12. Juli 2007

"Ich mag keine Politiker!"

Interview geführt von

Das Angebot kam überraschend erst am Vortag, war aber einfach zu gut, um es auszuschlagen. Ein Interview mit Punklegende Greg Graffin, Professor und Leadsänger von Bad Religion.Schon immer lebte in meinem kleinen Kosmos eine kleine Legende um den Typen, der außer in seiner Band auch noch als Professor arbeitet. Ich ergriff die Gelegenheit also beim Schopfe und am nächsten Tag mit zitterten Händen den Telefonhörer. Als ich dann schließlich das für Gespräche in die USA typische Freizeichen vernahm, schlug mein Herz noch höher und ich war zugegebenermaßen ziemlich perplex, als ein unkompliziertes "Hello" aus der Hörmuschel drang.

Der Meister persönlich hatte in seinem Haus in Upstate New York ganz entspannt auf meinen Anruf gewartet. Wie zu erwarten, sprengte das Gespräch die engen Grenzen des Musikbusiness, und Greg Graffin gab freimütig Einblick in seine differenzierten Ansichten über unsere heutige Welt.

Wie ist das Wetter in New York?

Oh, es ist eigentlich ganz nett, ziemlich warm und trocken. Bestimmt besser als in Deutschland!

Na ja, wir sitzen hier in kurzen Hosen im Büro.

Ach wirklich, jedes Mal wenn wir im Mai oder Juni bei euch gespielt haben, hat es wie aus Eimern gegossen. Aber das war vielleicht auch in einer anderen Ecke von Deutschland ...

Nachdem ich ihm erklärt habe, dass Konstanz verblüffender Weise am "Lake of Constance" liegt und wir dank des Sees über ein relativ mildes Klima verfügen, frage ich nach seinen Soloaktivitäten neben BR.

Solo lässt du ja mehr den Folkguy raushängen. Einer deiner Songs wurde, bevor du ihn neu interpretiert hast, schon von Johnny Cash gecovert. Was hältst du von dem guten alten Johnny?

Na ja, mein Vater spielte früher die ganze Zeit Johnny Cash. Hmm ... ich glaube, ich kann mir wirklich niemanden vorstellen, der ernsthaft etwas gegen Johnny Cash einzuwenden haben könnte (lacht).

Ja, Johnny Cash ist eine Ikone. Er steht für den dunklen Typen, der alleine mit seiner Gitarre durch die Welt zieht. Wer stellt für dich die Ikone des ursprünglichen Punks dar?

Das ist eine schwierige Frage. Es gab da Leute wie Iggy Pop, die schon sehr sehr früh, damals nannte man sie noch gar nicht Punk, aktiv waren. Also er ist schon ein Symbol des Punks und daher auch eine Ikone, aber für mich gab es immer ein paar andere Leute. Vielleicht Jimmy Pursey von Sham 69, auch wenn die ein bisschen später kamen. Das war das erste Mal, dass ich es beobachtet habe, wie Punks richtig populär wurden.

Da gab es Leute im Publikum, die dem Leadsänger so richtig verfallen sind und dachten, er sei ein gutes Vorbild für sie. Die sprachen wirklich zu einer Generation von Punks. Das wollte ich bei Sham 69 wirklich betonen, aber da gab es auch Darby Crash von The Germs, der einen sehr poetisch Style in seinen Texten hatte, der mich sehr inspirierte. Er zeigte mir, dass man gute Texte, ja sogar Poesie, mit der Provokation im Punk vereinen kann.

Zurück zu deinem Soloalbum. Vier Jahre sind seit der letzten Bad Religion-Platte vergangen. War dein Soloalbum vielleicht eine kleine Pause von den lauten Bühnen der Punkszene?

Ja, ein bisschen. Weißt du, ich spiele das Zeug von Zeit zu Zeit zuhause mit meinen Freunden, und Brett meinte, es würde eine nette Soloplatte abgeben. Da ich ein bisschen Zeit hatte, habe ich es gemacht und werde es wohl auch weiterhin in den Jahren tun, in denen ich genügend Zeit finde. So wie in 2006 eben.

Also der "Angry Old Man" hat noch nicht genug und ist bereit für weitere 30 Jahre Punkrock?

(Lautes Lachen) Oh, ich hab mich noch nie als "Angry Old Man" betrachtet. Ich denke manchmal verwechseln die Leute das. Wenn man sie provozieren will und über ernste Dinge redet und dabei ein Haufen von Dingen in Frage stellt, heißt das nicht dass man böse ist. Man ist nur leidenschaftlich. Also ich will lieber als leidenschaftlicher alter Mann angesehen werden (lacht). Und zu den 30 Jahren: Ich weiß nicht ob ich dann noch singen kann (lacht).

