Wahnsinn.
Curse: Ich bin wohl der größte Nas-Fan dieses Planeten. Ohne Nas kein Curse, aber trotzdem fand ich "Made You Look" als erste Single zu berechnend. Es kam mir zu wenig aus dem Arsch. Nas sagt ja sogar selbst, dass er zusammen mit seinem Produzenten Salaam Remi überlegt hätte, was jetzt der richtige Move wäre. Und so kamen die beiden halt darauf, die Old School zurück zu bringen. Doch noch mal zurück zu den "Illmatic"-Zeiten. Als ich das erste Mal "Halftime" gehört habe, da hat es bei so geknallt in meinem Kopf. Da habe ich gewusst, dass ist definiitv ein monumentaler Einschlag.

Aber eine solches Hoch, ein solches Break müsste doch dann immer und vor allem für jeden möglich sein.

Flo: Immer.

Ein Einschlag namens Eminem oder "Was passiert denn hier bitte"

Curse: Ich sag dir, wann es das letzte Mal bei mir eingeschlagen hat: Ich war vor einigen Jahren zu Besuch in New York und traf mich mit Ill Bill von Non-Phixion, den ich von früheren Besuchen bereits ein wenig kannte und der damals mit einem von den Arsonists einen Plattenladen betrieb. Ich fragte Bill dann nebenbei, was es denn so neues in Sachen Rap gäbe. Vor der Antwort nahm er mich erst einmal beiseite und meinte: "Pass mal auf mein Freund. Ich habe hier ein Demotape von einem weißen Rapper aus Detroit, der jetzt gerade in LA bei Dr. Dre war. Hör dir dieses 4-Track-Demo mal an. Wenn der Typ herauskommt, werden sich viele Emcees über ihren Scheiß Gedanken machen müssen, ob sie noch auf dem gleichen Level sind." Ich durfte mir dann ganz geheimnisvoll auf Kopfhörer die ersten Eminem-Tracks reinziehen und dachte nur: Was passiert denn hier bitte? "Guilty Const", "1997 Bonnie And Clyde", "I Don't Give A Fuck" Alter Schwede. Zurück in Deutschland. Eminem kannte kein Schwein, und ein dreiviertel Jahr später kam "My Name Is..." und ab ging die Post.

50 Cent: Baby Rap oder zweiter 2Pac

Für viele gehört auch der momentane Hype um 50 Cent in diese Einschlag-Kategorie

Curse: Ich finde ihn eigentlich extrem cool, höchstens ein wenig überhyped. 50 Cent hat ja früher einmal ein ganzes Album mit den Trackmasters ausgenommen, das jedoch schnell wieder aus dem Verkehr gezogen wurde. Ich habe dann immer Songs auf Mix-Tapes gehört, und eine Zeile hat mich besonders geburnt, nach der von mir aus nur noch Baby-Rap machen kann: "I Hate A Liar More Than I Hate A Thief. A Thief Is Only After Your Salary. A Liar Is After Your Reality." Ich habe erst mal das Tape ausgestellt und meiner damaligen Freundin den Song vorgespielt. Wenn dir ein Rapper so etwas geben kann, dann ist das schon sehr, sehr viel. Nur: die ganzen Eminem-Fans kaufen sich jetzt auch 50 Cent und der Hype wächst über das richtige Maß hinaus.
Flo: Was mir persönlich daran missfällt, ist, dass die 50 Cent-Gangstergeschichte wieder als Show für die weißen Vorstädte fungiert. Du hast mal wieder den ultimativen Ghetto-Typen, der sämtliche Fantasien und Klischees bedient.
Curse: Er soll halt zum zweiten 2Pac aufgebaut werden. Den es natürlich nie gegeben wird. Auf der ganzen Welt ist 2Pac ein absolut einzigartiges Phänomen. Vielleicht sogar mehr noch als Eminem. Im entlegensten Winkel unserer Erde wie zum Beispiel Togo begegnen dir zwei Stars: Michael Jackson und 2Pac.

50 Cent oder "Ich glaub, ich abonnier jetzt die Bravo

Wird der Hype um 50 Cent auch zu uns rüberschwappen, wie bereits bei Eminem geschehen?

Flo: Nein, nicht in dem Ausmaß wie in Amerika. Allein, weil du in Deutschland kein kommerzielles Teenie-Musikmagazin finden wirst, das sich trauen würde, 50 Cent anstatt Eminem als Cover zu nehmen. Ich weiß aus eigener Erfahrung (Flo arbeitete eine Zeitlang bei der Bravo, der Verfasser), dass schwarze Künstler auf Cover grundsätzlich nicht vorkommen. Das ist natürlich absolut nicht in Ordnung aber leider tabu.
Curse: Es sei denn, du heißt Lauryn Hill.
Flo: Eminem immer, 50 Cent never. 2Pac never. Nelly never. Das machen die einfach nicht.
Curse: Ich glaub, ich abonnier jetzt die Bravo.
Flo: Vierzehn Jährige Mädchen erschrecken sich einfach vor 50 Cent. Da werden Vorurteile benutzt, die wir schon gelernt haben.
Curse: Die Angst vorm schwarzen Mann. Aber wenn der Typ weiß ist, freuen sich alle.

Das Hip Hop-Magazin The Source und besonders Geschäftsführer Ray Benzino wettert ja schon eine geraume Zeit gegen Eminems Einfluss.

Flo: Und da hat die Source in Bezug auf die durch Ems Hautfarbe exponierte Stellung recht.
Curse: Eminem ist aber nicht Vanilla Ice. Wenn Eminem schwarz wäre, würden alle sagen: "He's The Greatest". Da Eminem weiß ist, haben die Schwarzen damit verständlicherweise ein großes Problem, aber du kannst Em selbst nicht vorwerfen, dass die Medien ihn so sehr ausschlachten. Die Hauptkäuferschicht für Rap ist einfach weiß. Eminem repräsentiert sich selbst. Er gibt es sogar zu: "I Sell More Records Because I'm White." Deswegen würde ich die Situation anprangern und nicht den Künstler. Der Ansatz von Ray Benzino ist ja, weil die Kids jetzt Eminem haben, brauchen sie DMX oder Jay-Z nicht mehr. Aber glaubst du, dass sich die Leute nur noch einen Act kaufen? Das ist doch Blödsinn. Ich kaufe mir auch 2Pac, Biggie usw.

Ich denke, dass man auch Deutschland und USA unterscheiden muss. Hier führt Eminem jüngere Leute vielleicht eher zum Hip Hop, während in den USA Hip Hop durch seine Mainstreampräsenz anders wahrgenommen wird.

Curse: Das ist richtig.
Flo: Mich stört nur, dass Eminem der einzige Künstler aus der Hip Hop-Sektion ist, der Präsenz bekommt, nur weil er weiß ist. Da kann er nichts dafür sondern die Medienlandschaft in Deutschland. Im Grunde ist das skandalös.
Curse: Eminem bedient zum einen die ganzen Rap-Klischees und Fantasien und zum anderen ist er viel näher an uns dran.

Womit wir bei einem Vorteil der Online-Magazine sind, die diese Cover-Problematik ja nicht haben. Aber: "Times Up" wie bei O.C. und so bedanke ich mich bei euch für die interessante Diskussion.

Epilog: Wer jetzt von Curse noch immer nicht genug hat, der findet im Wortlaut demnächst exklusive Statements des Mindeners zu "Innere Sicherheit", Herbert Grönemeyer, Melancholie, Downloads, Träume, Xavier Naidoo und seine Erfahrungen als Journalist beim Wu-Tang Clan.

Das Interview führte Stefan Johannesberg

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