6. September 2017

"Die Zahlen machen mir Angst"

Interview geführt von

Gerade hat Matthew Musto alias Blackbear einen Vertrag über zehn Millionen Dollar für sein im April erschienenes Album "Digital Druglord" mit Interscope Records abgeschlossen. Nachdem der Musiker, Produzent und Songschreiber in den vergangen Jahren in Eigenregie – nicht zuletzt dank Streaming-Plattformen – in den USA beachtliche Erfolge feierte, soll es nun auch international für den 26-Jährigen nach oben gehen.

Dabei hat Musto turbulente Zeiten hinter sich – 2016 wurde er mit einer Bauchspeicheldrüsenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert, die er laut eigenen Angaben nur mit Glück überlebte. Alkohol darf er seitdem keinen mehr anrühren, was der Kreativität allerdings nicht geschadet haben dürfte: Zwei Alben ("Digital Druglord" und das "Mansionz"-Projekt mit Kumpel Mike Posner) und eine EP veröffentlichte er im ersten Halbjahr 2017 – zahlreiche weitere andere Projekte sollen bald folgen.
So kreativ er ist, so sprunghaft ist Musto auch im Gespräch. Über ein paar Dinge möchte er an diesem Tag lieber nicht sprechen, kündigt er im Vorfeld des Gespräches an – dazu gehört seine Arbeit mit Linkin Park und Justin Bieber. Wobei er The Biebs dann doch ganz von selbst erwähnt. Dafür umso lieber über Geschäftsideen, Pharrell und die Illuminati, Gucci Mane und Projekte, die er in der Pipeline hat.

Du hast gerade einen Remix von "Do Re Mi" mit Gucci Mane veröffentlicht. Der ging anständig durchs Dach, gleich mehrere Millionen Views innerhalb weniger Tagen.

Verrückt, Mann. Ich schaue mir die Zahlen gar nicht mehr an, das macht mir nur Angst. Ich versuche, davon Abstand zu halten – aber in einem Radiointerview verrieten sie mir, dass das Video schon Millionen Plays hat. Ich wusste schon, dass der Song viel im Radio gespielt wurde, aber dass jetzt auch das Video so durchgeht ... Ich hatte nie ein Video, dass öfters als zwei Millionen Mal gesehen wurde. Zumindest Blackbear-Videos. Mit dem Justin-Bieber-Video "Boyfriend" hielt ich irgendeinen Rekord. Der wurde dann von Miley Cyrus gebrochen.

Wie kam die Kollaboration mit Gucci Mane zustande?

Das Team, für das ich mich zur Zusammenarbeit entschied, gehört zur Universal Music, Interscope Records. Die haben die meisten der besten Acts überhaupt – nach von Capitol Records. Ich glaube, Interscope ist das neue Capitol. Todd Moscowitz, der eng mit Gucci Mane zusammenarbeitet, brachte mich in sein Büro, um zu sehen, wie er Teil von Blackbear werden könnte. Dann kam auch noch John Janick – den ich sehr bewundere, ich begeistere mich sehr für die Marketing-Seite der Dinge. Mit Todd und John hatte ich echt ein Dreamteam zusammen. Sie wissen, wies funktioniert. Ich habe mich wirklich mit jedem Label getroffen. Mein erstes Angebot von einer Plattenfirma bekam ich mit 17, ich habe also seit einer Dekade Label-Angebote abgelehnt. Einfach, weil ich lange Zeit bittere Gefühle gegenüber Plattenfirmen hegte. Aber jetzt, wo sich die Dinge verändert haben, haben sich auch die Label verändert. Sie haben in Sachen Streaming und Monetizing dazu gelernt ... oh Mann, ich verlier den Faden, was war die Frage?

Wir sprachen über Gucci Mane ...

Nun, dafür ist Todd verantwortlich. Der arbeitet mit ihm, und das war auch das erste, was Todd mir sagte: 'Komm zu uns, ich bring dir Gucci.' Ich wollte Gucci unbedingt auf dem Remix haben – und Todd meinte, er macht mir einen guten Deal. Gratis ist ja nichts. Er machte also einen guten Deal – und Gucci gefiel der Song. Er hätte in seinem Rap-Part meinen Namen nicht erwähnen müssen. So ein Shout Out ist in der Rap-Welt eine große Sache. Es bedeutet, dass er dahinter steht – und das tat er. Ich mache ja auch dasselbe für andere Künstler. Mir ist da die Bezahlung aber scheißegal, wenn mir jemand drei Millionen bietet und der Song scheiße ist, mach ichs nicht. Es war einfach die perfekte Situation – genau wie mit Juicy J auf "Sweatsuit" .