Die Texte von "Empire Strikes First" waren ziemlich direkt gegen Bush und seine Kriegspläne gerichtet. Songs wie "Let Them Eat War" waren ganz und gar nicht kryptisch, sondern eher Punkrock für jedermann. Sogar Leute wie ich, deren Muttersprache nicht Englisch ist, konnten ziemlich leicht verstehen, für was die Texte standen. Ist von dieser Kritik noch etwas in "New Maps Of Hell" enthalten?

Mit diesem Album haben wir versucht, ein metaphorisches, wenn auch sehr hartes Punkrock-Album zu schaffen. Wir wollten es sehr aggressiv haben, und unser klassischer Bad Religion-Style ist es nun mal, metaphorisch zu texten. So sind wir ein bisschen künstlerischer und nicht so geradeheraus wie bei "Empire Strikes First".

Ist Bush ein Thema, das euch nicht mehr interessiert, oder wolltet ihr einfach nicht diejenigen sein, die die Hymnen für die wütenden Massen produzieren?

Nein es ist künstlerisch gesehen einfach nicht mehr interessant, den Krieg zu kritisieren, weil der totale Reinfall sich so offensichtlich zeigt. Wenn Dinge sich zu Niederlagen entwickelt haben, ist es wirklich bescheuert, sie weiterhin zu kritisieren. Dann ist es einfach künstlerisch und gesellschaftlich nicht mehr interessant. Zu der Zeit als "Empire Strikes First" heraus kam, gab es keine Kritik. Es kam im selben Jahr heraus, als wir den Irak bombardierten. Zu diesem Zeitpunkt war es noch nicht klar, dass es so ein Reinfall werden würde, und daher wollten wir sehr wortgewaltig unsere Opposition verdeutlichen. Jetzt, wo es so eine Niederlage, so ein Albtraum ist, bedarf es keines weiteren Kommentars von unserer Seite, da jeder weiß, dass wir von Anfang an dagegen waren.

Pink ist mit ihrem Anti-Bush Song in den Charts, und sogar Linkin Park entdecken ihre politische Seite. Kaufst du ihnen das Engagement ab, oder denkst du, das ist nur ein weiterer Weg, mehr Alben zu verkaufen?

Erinnerst du dich noch, wie ich mein letztes Statement einläutete? Ich habe gesagt, dass es künstlerisch einfach nicht mehr interessant ist. Und du hast gerade zwei Künstler erwähnt, die künstlerisch eben einfach nicht interessant sind. Und so finde ich, hast mein Argument mit deiner Frage geradezu unterstrichen. Es sind Bands wie diese, weißt du, sie haben so lange gebraucht, um einen Kommentar zum Krieg abzugeben, das ist künstlerisch einfach nicht mehr interessant.

In Bad Relgion aufgewachsen

Wie du vielleicht weißt, ist an diesem Wochenende der G8-Gipfel hier in Deutschland. Die ganze Region um den Veranstaltungsort ist ziemlich in Aufruhr, überall Aktivisten und Polizei. Bono und Geldof (Greg fängt an zu lachen) sind überall im Fernsehen ...

Das ist völlig egal, die sind immer da wo die Action ist...

Sogar dein Buddie Campino ist dabei, wenn es darum geht, für Schuldenerlass und Umweltschutz zu kämpfen. Ihr könntet euch wahrscheinlich nicht als solche politischen Aktivisten vorstellen?

Nun ja, unsere Songs waren immer philosophisch, akademisch und auf Probleme ausgerichtet. Ich glaube, es waren die Hippies, die dafür berühmt waren, auf die Straße zu gehen und zu marschieren und dabei nicht zu wissen, warum sie auf die Straßen gingen. Es ist für mich einfach nicht interessant zu demonstrieren, es sei denn, ich bin mir absolut im Klaren, was das konkrete Problem ist. Es ist viel wichtiger, mit einer soliden, philosophischen Grundlage zu mobilisieren und zu aktivieren, denn dann wirst du niemals so enden, dass es so aussieht, du würdest nur Profit aus dem Moment in den Medien schlagen. Daher engagiere ich mich bei Themen, die mich betreffen, einfach nur, indem ich Texte schreibe und versuche, die Leute mit der Musik zu erreichen. Ich denke, es ist großartig, dass die Leute stark genug empfinden, um gegen den G8-Gipfel zu demonstrieren, auch wenn es mir nicht ganz klar ist, für was sie damit kämpfen.

