30. Juli 2014

"Rick Rubin trägt keine Schuhe"

Interview geführt von

Nach vier Jahren und drei veröffentlichten Soloalben präsentiert sich das australische Geschwister-Duo Angus & Julia Stone ab August mit ihrem selbstbetitelten neuen Album endlich wieder als Einheit.

Angus und Julia Stone verbrachten zwei der vergangenen vier Jahre jeweils in ihren eigenen musikalischen vier Wänden. Während dieser Zeit entstanden insgesamt drei Soloalben. Erst Anfang 2013 näherten sich die beiden Geschwister wieder langsam an. Der Grund dafür hatte einen Namen: Rick Rubin. Doch wie entstand der Kontakt zum Meister der Regler? Wie wars in den heiligen Shangri La-Hallen? Und überhaupt: Ist jetzt wieder alles gut im Hause Stone? Wir trafen Angus und Julia in Berlin und fragten nach.

Hi ihr zwei, Anfang August erscheint euer erstes gemeinsames Album seit 2010. Wie fühlt es sich an wieder gemeinsam zu Werke zu gehen?

Angus: Bisher fühlt es sich toll an (lacht).

Julia: Ja, absolut. Wir brauchten zwar eine Zeit um wieder eine Einheit zu werden, aber irgendwann war die Magie wieder da.

Warum hatte sich die Magie überhaupt verabschiedet?

Julia: Das ist eine gute Frage. Ich denke, dass wir nach unserem letzten gemeinsamen Album einfach gemerkt haben, dass wir eine Veränderung brauchten. Wir hatten zwar keine kreative Blockade, aber irgendwie war da plötzlich der Wunsch nach Eigenständigkeit und mehr Freiraum. Wir haben uns auch nicht gestritten oder Ähnliches. Dieses Gefühl war einfach da – bei uns beiden. Also haben wir uns noch mal geknuddelt und sind dann in verschiedene Richtungen gegangen.

Nach drei Soloalben habt ihr euch dann wiedergefunden. Wie kam es zu der Rückbesinnung?

Angus: Das war irgendwie ähnlich. Wir hatten einfach wieder Lust, miteinander Musik zu machen.

Julia: Naja, ganz so einfach war es dann doch nicht.

Angus: Nicht?

Julia: Wir hatten das Duo-Kapitel eigentlich schon abgeschlossen. Sag bloß, du erinnerst dich nicht mehr?

Angus: Oh doch, jetzt wo du es erwähnst (lacht).

Julia: Quatschkopf! Naja, egal. Wir haben auf jeden Fall viel Zeit gebraucht um uns musikalisch wieder aufeinander einzulassen. Irgendwann passte es aber wieder.

Dank Rick Rubin?

Julia: Rick hatte definitiv einen großen Anteil daran. Er ist so ein guter Mensch.

"Mein Mund war ganz trocken und meine Beine zitterten"

Wie kam überhaupt der Kontakt zustande?

Julia: Er kam irgendwann auf mich zu und sagte mir, dass er unsere Musik entdeckt hätte und begeistert wär. Das war schon ziemlich bizarr. Ich meine, wir reden hier ja nicht über irgendeinen Produzenten, sondern über DEN Produzenten schlechthin. Danach kann ich mich nur noch erinnern, wie wir beide das erste Mal in seinem Garten vor dem alten Tourbus von Bob Dylan standen (lacht).

Angus: Ich auch. Das war unglaublich. Und dann all diese Obstbäume links und rechts ...

Julia: Sein Studio-Anwesen ist wirklich unbeschreiblich. Man spürt überall den Geist all der großartigen Künstler, die dort in der Vergangenheit ihre Platten aufgenommen haben. Und plötzlich läuft man da selber rum.

Angus: Es ist aber nicht nur die Magie von Shangri La sondern auch und vor allem die Aura von Rick Rubin, die uns geplättet hat. Dieser Mann hat in seinem Leben schon mit Leuten wie Johnny Cash, Bob Dylan und Paul McCartney gearbeitet. Er verhält sich aber nicht so. Er rennt in Shirt und Shorts durch die Gegend. Er trägt fast nie Schuhe und redet mit einem, als hätte er noch nie zuvor ein Album aufgenommen.

Er wollte einfach alles wissen – woher wir kommen, wer wir sind, was wir wollen. Die Musik kam erst viel später. Zuerst geht es Rick um den Menschen. Das hat uns ziemlich beeindruckt. Als wir ihn das erste Mal gemeinsam trafen, sagte er uns, dass es nur um uns ginge. Sobald wir das Gefühl hätten, dass mit den Aufnahmen irgendwas nicht stimmt, könne man die ganze Sache ohne Probleme einfach sausen lassen. Das hat uns gleich zu Beginn viel Druck genommen.

