10. Februar 2010

"Wacken war der Wahnsinn!"

Interview geführt von

Als ich zum Airbourne-Interview Mitte Januar nach Köln fahre, ist es arschkalt und der Winterdienst kommt mit seinen Räumarbeiten kaum hinterher. Kurz bevor ich im Roadrunner Büro ankomme, erreicht mich noch die Anfrage der Promoterin, ob ich es denn rechtzeitig schaffen würde, weil mancher Kollege schon deutliche Verspätung angekündigt hat. Die Frage erübrigt sich, als ich mit dem Kaffee in der Hand darauf warte, dass mein Vorgänger die O'Keefe-Brüder entlässt und ich mich den beiden widmen kann.

Auch ohne größere geographische Kenntnisse dürfte klar sein, dass in Australien gerade der Hochsommer herrscht und man dort – wenn man giftige Quallen, Rochen, Schlangen, Spinnen und Haie mal außer Acht lässt – gemütlich am Strand in der Sonne braten könnte. Deswegen liegt die erste Frage, die ich Ryan und Joel stellen muss auch quasi auf der Hand:

Was denkt ihr: wie sehr hasst euch euer Label, dass die euch im tiefsten Winter hierher nach Deutschland schippern?

(Beide lachen)

Joel: Was ich gehört habe, ist es auch nicht ganz normal, was dieses Jahr wettertechnisch bei euch abgeht. Aber das gleiche gilt für Australien. Wir haben da den heißesten Sommer seit Ewigkeiten und es soll noch heißer werden. Also ist es da auch nicht gerade sonderlich angenehm. Das Wetter dreht so langsam aber sicher vollkommen am Rad.

Ihr seht etwas mitgenommen aus. Haben sie euch so früh aus den Federn geworfen?

Joel: Naja, es geht. Wir sind noch ziemlich jetlagged. Wir sind noch nicht lange hier, und da steckt einem die Zeitumstellung ziemlich in den Knochen.

Ihr fliegt in den nächsten Tagen nach Vancouver weiter, um für die Mötley Crüe-Tour zu proben ...

Ryan: Genau, wir proben da für die Mötley Crüe-Tour und werden dann auch das neue Album entsprechend einproben, für unsere eigene Headlinertour. Aber das ist schon der nächste Ort, an dem es beschissen kalt sein wird. Verdammt, wir hätten echt bis in den Frühling warten sollen (lacht). Aber was soll's, wir proben da und den Rest der Zeit sitzen wir eben in irgendwelchen Kneipen rum. Da isses auch warm.

Ihr habt für "No Way But The Hard Way" ein Video gedreht. Was haben wir denn zu erwarten?

Ryan: Gute Frage, wir haben es selbst noch nicht gesehen (lacht). Das wird gerade noch geschnitten, und was im Endeffekt dabei rauskommt, wissen wir selber noch nicht. Gedreht wurde jedenfalls auf einem Gebäude in L.A. Bin mal gespannt, was dabei rauskam.

Für das letzte Album habt ihr ja sogar mit Lemmy gedreht.

Joel: Yeah, das war für den Titeltrack "Runnin' Wild". Er hat den Truck gefahren, in dem wir gespielt haben. Das war ne ganz coole Sache. Hier auf dem Cover der neuen Scheibe ist er auch mit drauf. Siehst du? Der Kerl in dem Truck. Auf dem Cover siehst du lauter Anspielungen auf unsere Songs. Sowohl von der ersten, als auch von der aktuellen Scheibe.

Ryan: Da ist sogar die Gitarre mit den Einschusslöchern drauf und lauter andere, kleine Sachen. Da kann man sich ne Weile mit auseinandersetzen und Bilderrätsel spielen (lacht).

(Außerdem sieht man auch einen muskulösen, durchtrainierten Joel, der die Klampfe in die Luft reckt. Was nicht ganz mit dem mir gegenüber sitzenden Spargeltarzan übereinstimmt) Wie ich sehe habt ihr dem Zeichner des Covers viel künstlerischen Spielraum gelassen.