Bist du der Ansicht, da seien schon genug Leute, die in das selbe Horn blasen. Da brauchst du nicht auch mit dem Finger drauf zeigen ...

Nein, es gibt immer noch genauso so viel Grund, mit dem Finger auf Dinge zu zeigen. Es stellt sich nur die Frage, wie wir am wirkungsvollsten vorgehen. Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Teilnehmer des G8-Gipfel anerkennen sollten, dass ein Haufen Widerstand gegen ihre Pläne existiert. Ich weiß nicht ob, das Randalieren auf den Straßen es vollbringen wird, aber es ist eine Stimme, um sie wissen zu lassen, dass es andere Leute gibt, die man beachten sollte, wenn es um ihre Gesetzesentwürfe geht. In dieser Stufe meines Lebens bin ich sehr an der Gesetzgebung interessiert und ich glaube, ich kann am besten helfen, indem ich weiterhin meine Vorlesungen als Professor an der UCLA halte und in informellen Reden und mit meiner Musik meiner Meinung Ausdruck verleihe. Ich denke daher, dass es immer noch sehr wichtig ist, sich mit diesen Problemen intensiv auseinander zu setzen.

Du hast deine Arbeit als Wissenschaftler erwähnt. Was denkst du über die ganze Klimawandel-Debatte. Befasst du dich damit als Professor?

Ich unterrichte eine große Klasse, meistens Doktorenanwärter. Mein Fach heißt "Evolution And Diversity Of Life", und da ist das Klima offensichtlich ein wichtiger Faktor bei der Evolution und der Biodiversität. Wir reden im Unterricht ein bisschen über die unterschiedlichen Klimata in der Geschichte der Erde. Es ist aber zurzeit ein politisch sehr aufgeladenes Thema, und von daher wäre das Schlimmste, was ich als Professor machen könnte, zu politisch zu sein. Ich versuche einfach, ihnen die wichtigen Werkzeuge und das wichtige Wissen zu vermitteln, so dass sie sich damit eine eigene Interpretation der Sachlage verschaffen können.

Natürlich wird jeder vernünftige Mensch, falls ihm die Daten zu Verfügung stehen, einsehen, dass der Mensch bei der Klimaerwärmung seinen Teil beiträgt. Das ist etwas, was man zu bedenken hat, wenn man an eine nachhaltige Zukunft glaubt. Das ist aber wiederum ein moralisches Problem, und jeder hat eigene Meinungen bezüglich Nachhaltigkeit. Aber wenn du mich persönlich fragst, ist es immens wichtig, unseren Kindern zu lehren, was es heißt, nachhaltig zu denken. Ich unterrichte meine Studenten ja auch nicht so wie ich zu meinen Kindern spreche.

Zurück zu eurem neuen Album. Ihr benutzt an mehreren Stellen christliche Sinnbilder. Ist dies eine Reaktion auf die religiöse Bewegung in den USA, oder ist es nur ein künstlerisches Wohlbefinden, eine Präferenz bezüglich der Klang der Worte, der euch zu diesem Schritt bewegte.

Die Struktur der westlichen Zivilisation ist aus einer christlichen Mythologie gesponnen, und somit ist es einfach logisch, christliche Bilder zu verwenden, wenn du Leute provozierst, zweimal über sie nachzudenken. Es war immer ein sicheres Ziel für uns, weil wir nun mal Bad Religion heißen (lacht). Das Phänomen ist also nicht nur auf unserm neuen, sondern auch auf unseren alten Scheiben zahlreich vorzufinden. Man kann das Vorschreiten des Christentums und die Entwicklung der westlichen Zivilisation einfach nicht trennen, da sie im Gleichschritt stattfand.

Also nichts Neues, sondern einfach der Weg den Bad Religion schon immer verfolgt hat. Absolut kein aktueller Bezug?

Amerika geht durch diese interessanten Perioden der Extreme der religiösen Rechten. Lustigerweise war es gerade, als Bad Religion als Band Anfang der 80er startete, dass die "Moral Majority" mit Jerry Falwell viel Aufmerksamkeit von Seite der Presse und viel Sendezeit im TV bekamen. Dann ebbte die Zuneigung ab, und erst jetzt mit der Bush-Ära kam dieser religiöse Fundamentalismus wieder zurück in die Medien. Es bedeutet aber nicht, dass Fundamentalismus dadurch beliebter wäre, er ist einfach nur mehr von den Medien beleuchtet. Das hat natürlich einen Einfluss auf die Aufmerksamkeit der Leute, und das stört die Vernünftigen unter uns. Aber interessanter Weise ist Jerry Falwell vor ein paar Wochen gestorben, und die Bush-Regierung bereitet sich darauf vor, mit dem unbeliebtesten Präsidenten der Geschichte abzutreten. Daher hoffen wir, dass diese Entwicklung nicht lang anhalten wird und nur eine dieser Medien-Entdeckungen bleibt.

