21. Dezember 2017

"Die Antwort wird dich runterziehen"

Interview geführt von

Anlässlich seiner jüngsten Veröffentlichung haben wir Bryan Adams u.a. gefragt, warum Fans sich ausgerechnet "Ultimate" kaufen sollen und nicht irgendeine andere Best Of.

Rocklegende Bryan Adams plaudert locker über seine großen Welterfolge, seine Arbeit mit Kollegen wie Tina Turner oder Paco De Lucia und Schnappschüsse von Linda Evangelista. Daneben liefert der seit Jahrzehnten engagierte Tierschützer einen flammenden Appell zugunsten des Umweltschutzes.

Bei vielen weltweiten Rockstars herrscht das ungeschriebene Gesetz von 'Sex & Drugs & Rock n Roll', was nicht selten byronesque Stories nach sich zieht. Du scheinst eine Ausnahme zu sein. Keine Skandale, Drogen, Affären oder ähnliches. Wie hast du es geschafft, ein erstaunlich normales Leben zu führen?

Oh, ich bin mir gar nicht sicher, ob mein Leben so normal verläuft. Aber es stimmt schon: Besonders die Familie belegt den größten Teil meines Lebens mit Beschlag. Dann kommt die Musik hinzu, die Fotos ... da bleibt einfach nicht mehr viel Raum für Ausschweifungen.

"Ultimate" bietet 20 Hits auf und zwei neue Songs. Tatsächlich ist es jedoch bereits deine sechste Best-Of-Zusammenstellung. Warum brauchen die Leute ausgerechnet diese neue Version?

"Ultimate" und das "Tracks Of My Years"-Album sind zwei Projekte, um die mich Universal ersuchte. Um es interessanter zu machen und nicht einfach exakt dasselbe in eine andere Verpackung zu stopfen, habe ich die beiden neuen Tracks eingespielt, neue Fotos beigefügt und die Auswahl in etwa so vorgenommen, als sei es eine Live-Setliste.

Du verkörperst die goldene Ära des Classic Rock/AOR/Melodic Rock. Hat es dich nie gereizt, den Pfad zwischendurch zu verlassen und zum Beispiel Ausflüge gen Jazz, Blues, Singer/Songwriter oder etwas ganz anderes zu wagen?

Nicht einen Tag lang! Das was man von mir kennt und hört, bin ganz und gar ich. Das ist mein Ding, und ich habe immer alles dafür gegeben, mir treu zu bleiben, damit es authentisch klingt.

"Paco De Lucia kam einfach rüber"

Du hast mit anderen Ikonen wie Rod Stewart oder Sting gesungen. Aus meiner Sicht sind die herausragendsten Kollabo-Auftritte jene mit Tina Turner nach "It's Only Love". Worin liegt das Geheimnis ihrer unerreicht charismatischen und energetischen Performance?

Als ich mit ihr sang, war das noch im Vorfeld ihres großen Comeback-Albums "Private Dancer". Das war für mich ein großes Glück. Ich war ja ohnehin ein Riesenfan und wollte unbedingt mit ihr arbeiten. Das wollte ich schon, als ich noch ein ganz junger, unbekannter Songwriter war. Als der Augenblick dann endlich kam, war sie atemraubend. Es war als fegte plötzlich ein Tornado durchs Studio. Unfassbar! Wir haben für das Lied beide dann auch eine Grammy-Nominierung erhalten. Später, 1987, habe ich Tina auch produziert. Für das gemeinsame "Back Where You Started" hat sie ihn dann auch erhalten.

Ähnlich wie Aerosmith halten dich viele für den "King Of Rockballads". Mit Evergreens wie "Heaven" oder "Everything I Do" hast du zwei der erfolgreichsten Nummern überhaupt im kollektiven Musikgedächtnis verankert. Aber sind diese "Monsterhits" nicht auch ein Fluch? Läuft man nicht Gefahr, sich als Songwriter – erst recht nach Jahrzehnten - unfreiwillig selbst zu imitieren?

Nein, jedenfalls nicht in meinem Fall. Ich bin ziemlich sicher, dass es nicht möglich ist, das eigene Selbst zu plagiieren, wenn es echt ist. Vergiss nicht: Was stilistisch in den Augen mancher eventuell ein "ripping off" wäre, kann man nämlich genau so gut authentisch als "deinen eigenen Stil" betrachten.