Du hast dir ja auch eine ideale Situation geschaffen, du warst schon als Indie-Künstler schwer erfolgreich, hast selbst produziert ...

Ich sage es mal so: Wir hatten keine Probleme damit, unabhängig zu bleiben. Mit Merchandising alleine verdienen wir monatlich eine Viertelmillion Dollar. Das Label meinte, dass sie da nicht angreifen wollen. Sie wollten einfach die Platte mit mir machen und Teil meiner Zukunft sein, hinter mir stehen. Das überzeugte mich. Es hätte sich dumm angefühlt, es nicht zu tun. Wir haben eine Weile hin und her diskutiert – und als dann rauskam, dass ich unterschrieben habe, jammerten die Leute: 'Du hast gesagt, du würdest nie einen Plattenvertrag unterschreiben'. Man muss das nicht verstehen, aber jeder hätte in meiner Situation das Gleiche getan. Ich bin an einem Punkt in meiner Karriere, an dem ich dieses große Powerhouse dringend brauche, um das Ganze auf das nächste Level zu hieven. Ich habe es auf Indie-Basis so weit vorangetrieben, wie ich konnte, zumindest in den USA. Die Dinge wurden dadurch viel leichter. Es gibt jetzt Büros, die den ganzen Tag nur an mich denken. Das ist toll. Ich bin zwar keine Top Priority, aber höher oben auf der Prioritäten-Liste.

"Wenn eine meiner Ideen aufgeht, muss ich nie wieder Musik machen"

Wie sieht die Zukunft deiner Firma Beartrap aus?

Beartrap ist ein Kollektiv, eine Produktionsfirma. Wir haben Produzenten, Schreiber. Unser Ziel ist es, dich dazu zu bringen, nicht scheiße zu sein. Wir haben supertalentierte Leute – und finden Kids in ihren Zimmern, die über Soundcloud veröffentlichen. Wir geben ihnen eine Chance. Wir haben viel in Arbeit. Wir nehmen Künstler unter Vertrag, die einen Schritt davon entfernt sind, der nächste heiße Scheiß zu werden. Ich kann keine Namen nennen – aber ein Mädchen, das wir unter Vertrag haben, muss einfach nur noch vor Leute gebracht werden. Sie ist echt meine Lieblingskünstlerin. Ich bin aufregt, was die Zukunft bringt. Irgendwann werde ich bestimmt müde werden, ich bin 26 Jahre alt und bin jetzt schon irgendwie müde. Ich möchte Künstler unter Vertrag nehmen und sie nicht die gleichen Fehler machen lassen wie ich sie gemacht habe. Ich musste jeden verdammten Fehler machen, den es gibt, seit ich in der Highschool war und die Schule verlassen habe, um mit meiner Rock-Band einen Indie-Vertrag unterschrieb. Wir sind mit dem Jeep nach Buffalo gefahren und hatten einen Autounfall, da gabs viele Geschichten. Ich spielte in Bars, die ich direkt nach dem Gig verlassen musste. Ich habe vor 15 Menschen gespielt, ich habe echt alles erlebt.

Weißt du, ich habe dich vorhin übrigens gefragt, welche Musikstile euer Magazin abdeckt, weil ich echt alles höre. Wir haben im Auto gerade gescherzt, ob wir nicht Jazzversionen aufnehmen sollen, die besten Jazzmusiker finden, die mit mir die Songs neu aufnehmen und das auf Vinyl rausbringen. Ich komme immer auf irgendwelche dummen Ideen. Eine davon ist wirklich ein großer Deal – wenn die klappt, muss ich nie wieder Musik machen. Es ist kein neues Facebook, aber es kommt dem nahe.

Du hast einen Riesenoutput – allein im ersten Halbjahr 2017 hast du zwei Alben und eine EP veröffentlicht

(überlegt) Ja, irgendwas in der Art. So ist es.