Würdest du mir zustimmen, wenn ich sage, dass "New Maps Of Hell" über mehr Introperspektive als seine Vorgänger verfügt?

Nicht als "Process Of Belief" aber sicherlich über mehr als "Empire Strikes First". Es ist ein bisschen mehr metaphorisch, philosophisch ...

... also ein Schritt zurück zu den Wurzeln?

Ja, das Cover sieht ein bisschen wie das von unserem ersten Album aus, und auch der Titel ist eine Anspielung auf "How Can Hell Be Any Worse", das zusammen mit dieser Wiederkehr des religiösen Fundamentalismus zeigt, dass wir uns noch nicht so weit vom Thema entfernt haben. Wir sind in Bad Religion aufgewachsen, seit wir Teenager sind, und kommentieren immer noch, hoffentlich geschickter, als bessere Songwriter und als erfahrenere Menschen. Hoffentlich wird dieses Album Punk-Fans zufrieden stellen, weil es den Geschmack unserer ersten Schritte trägt, wir die Dinge jetzt aber klarer sehen können.

Nach diesen fast 30 Jahren Punkrock, was sind eure Ziele, was wollt ihr als Band noch erreichen?

Ich weiß nicht wirklich, wie ich diese Frage beantworten soll. Ich setzte mir sicherlich Ziele für das menschliche Wesen, das ich bin. Ich will über ein bestimmtes Thema ein Buch schreiben, ich würde gerne arbeiten und in der Weise so produktiv bleiben dass ich ein Dach über dem Kopf finanzieren kann. Das sind so die Ziele der nahen Zukunft, die ich anpeile. Es ist einfach mein Weg zu leben, und es liegt in meiner Natur, nicht richtig zu planen. Ich mache das automatisch, und wenn ich mir konkrete Ziele setzten würde, fürchte ich, würde es nur zu einer großen Enttäuschung führen. Ich bin sehr glücklich wenn ich die nächsten, sagen wir mal zwei Monate umreißen kann.

OK, die nächsten zwei Monate mache ich mit Bad Religion so und so viele Shows. Hoffentlich mit Leuten, die uns sehen wollen und Tickets kaufen, und nach diesen zwei Monaten schauen wir dann, wie wir uns fühlen. Wie du vielleicht weißt, gehen wir diesen Sommer auf die "Warped Tour", im Herbst werden wir unsere Situation analysieren und schauen, wo wir stehen. Um aber weiterzumachen, brauchen wir neue Musik, und das motiviert uns, zu versuchen, gute Alben zu machen und die Begeisterung hervorzurufen, wie wir es mit ein paar von unseren Klassikern geschafft haben.

Du kannst dir also nicht vorstellen wie ein "Honest Goodbye" von Bad Religion aussehen könnte?

(Lacht)Genau! Wir haben versucht, ein Gerücht zu inszenieren "Honest Goodbye" wäre unser letzter Song (lacht), aber jetzt weiß, jeder dass es Teil eines neuen Albums ist, das uns durch die nächsten zwei Jahre begleiten wird.

Wie bringst du dein Leben als Professor und das Leben eines Rockstars unter einen Hut?

Das ist interessant, weil ich mindestens drei Monate körperlich in Los Angeles anwesend sein muss. Da aber Januar, Februar und März Monate sind, in denen Bad Religion nicht oft auf Tour geht, überlappt der Unterricht nicht wirklich mit dem Tourleben. Ideologisch ist es für mich nicht schwer, dazwischen hin und her zu wechseln. Da ich glaube, dass ich meine Hörerschaft bei einer Vorlesung genauso begrüße wie das Publikum bei einem Konzert. Mein vorrangiges Ziel ist dabei, ein paar Ideen auszutauschen, die die Hörer dazu bewegen, über bestimmte Dinge nachzudenken. Oder sie dazu zu provozieren, in Frage zu stellen, was man ihnen beigebracht hat. Das Ziel bei der Musik und in der Wissenschaft ist also ähnlich, der Stil ist natürlich grundverschieden.

L.A. ist die Hölle auf Erden

Obwohl du erwähnt hast, dass die meisten, die bei dir in der Vorlesung sitzen, den Doktor machen wollen und daher schon erwachsen genug sein sollten - glaubst du, es gibt da auch ein paar Kerle, die nur kommen um später zu erzählen, dass sie Schüler von Greg Graffin waren?

