15. März 2007

"Es gab einfach viel zu viele Fights"

Interview geführt von

Nach bandinternen Reibereien und Labelwechsel sind die Ohioer Chimaira mit "Resurrection" neu auferstanden - mit Drummer Andols, der wieder in ihre Reihen zurückkehrte, und dem Labelwechsel zu Nuclear Blast, der sich als gute Wahl erwies.Derart gestärkt, knüpfen Chimaira auf ihrer neuen Scheibe an ihre Vorgängeralben an und bieten powervolle Batzen modernen Metals. Zwischendurch brechen aber doch einige Songs aus dem gewohnten Konzept aus. Im Moment präsentieren sie ihr neues Material live auf der No Fear-Tour in den Staaten gemeinsam mit Killswitch Engage, Dragonforce und He Is Legend. Im Sommer legen sie in unseren Breiten los.

Chimaira-Fronter Mark steht mir brav und gut gelaunt Rede und Antwort, als ich ihn am Telefon über "Resurrection" löchere, die schwierige Periode zu durchleuchten versuche, in der die Band ordentlich Zoff hatte und natürlich endlich heraus finden will, was das für ein Ding ist, das auf zwei Songs des neuen Albums heult wie ein urzeitliches Ungetüm. (hätteste mal redaktion@laut.de gefragt, Anm. der Red.)

Hi Mark, wie geht es dir?

Mir geht es sehr gut, danke.

Wie ist eure neue Scheibe bis jetzt angekommen?

Eigentlich sehr gut. Wir haben die Songs auf unsere MySpace-Seite gestellt – drei Tage später haben die Fans schon mitgesungen. Das war richtig gut.

Euer letztes Album "Chimaira" kam ja ziemlich gut an. Hattet ihr das Gefühl, das übertreffen zu müssen?

Das stand gar nicht so sehr im Vordergrund. Ich denke "Chimaira" ist ein gutes Album und wir mögen es. Aber diesmal gingen wir mit einer anderen Haltung ans Songwriting und die Aufnahmen. Wir wollten das Gefühl zurück bekommen, das wir hatten, als wir anfingen und noch keine Erwartungen hatten. Wir wollten da einfach reingehen und Spaß haben. So haben wir es diesmal getan. Es fühlte sich an, als wären wir eine neue Band. Es war sehr aufregend.

Dass ihr euch als neue Band fühlt, ist eigentlich gar nicht so weit hergeholt. Ihr habt euch nach einigen bandinternen Kämpfen wieder zusammengerauft.

Ja, das ist wahr. Wir hatten Probleme mit dem Label in den USA. Die Leute haben ihren Job nicht ordentlich gemacht. Das hat es uns sehr schwer gemacht: Wir waren auf Tour und es gab einfach keine Promotion. Wir hatten das Gefühl, unsere Zeit zu verschwenden. Das hat uns sehr verärgert. Wenn dann alle schlechter Laune sind, beginnst du eben zu streiten und so. Es gab einfach viel zu viele Fights. Dann haben wir uns zusammen gesetzt und begannen wieder damit, miteinander zu reden, haben versucht, wieder Freunde zu sein und uns auf die Zukunft zu freuen. Danach war alles um einiges leichter. Es lag einfach an der verarmten Kommunikation.

Wo wir gerade dabei sind. Fühlt sich euer früherer Drummer Andols wieder wohl in euren Reihen und auf Tour? (Andols ist zuvor aus der Band ausgestiegen, weil ihm das viele Touren nicht mehr zusagte, Anm. d. A.)

Ja, er hat sich auch etwas verändert, mittlerweile ist er der Typ von uns, der das Touren am meisten von allen liebt. Er ist sehr aufgeregt, wieder dabei zu sein. Ich denke, dass er mit seinem Spiel auf dem neuen Album sehr präsent ist. Es ist lustig, denn der Kerl, der das Touren am meisten hasste, ist nun am liebsten von uns allen auf Tour.

"Du weißt nie, was ums Eck kommt"

In diesem Sinne handelt es sich nicht nur um einen Album-Titel, sondern auch eure "Auferstehung" ("Resurrection") als Band.

Auf alle Fälle, ja.