Joel: Hey, ich hab das Ding ja nicht gezeichnet! Allerdings finde ich, dass der Mann einen seeeehr guten Job gemacht hat (lacht).

"Wir sind die Rock'n'Roll-Zigeuner"

Ne, is klar. Was würdet ihr sagen, ist "No Way But The Hard Way" sowas wie die Kernaussage des Albums?

Joel: Das war jedenfalls etwas, was wir immer sagten, als wir noch zusammen in Melbourne in einem Haus gelebt haben. Wir haben da weitgehend von der Wohlfahrt gelebt, uns von ganz üblem Zeug ernährt und nur darauf hingearbeitet, mit der Band den Durchbruch zu schaffen. Wir haben geprobt bis zum Umfallen, uns den Arsch aufgerissen, um irgendeinen Gig an Land zu ziehen. Wir haben jeden Scheiß durchgemacht, nur um die Band aufzubauen und es wurde erst mal immer schlimmer, bevor es besser wurde. Aber wir haben uns immer gesagt: "Fuck it! There ain't no way but the hard way!" Wir müssen die Sache einfach am laufen halten und das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Dann wird sich alles irgendwann auszahlen. Du kommst nicht um irgendwas drum rum, drüber weg oder unten durch. Du musst genau durch die Mitte und dann eben auch Scheiße fressen. Wir haben das immer als Durchhalteparole genommen. No way but the hard way! Allein von daher ist es schon so was wie ein gewisser Unterton des ganzen Albums. Für uns hat es jedenfalls eine immens hohe Bedeutung und ich denke, auch für viele unserer Fans.

Wie viel Zeit verbringt ihr denn auf Tour?

Joel: Letztes Jahr so etwa 365 Tage (lacht) Wir haben auch kein Zimmer mehr in Australien. Wäre auch ziemlich dämlich, für ein Zimmer Miete zu zahlen, das wir nie zu Gesicht bekommen. Wir sind so was wie Rock'n'Roll-Zigeuner. Wir leben auf der Straße und schlagen unsere Zelte nur da kurz auf, wo wir spielen.

Also Heimweh dürfte bei euch nicht wirklich aufkommen, oder?

Joel: Da wir jetzt so oft in Deutschland waren und hier jedes Mal eine coole Zeit hatten, bekommen wir höchstens mal Heimweh, wenn wir von hier weg sind (lacht). Vor allem das gute Bier vermissen wir dann wie Hölle! Man bekommt ja sonst kein gutes Bier, egal wo man unterwegs ist.

Habt ihr denn ne Lieblingssorte?

Ryan: Ich mag Bitburger sehr gern.

Joel: Ja, und Kölsch.

Ihr wisst schon, dass ihr euch gerade als Bierkenner disqualifiziert habt, oder?

Ryan: Wieso denn? Du musst das auch immer im Vergleich zu dem Zeug sehen, was du in den Staaten oder in Australien vorgesetzt bekommst. Was trinkst du denn?

Jever!

Joel: Sagt mir gar nichts. Wir schreibt man das? Muss ich bei Gelegenheit mal antesten. Aber das tolle ist ja, dass es hier so viele unterschiedliche Biersorten gibt, die man alle mal antesten kann. Vor allem in Bayern weiß man gar nicht, was man zuerst trinken soll.

Lassen wir die Sauferei erst mal liegen und kommen wieder zu eurem Album. Das habt ihr the good old way aufgenommen. Nämlich alles live eingespielt und analog aufgenommen.

Joel: Stimmt. Johnny, unser Produzent, hat mit uns ein paar Tests gemacht. Wir haben zuerst versucht, die Songs digital aufzunehmen, wo jedes Instrument nach dem anderen eingespielt wird. Das haben wir bei unserem Debüt auch so gemacht und alles war cool. Wir haben auch dieses Mal einen entsprechenden Testlauf gestartet und zuerst digital aufgenommen und dann eben auch analog. Und die Digitalaufnahme hat gegen die analoge definitiv abgestunken.