Über die Jahre schriebst du Songs mit u.a. Mutt Lange, Michael Kamen oder Hans Zimmer. Noch beeindruckender ist jedoch deine 40 Jahre andauernde Songwriterpartnerschaft mit Jim "Dr Song" Vallance; so etwa auf "Reckless". Kann man sagen, dass diese Musikehe für dich ähnlich essentiell ist wie bei Jagger/Richards, Lennon/McCartney, Tyler/Perry etc?

Es ist sehr schmeichelhaft für mich, in einem Atemzug mit den Erwähnten genannt zu werden. Ich selbst sehe mich nicht in dieser Liga. Dennoch: Jim und ich hatten tatsächlich einen echten Lauf in den 80ern. Das für uns Tragische war, nichts in den 90ern zusammen gemacht zu haben. Wir haben unsere Arbeitsgemeinschaft erst nach 2000 wieder erneuert. Und wir bleiben da auch am Ball. Momentan schreiben wir für den Broadway eine Musical-Adaption von "Pretty Woman".

Wahrheit oder Legende, dass ihr beide "Summer Of '69" zunächst selbst unterschätzt habt und es beinahe ein Outtake geworden wäre?

So ähnlich, aber nicht ganz. Uns beiden war völlig klar, dass wir hier einen anständigen Song am Wickel hatten. Für mich haute jedoch die Performance zunächst nicht hin. Ich habe wirklich alle wahnsinnig gemacht mit etlichen Wiederholungen, bis wir endlich genau jene Aufnahme hatten, die ich auch selbst als brennend empfand. Das bedeutete damals Demo-Sessions ohne Ende. Aus deren Verlauf ergab sich dann Stück für Stück die ideale Version. Ich selbst war sogar nach dem finalen Mix noch nicht komplett überzeugt, dass wir das gepackt haben. Aber das haben wir.

Für "Don Juan De Marco" - mit dem späten Marlon Brando und einem jungen Johnny Depp – schriebst du "Have You Ever Loved A Woman". Es ist eine Kollaboration mit dem spanischen Flamenco-Gott Paco De Lucia. Wie war die Erfahrung mit so jemandem von weit jenseits des Rockkontextes zu arbeiten?

Das war wirklich eine interessante Geschichte. Komponiert habe ich den Song erstmal allein mit Mutt Lange und Michael Kamen. Damals liefen auch gerade die Aufnahmen zum "18 Til I Die"-Album auf Jamaika. Die Idee eines Flamenco-Parts kam spontan. Also fragte ich Pacos Management in Spanien, ob er die Aufnahmen machen könne. Die Antwort lautete: "Nein, klappt nicht, weil er sich gerade im Urlaub auf Jamaica befindet." Dieser Zufall war wirklich zu bizarr, ihn in Worte zu fassen. Tatsächlich befand Paco sich nicht nur "auf Jamaica" - wie ich – sondern wohnte nur zwei Häuser weiter von meinem Aufenthaltsort. Also kam er einfach rüber, nahm die Gitarre und wir verbrachten ein paar schöne Tage miteinander, bis die Aufnahmen fertig waren.

"Es ist ein Irrtum, dass wir Menschen Tiere essen müssen"

Der Klang einer spanischen Gitarre kontrastiert und komplettiert deinen Rocksound aus meiner Sicht hervorragend. Warum hat das Beispiel keine Schule gemacht und wurde hernach nie wieder eingesetzt?

Danke für das Kompliment. Es war ja auch wirklich ein weltweiter Riesenerfolg, was sicherlich auch mit an Lucia lag. Es brachte dem Team sogar eine Oscar-Nominierung ein. Und auch für uns standen die Zeichen darauf, in dieser Richtung weitermachen zu wollen. Dann jedoch wurde Michael sehr krank; Multiple Sklerose. Kurz darauf starb er. Ihn zu verlieren war einer der schlimmsten Momente meines Lebens, da wir wirklich enge Freunde waren. Es war, als verlöre man einen Bruder.

Neben der Musik bist du auch ein angesehener Fotograf. Wie hat sich diese "mehr Auge als Ohr"-Leidenschaft entwickelt?