(Schon während ich die Frage formuliere, kann sich Greg das Lachen nicht verkneifen)

Weißt du, was lustig ist? Wenn du mir deine E-mail Adresse gibst, schick ich dir einen Artikel zu, der genau diese Frage behandelt. Die haben dabei auch ein paar meiner Studenten interviewt. Manche von ihnen waren überhaupt nicht über Bad Religion informiert, andere waren total geschockt.

Auf eurer letzten CD singt ihr "And the hills of Los Angeles are burning", das neue Cover zeigt L.A., wie es nach einem solchen großen Feuer aussehen könnte, und die Jungs von Strung Out haben ihr neues Album " Blackhawks Over Los Angeles" getauft ...

Erstaunt und gleichzeitig belustigt: Ach wirklich!

Warum muss es immer die Stadt der Engel sein, die zum Schauplatz der Apokalypse gerät? Ist es diese "Paradies wird zur Hölle"-Masche?

Ein Teil davon sicherlich. Aber es ist der gewisse Mythos, denn jeder in Amerika denkt bei L.A. an Hollywood. Hollywood ist eine Ikone in der amerikanischen Kultur, die die Reichen und Schönen repräsentiert, und das ist, wonach jeder Amerikaner strebt. Es ist ein sehr einflussreiches Image in allen Staaten, und von dem her hält es gut als Metapher hin. Für die Leute aber, die dort leben ... (lacht) ... ist es die Hölle auf Erden. Nichts funktioniert wirklich, es gibt keine öffentlichen Verkehrsmittel, überall sitzen benzinfressende Autos auf den Highways fest, und du brauchst eine Stunde um zehn Meilen voranzukommen. Es ist einfach die Definition einer ausufernden Stadt. Millionen von Menschen ausgebreitet über eine unglaublich große Fläche. Diese Dualität macht es zu einem geographisch höchst wichtigen Teil von Amerika.

Jeder, der die amerikanische Geschichte studiert und sagen wir mal nur New York in Betracht zieht, wird ein sehr einfaches Bild von Amerika bekommen. Aber wenn du nach L.A. gehst, siehst du alle Kulturen und Rassen. Alle Immigranten gehen mittlerweile durch L.A., und so gibt es Viertel von jeder ethnischen Gruppe des Globus. Und so ist es ein modernes Beispiel für die Herausforderungen, mit denen die Gründerväter des Landes konfrontiert waren. Ein Land für jede Art von Immigrant. Es ist vielleicht zu früh, das ultimative Schicksal von L.A. zu bestimmen, aber wenn man die großen Waldfeuer bedenkt die jedes Jahr passieren, die Aufstände, die Überflutungen und die Landflucht, dann sieht es wirklich wie ein apokalyptischer Ort aus.

Warum in aller Welt wohnst du dann da?

(Lacht) O.K. es gibt auch gute Dinge daran. Gute Universitäten, wirklich nette Leute, ich schätze die ethnische Abwechslung sehr. Natürlich habe ich dort meine Familie und Freunde, aber eines meiner Häuser ist hier in Upstate New York, und ich genieße das schon auch.

Immer gut, eine solche Insel zu haben. Einmal hab ich gelesen, wie du Berlin mit L.A. verglichen hast. Du konntest sogar ein paar Parallelen zwischen den Städten sehen. Welche Parallelen oder auch Unterschiede siehst du generell zwischen Deutschland und den USA?

Deutschland scheint die Dinge zu kontrollieren, über die Amerika gern die Kontrolle hätte. Was ich schon früher angesprochen habe: Massentransit, das Bundesstraßensystem, das ihr mit der Autobahn habt und das wir auch wollten, funktioniert in vielen der großen Städte einfach nicht. Die Parallelen sind, das beide als landwirtschaftlich geprägte Staaten starteten und nun mit sehr industrialisierten Menschen und einer hohen Produktivität ausgezeichnet sind. Das sind ein paar der offensichtlichsten Parallelen, und natürlich wurde unser Land auch von Deutschen, Italienern und Iren bevölkert. Und daher bestehen auch starke kulturelle Bindungen.

Ich hoffe es stört dich nicht, dass wir so viel über Politik und so wenig über Musik geredet haben ...

Oh nein es stört mich nicht. Die Wahrheit ist, ich mag Politik nicht wirklich, ich mag keine Politiker. Ich glaube die meisten von ihnen sind nur daran interessiert, berühmt zu sein. Ich mag aber philosophische Diskussionen, und ich mag es, über Erziehung und gesellschaftlich wichtige Themen zu diskutieren.

Vielen Dank für das Interview

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