Ryan: Auf jeden Fall. Analog ist zwar zeitaufwändiger und ein wenig anstrengender, weil du eben ein paar Takes brauchst, bis du den richtigen hast. Aber wenn du den erst mal hast, dann hat sich der Aufwand definitiv gelohnt.

Im Waschzettel steht, dass ihr in dem Studio die kompletten Aufnahmen über eingezogen seid.

Joel: Genau, wir haben da gelebt, geschlafen, gekotzt, alles!

Klingt ja gemütlich …

Ryan: Klar, wie daheim. War schon witzig, wenn man stockbesoffen durch das Studio wanken musste, aus Versehen diverse Mikros umwirft, sie ganz falsch wieder aufbaut aber dem Produzenten nichts davon sagt, weil man sich nicht zum Affen machen will …

Der hatte euch richtig gern, nicht wahr?

Joel: Oh ja, und wie! Das Studio war nicht sonderlich geräumig, aber wenn du nüchtern warst, bist du da auch gut durchgekommen. Wenn du allerdings besoffen warst und um sechs Uhr morgens heimkamst, dann war das ein Spießrutenlauf. Du hast dann so was wie eine Spur der Zerstörung hinter dir her gezogen und wenn du am später aufgewacht bist, dachtest du nur: "Scheiße, war ich das? Johnny wird mir den Arsch aufreißen!" Der kam dann immer rein, hat den Kopf geschüttelt, alles wieder aufgebaut und meinte nur: "Hier wird nichts so klingen, wie es das gestern tat."

Habt ihr im Studio noch ein paar Songs geschrieben oder ward ihr mit Songwriting schon durch, als es los ging?

Joel: Nein, wir haben im Studio noch vier Songs geschrieben, wovon drei letztendlich auf dem Album gelandet sind. Was mit dem vierten passiert, wissen wir noch nicht so genau. Vielleicht verwenden wir den irgendwann als Bonustrack.

"Wir wurden ständig gefeuert"

Ihr hängt also wirklich das ganze Jahr von früh bis spät miteinander rum.

Ryan: Yeah, one for all and all for one! Bevor "Runnin' Wild" auf den Markt kam, haben wir auch schon zusammen in eine kleinen Bude gewohnt und seitdem sitzen wir von morgens bis abends aufeinander. (lacht) Wir verbringen die meiste Zeit des Jahres in einem Tourbus und haben alle zusammen in einem Studio gelebt. Viel enger kannst du eigentlich gar nicht aufeinander sitzen. Aber das funktioniert bei uns. Wir sind alle wie Brüder. Klar gibt es da mal die ein oder andere Auseinandersetzung, aber da war bislang noch nie was Ernstes dabei.

Joel: Es gibt schon immer wieder kleine Streitereien, auch zwischen uns beiden hier. Aber wir unterbrechen deswegen nicht unbedingt ein Interview, um uns gegenseitig zu verprügeln.

Ryan: Wir könnten das aber!

Tut euch keinen Zwang an. Ich hol nur kurz meine Kamera. Ihr könntet ja mit einer kurzen Wrestling-Einlage anfangen.

Joel: Jahaha, das würde dir so passen.

Würde die Sache ungemein auffrischen. Aber wenn ihr nicht wollt … Ich hab vor ein paar Monaten mal die Wacken DVD von 2008 gesehen. Also du bei eurem Gig auf einmal die Lichttraverse hochgeklettert bist, müssen dich der Stagemanager und die Security doch bestimmt verflucht haben.

Joel: (Mit einem fetten Grinsen im Gesicht) Ich weiß, was du meinst. Aber die Security-Jungs fanden das im Endeffekt eigentlich ganz cool. Der Stagemanager allerdings wohl weniger (lacht).

Der hat wahrscheinlich schon nen Scharfschützen bestellt, um dich da wieder runter zu holen.