Im letzten Jahr warst du im Krankenhaus, hattest eine Bauchspeicheldrüsenentzündung, das soll ziemlich ernst gewesen sein.

Mein ganzes Leben hat sich dadurch verändert. Ich bin dankbar, dass ich am Leben bin. Ich war früher nicht dankbar, nicht viele Leute sind wirklich dankbar, zu leben. Das Leben ist so fragil – und wenn du da sitzt und dir gesagt wird: 'Wir wissen nicht, ob das Krebs ist oder sonst was' ... dann denkst du dir: 'Moment, meine Freunde trinken doch alle genau so viel wie ich, warum passiert das jetzt mir?' Deswegen sage ich ja, ich habe auf die harte Art und Weise gelernt. Mit dem nächsten Projekt möchte ich das reflektieren. Es wird nicht mehr so bitter und traurig – du kannst immer noch einen tollen Song schreiben, wenns dir verdammt gut geht. Denk nur an "Happy" von Pharrell. Jeder hasst den Song, aber irgendwie liebt den Song doch auch jeder.

Gut, aber Pharrell ist man eine Zeit lang ja nicht mehr entkommen.

Pharrell ist eine sehr, sehr exzentrische Person. (lacht) Ich habe eine Woche mit ihm und Mike Posner gearbeitet. In dieser Woche habe ich das gelernt, wofür andere ein Jahr lang in die Schule gehen. Einsichten, seine Argumentationen. Ich kam ins Studio – und sie redeten über die Illuminati. Pharrell sagte: 'Natürlich gibt es Leute, die illuminiert sind' – das war das erste, das ich ihn sagen hörte. Ich dachte nur: 'Oh Mann, das ist verrückt, ich muss hier raus'. Er meinte, man wird reingeboren – aber mehr kann ich darüber jetzt nicht erzählen. Ich habe eine Menge von ihm gelernt – auch von Mike Posner, von Ne-Yo, von Gabe Saporta von Cobra Starship und Midtown, mit dem ich jeden Tag telefoniere, der ein Mentor für mich ist, mein Idol, als ich aufwuchs. Manchmal ist es aber auch ganz schön scheiße, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die Helden für einen sind. Man geht ins Studio und sie entpuppen sich als Arschlöcher, oder als überhaupt nicht speziell, so wie man sich das vorgestellt hat. Ich nenne aber keinen Namen. Bei Gucci wars genau umgekehrt – ich dachte, dass er einfach nur meinen würde: 'Mann, wer bist du?'. Aber er kam mit dem Gucci-Mane-Lächeln rein und meinte: 'Du bist echt dope'. Ich dachte nur: 'Sei doch leise, DU bist dope. Sag du mir doch nicht, dass ich dope bin'.

"Ich bin der Arzt, den sie bezahlen"

Wie beeinflusst es deine Arbeit, für andere Leute zu schreiben?

Meine eigene Musik zu schreiben, fühlt sich nicht nach einem Job an. Wenn man für andere schreibt, ist es so, als würden sie Hilfe brauchen. Und ich bin dann der Arzt, den sie bezahlen.

Also ein ganz anderes Paar Schuhe.

Ja, total.

Eine letzte Frage: Du wirst für einige Shows im Herbst nach Deutschland kommen.

Ja, und sie haben die Venues nach oben verlegt. Weil alles so schnell ausverkauft war – jetzt gibts wieder Tickets.

Was kann man sich von den Shows erwarten?

Weißt du, ich bin kein Rampenlicht-Typ. Ich habe eine großartige Band, einen Saxophonisten, einen der großartigsten Schlagzeuger der Welt. Musiker mit Kirchenhintergrund, ausgebildete Musiker – die besten der Welt. Das ist einschüchternd, ich fühl mich neben ihnen, als wäre ich ein Niemand. Echt jetzt. Aber ich erinnere mich dann selbst, dass ich Songs schreiben kann. Das ist das, was mich besonders macht. Wir werden auch neueres Material spielen, nicht nur "Digital Druglord". Wir werden ein paar Feel-Good-Sachen einstreuen, Hardrap-Beats. Letztenendlich sind wir Geschäftsleute.

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