Und mit dem neuen Label seid ihr nun glücklich?(Für Europa ist Nuclear Blast zuständig, für die USA Ferret Music)

Ja, sicher. Die Dinge laufen sehr gut. Die Promotion, die für das Album ist fünfmal so stark als das, was wir für das vorige gemacht haben. Nuclear Blast freuen sich wirklich darüber, mit uns zu arbeiten und kümmern sich darum, dass unsere Musik in mehr Ländern zugänglich ist. In den Staaten macht es Ferret genauso. Es läuft so viel an Presse und Promotion – unglaublich.

Dann lass uns doch gleich zum Album kommen. Neben den Nummern, die denen der Vorgänger-Scheibe sehr ähnlich sind, klingen die Stücke teilweise etwas komplexer, andererseits aber auch melodischer als auf "Chimaira".

Ja, das ist einfach so geschehen. Wir hatten einfach Spaß am Schreiben, so nach dem Motto was passiert, passiert. Wir hatten auch keinerlei Angst, zu experimentieren. Im Gegensatz zum vorigen Album waren wir alle zu gleichen Teilen am Songwriting beteiligt. Wir sind drei Typen mit unterschiedlichen Vorlieben, die alle dran geschrieben haben. Unterschiedliche Musiker und Schreiber … da kommt etwas sehr eklektisches raus. Es war lustig und interessant, denn du weißt nie, was ums Eck kommt. Das war natürlich nicht geplant, es passierte einfach aufgrund der unterschiedlichen Charaktere, die daran beteiligt waren.

Songs wie "Killing The Beast" oder vor allem "Six" hätte ich nicht erwartet. Vielleicht erzählst du etwas über die Nummer?

Klar. Wir waren so ziemlich am Ende des Schreibprozesses angelangt und ich hatte diese Idee, dass jeweils Matt drei Minuten Gitarrenriffs, ich drei Minuten Gitarrenriffs und Rob drei Minuten Gitarrenriffs schreiben sollten. Und wir haben einfach versucht, das zusammenzufügen. Entweder sollte es die schlechteste Idee in der Geschichte unserer Arbeit werden oder ein richtig cooler Song (lacht). Und etwa zwei Stunden später hatten wir diesen richtig coolen Song und ich war so glücklich, dass es auf diese Weise funktioniert hat. Es ist eigentlich unser Lieblingtrack. Ich kann mir vorstellen, dass wir so etwas auch in Zukunft noch einmal machen. Und dass es nicht so gut klappt haha.

Im Hintergrund hört man ja einen Sound, der klingt, als würde irgendeine urzeitliche Kreatur heulen. Was soll das darstellen?

Oh, das. Du sprichst vom Anfang des Songs? Ja, das ist ein Instrument, das ich spiele, namens Theremin. Es ist ein altes Instrument, wie sie es in Horrorfilmen verwendet haben oder für Horror-Zeugs im Radio. Und dann hat es Jimmy Page populär gemacht. Er verwendet den Sound in der Nummer "No Quarter". Es ist ein schräges Instrument und ich will es seit 15 Jahren haben. So lange suchte ich danach. Wo ich lebe, da kannst du so etwas nicht finden. Ich hab es dann in Florida entdeckt. Ich war sehr aufgeregt und hab gleich mit dem Spielen angefangen. Wir haben es auch für "Killing The Beast" im Mittelteil verwendet und ich mag es wirklich hehe. Es ist ein cooles Instrument, das eigentlich aussieht wie eine Antenne. Du bewegst lediglich deine Hand drum herum und es macht unterschiedliche Geräusche. Gruselig.

Wie sieht es diesmal mit den Lyrics aus - du bist ja dafür zuständig, oder?

Ja, diesmal sind alle unterschiedlich voneinander. Der Titeltrack "Resurrection" ist, wie auch der Albentitel, ein Song über das Überwinden von Konflikten, Kämpfen, und wie man aus all dem Stärker hervor geht. Alles und jedes, was mich in meinem Leben beeinflusst, fließt in die Texte ein. Nimm "No Reason To Live". Darin geht es um meine Erfahrungen, die ich mit obdachlosen Menschen gemacht habe. "Needles" handelt davon, dass einige meiner Freunde heroinabhängig waren. Im Song "Empire" geht es um Religion, über das Wählen von Seiten von Religionen. Es geht einfach um verschiedene Dinge, auf die ich stoße.