Fotografie hat mich schon immer interessiert. Auf meinen Touren führe ich – wo ich auch bin – stets eine Kamera mit mir. Das fing schon in den ganz frühen Tagen an. Lange Zeit war ich jedoch unsicher, beide Leidenschaften ausbalancieren zu können. Dennoch begann ich neben der Arbeit an meinen Alben von allem und jedem Aufnahmen zu machen. Fotos von Freunden oder Leuten, die ich traf zum Beispiel. Einer dieser Schnappschüsse war ein Bild von Linda Evangelista. Ich konnte das Foto beim "Flare Magazine" unterbringen. Plötzlich riefen dauernd Magazine an und fragten nach Foto-Stories von mir. Da kam mittlerweile so einiges zusammen.

Abgesehen vom Künstler Bryan Adams gibt es ebenso den Philanthropen und leidenschaftlichen Kämpfer für Tierrechte und die Natur. Nun leben wir momentan in Zeiten, in denen der Mensch trotz verfügbarer Aufklärung mehrheitlich apokalyptisch, selbstsüchtig, unsicher, gewalttätig und ignorant agiert. Wie könnte es deiner Ansicht nach dennoch gelingen, Empathie, Liebe und ein angemessenes Verantwortungsgefühl für Kreatur und Umwelt wieder zu erwecken?

Die Antwort auf deine Frage wird ein echter Runterzieher. Mit den jetzigen Gesetzen und Regierungen der Welt haben wir momentan einen Schutzfaktor von quasi Null für alle Tier- und Pflanzenwelt der Wildnis. Ich befürchte, sagen zu müssen, dass es wirklich nur geringe Hoffnung für die Kreaturen unseres Planeten gibt, so sich nicht rasch Gravierendes ändert. Die Ozeane werden geplündert. Und das bis zu einem irrsinnigen Punkt, an dem man sich fragen muss, ob sie in 30 Jahren eventuell leer sind. Wir verlieren auf dem Land demgegenüber täglich durch Zerstörung den Lebensraum für wilde Tiere in etwa der Größe von 48 Fußballfeldern. Die menschliche Erdbevölkerung hingegen explodiert förmlich in ihrer Ausbreitung. Afrika etwa wird die Schwelle zur Milliarde noch vor dem Jahr 2050 überschreiten. Trotz der immerhin voranschreitenden Individualentscheidungen zugunsten vegetarischer und veganer Ernährung hält sich der hartnäckige Irrtum, dass wir Menschen zwingend Tiere essen müssen, um überleben zu können. Das Gegenteil ist die Wahrheit. Ohne Tiere zu essen, hat unsere Spezies eine weit höhere Überlebenschance. Denn allein die ausufernde Züchtung für den Fleischhandel auf den zahllosen Farmen weltweit, erzeugt eine enorme Belastung von Atmosphäre und Ressourcen sowie von unserer eigenen Gesundheit.

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Bryan Adams

Der Kanadier Bryan Adams gehört zweifellos zu den Giganten des Mainstream-Rock'n'Roll. Seine Mischung aus bodenständigen Rocksongs und gefühlvollen …

3 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 6 Jahren

    Lieber Ulf. Tolles Interview. Die Art der Fragestellung hat gepasst. Einem intelligenten und kreativen Menschen wie Adams sollte man auch intelligent begegnen. Das war Top. Adams ist und bleibt ein Held meiner Jugend. Im Soundtrack meines Lebens taucht er immer wieder auf. Ich liebe seine Musik und seine grossen Hits. Er hat sich nie irgendwie angebiedert. Er ist sich selbst treu geblieben da hat er absolut Recht. Im Juni werd ich ihn zum ersten Mal live erleben. Grosse Vorfreude. Danke nochmals Ulf für dieses sehr schöne und höchstwillkommene Interview.

    • Vor 6 Jahren

      Schliesse mich an also was das Interview betrifft. Rein künstlerisch ist Bryan Adams bei mir aber nicht über "ja gut muss man jetzt nicht unbedingt den Sender wechseln" hinausgekommen.

  • Vor 6 Jahren

    Ich kann "DerMaddin" nur zustimmen! Einen Vorteil hab ich aber, ich hab Adams schon mehrmals LIVE gesehen und kann nur jedem Kritiker von ihm empfehlen, Adams mal selbst LIVE zu sehen, denn seine Fans wissen welches Kaliber Bryan Adams ist. Der Hammer!!!

  • Vor 6 Jahren

    Sehr schönes Interview mir einem meiner Jugendhelden. Schön zu sehen, daß es auch Menschen mit Ruhm und Geld gibt, die auf dem Boden geblieben sind. Sein Engagement für die Umwelt ehrt ihn umso mehr.