Julia: Ich bin eigentlich selten nervös. Kurz bevor ich ihn das erste Mal sah, fühlte ich mich aber, als würde ich meinen Freund nach langer Zeit mal wieder sehen. Es war total seltsam. Mein Mund war ganz trocken und meine Beine zitterten. Dann kam er um die Ecke, lächelte und alles war wie weggeblasen.

Hattet ihr bereits fertiges Material dabei? Oder sind die Songs des neuen Albums erst im Beisein von Rick Rubin entstanden?

Julia: Das Grundpaket war schon fertig.

Angus: Wir waren zuvor drei Wochen in einem kleinen Studio, wo wir die Basics aufgenommen haben. Mit Rick haben wir dann am Feinschliff gearbeitet.

Musikalisch hat sich meiner Meinung nach nicht viel verändert. Dennoch klingt euer neues Album irgendwie anders. Die Stimmung hat was von einem Debütalbum. Empfindet ihr das auch so?

Julia: Ja, da ist was dran. Ich glaube, dass vor allem die Art und Weise, wie wir diesmal gearbeitet haben, dafür verantwortlich ist, dass die Songs eine neue Frische transportieren.

Was lief denn diesmal anders?

Angus: Diese drei Wochen im Studio waren komplettes Neuland für uns. Früher kam ich mit meinen Songs an und Julia präsentierte mir ihre. Diesmal hatten wir vorher nichts. Wir betraten also dieses Studio, stöpselten unsere Gitarren ein und legten einfach los.

Julia: Das war zum ersten Mal ein richtiges musikalisches Miteinander. Wir arbeiteten erstmals gemeinsam an Songideen. Das war einerseits zunächst befremdlich, auf der anderen Seite aber auch unheimlich befreiend. Ich erinnere mich noch, wie wir nach zwei Tagen zusammensaßen, uns grinsend anguckten und uns fragten, warum wir das nicht schon früher so gemacht haben.

"Schlafen können wir auch später noch"

Ärgert ihr euch im Nachhinein darüber?

Julia: Nein, nicht wirklich. Ich denke, dass dafür einfach ein Prozess nötig war. Die Musik kann sich nicht verändern, wenn sich die Künstler nicht entwickeln. Wir brauchten einfach unsere Zeit, um an diesen Punkt zu kommen. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass unsere neuen Songs so frisch und unbelastet klingen würden, wenn wir einfach da weitergemacht hätten, wo wir vor unserer Trennung aufgehört haben.

Wie ist so das als Geschwister-Paar? Hilft die familiäre Bindung bei einem derartigen Neuanfang? Oder macht sie den Prozess eher schwieriger?

Julia: Gute Frage. Man sollte meinen, dass es einfacher sein müsste, oder? Was meinst du, Angus?

Angus: Schwer zu sagen.

Julia: Ich denke schon, dass es uns geholfen hat. Ich meine, wir kennen uns seit wir Denken können. Wir lieben uns. Wir sind Bruder uns Schwester. Das hat sich auch während der Zeit, in der wir beide getrennt und Solo unterwegs waren, nicht geändert. Diese Verbindung kann man nicht kappen. Wären wir nur Kollegen oder Freunde gewesen, dann hätte die Solo-Zeit sicherlich größere Risse hinterlassen.

Angus: Das glaube ich auch. Ich meine, wir gehen uns manchmal gegenseitig auch tierisch auf die Nerven. Das war früher so und das ist heute nicht anders. Wir kommen aber auch immer schnell wieder zusammen. Wir sind ehrlich miteinander. Das ist der Schlüssel.

Julia: Wir nehmen kein Blatt vor den Mund, wenn wir uns in die Haare kriegen (lacht).

Angus: Ja, das stimmt. Aber wo man unter Freunden vielleicht irgendwann eine Grenze zieht, lassen wir alles raus. Das ist zwar manchmal anstrengend, schmerzhaft und traurig, aber auch wichtig. Ich habe beispielsweise nie das Gefühl, dass ich aus irgendeinem Streitgespräch mit meiner Schwester nicht alles mitnehme. Wir öffnen uns immer komplett.

Julia: Das beschränkt sich aber nicht nur aufs Streiten. Wir teilen uns auch die schönen Gefühle ungefiltert mit.

Die in diesen Tagen hoffentlich überwiegen, oder?

Julia: Ja, absolut (lacht). Es fühlt sich toll an, wieder gemeinsam unterwegs zu sein. Ich hätte nicht gedacht, dass wir so schnell wieder an diesen Punkt kommen. Wie ich schon sagte, eigentlich war die Tür zu, das Duo-Kapitel war geschlossen. Jetzt sitzen wir hier ganz entspannt und voller Vorfreude hier mit dir in Berlin und reden über ein Album, auf das wir beide unheimlich stolz sind. Das ist schon toll.

Angus?

Angus: Ja, sorry. Ich höre zu. Ich bin nur etwas müde, daher die zugekniffenen Augen (lacht).

Julia: Ich war schon lange nicht mehr so gerne so müde. Das nehme ich alles ohne zu Murren in Kauf. Schlafen können wir später auch noch.

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