"Ich sehe mir eher einen Film an, als mich um Religion zu kümmern"

Bist du selbst ein religiöser Mensch?

Hm. Nicht wirklich. Ich ging mein ganzes Leben lang auf religiöse Schulen und wuchs damit auf. Ich denke, das hat mich davon abgebracht (lacht). Ich respektiere zwar, woran Menschen glauben, aber ich war mehr neugierig, wie sie es im Film "Hellraiser" sagen: 'Du kannst in den Himmel gehen oder in die Hölle. Was würdest du wählen?' Was ist eher dein Stil? Ich bin eigentlich nicht dagegen. Es ist nur so: Ich sehe mir eher einen Film an, als mich darum zu kümmern.

Wer hat eigentlich euer Cover-Artwork gemacht?

Das kommt von einer holländischen Firma, der Name des Künstlers ist Dennis, aber ich kann seinen Nachnamen nicht aussprechen. Er hat zu viele Buchstaben, die ich nicht verstehe (lacht).

Okay. Wir merken uns einfach Dennis. – Ihr werdet oft Vertreter des NWOAHM bezeichnet. Was denkt ihr über dieses Etikett?

Es war ein geflügeltes Wort zu Beginn, als sie bemerkten, dass unsere Band etwas anderes macht. Aber nach einiger Zeit beginnen die Presse und die Leute ohnehin, den Begriff zu meiden, weil sie es leid sind, ihn zu verwenden. Wir machen noch immer die Musik, die uns Spaß macht, die wir genießen, wie auch immer die Leute das nennen wollen. So lange sie unsere Band bemerken, sind wir zufrieden.

Habt ihr schon so was wie ne Live-CD oder DVD in Planung?

Ja, tatsächlich arbeite ich gerade im Kopf dran. Ich möchte, dass vielleicht nächstes Jahr so was rauskommt.

Was hältst du eigentlich von so Mammut-Touren wie der Sounds Of The Underground, auf der ihr dabei wart?

Das war wahrscheinlich der größte Spaß, den wir jemals hatten, was Festival-Touren betrifft. Wir haben ja schon auf europäischen Festivals gespielt und so – aber das hat wirklich Spaß gemacht. Es waren so viele Bands dabei, mit denen wir befreundet sind. Viele sagen, Hellfest ist wie ein Sommercamp, aber der Meinung bin ich nicht. Aber das Underground fühlte sich so an, als würdest du den Sommer mit deinen besten Freunden verbringen. Das war sehr cool.

Mit wem habt ihr das Touren am meisten genossen?

Slayer, In Flames, GWAR, … und wir hatten eine sehr gute Zeit mit den COB, wir haben mal ne Woche mit denen verbracht.

Wie sieht es diesen Sommer aus bezüglich Touren und Festivals? Wo trifft man euch an?

Das ganze Frühjahr sind wir mit Killswitch Engage und Dragonforce in den USA unterwegs, ab Juni kommen wir dann für einige Festivals rüber nach Europa. Es ist noch nichts fix, aber ich denke, es sind coole (lacht).

Wie verbringt ihr eigentlich eure Zeit auf Tour?

Wir sehen Filme und schlafen. Wenn wir zehn Meilen außerhalb einer Stadt spielen, können wir uns auch nichts von der Stadt ansehen. Dann bekommen wir unglücklicherweise nichts davon mit. Als wir das erste Mal in Paris spielten, waren wir in der Nähe von nirgendwo. Ich musste überall alleine hingehen um sie zu sehen.

Könnt ihr euch an euren letzten Auftritt in Wien erinnern?

Oh ja. Das war das Konzert, wo unser Keyboardspieler die Lederweste anhatte. Da waren wir schon an einem Punkt der Tour angelangt, wo wir unseren Verstand verloren. Wir ließen uns wirklich üble Schnauzbärte wachsen und taten komische Dinge auf der Bühne. Es war einfach … wir mussten einfach nach Hause (lacht).

Hey Mark, danke schon mal für das Interview. Die letzten Worte gehören dir.

Ich kann es nicht erwarten, euch alle wieder zu sehen, und ich denke, ihr könnt das Album genießen.

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