Joel: Jahaha, wahrscheinlich. Aber was soll er machen. Ich war schon auf halben Weg oben, ehe überhaupt jemand mitbekommen hat, was ich da mache. Der hat sich dann wohl auch gedacht: "Was soll's lasst ihn halt machen." Aber der Blick von da oben aus war der Wahnsinn. Ich hatte zwar die Hosen ganz schön voll beim Klettern, aber der Blick über das Festivalgelände war einfach der Hammer! Von der Bühne aus sieht man immer diese pulsierende Masse an Leuten, was ja schon allein beeindruckend ist. Aber von da oben hab ich wirklich das komplette Gelände mit Tausenden von Zelten auf den ganzen Wiesen im Blick gehabt. Egal, wohin ich geschaut habe: überall war das Festival! Ich hab mir echt gewünscht, eine Kamera dabei gehabt zu haben. Aber nein, ich musste ja diese Scheiß-Gitarre um den Hals haben (lacht). Es war jedenfalls ein riesen Spaß, aber man muss ganz schön aufpassen. Da oben ist es etwas windig.

Was war denn so der beeindruckendste Moment für euch, den ihr mit Airbourne bisher erreicht habt?

Ryan: Wacken war der Wahnsinn. Wacken ist so das erste, was mir einfällt. Aber wenn ich so darüber nachdenke: Hier und Jetzt! Ich meine, wir sitzen hier, unterhalten uns über unser neues Album, trinken ein paar Bier, planen die Tour, fangen mit den Proben an. Das ist einfach großartig. Wir machen genau das, wovon wir als Kids immer geträumt haben. Ich meine, wir haben schon drei Jahre, bevor unser Debüt rauskam, nichts anderes gemacht, als für und von der Musik zu leben. Viel hat sich seitdem nicht geändert. Mal davon abgesehen, dass wir länger auf Tour gehen können, in Ländern spielen, wo wir früher nie im Leben hingekommen wären und die Situation ein wenig angenehmer geworden ist. Wir müssen uns quasi keine Sorgen darum machen, ob das Geld bis zum Ende der Tour reicht, ob wir genügend Essen zusammen bekommen und wie wir das nächste Album finanzieren. Das ist für uns schon absoluter Luxus. Aber wir machen im Grunde immer noch dasselbe wie vor zehn Jahren. Wir leben für den Rock'n'Roll.

Macht ihr euch eigentlich Gedanken über das, was nach der Band kommt?

Ryan: Nope. Wir fallen einfach irgendwann tot auf der Bühne um.

Joel: Genau. Nein, was hast du denn davon, wenn du dir andauernd den Kopf darüber zerbrichst, was du in zehn oder in zwanzig Jahren machst? Das bringt dich nur schlecht drauf und blockiert dich auch. Das ist nichts für uns. Wenn du zum Bungee-Jump gehst, gibt es Leute, die stehen oben auf dem Turm, denken darüber nach, was passieren könnte. Was soll der Scheiß? Wenn du da oben stehst, dann spring einfach. Das ist unsere Devise. Wir machen es halt und denken nicht so viel darüber nach. Ich sage nicht, dass das die Allgemeinmedizin für jeden sein sollte, aber bei uns funktioniert es eben. Das ist es, was uns glücklich und zufrieden macht. Also warum was daran ändern? Wir haben früher ja tatsächlich versucht, irgendwelche Jobs nebenher zu machen, aber wir wurden ständig gefeuert (lacht). Das funktioniert einfach nicht. Wir spielen Rock'n'Roll, da denkt man nicht darüber nach, was die Zukunft bringt.

Ryan: Aus meinem letzten Job wurde ich gefeuert, weil ich Benzin in einen Mercedes getankt habe, der dummerweise ein Diesel war (lacht). Das Ding war total im Arsch. Ich bin damit noch 100 Meter von der Tankstelle weg gekommen, dann war die Karre im Eimer. Fuck, wer denkt denn, dass ein verdammter Mercedes Diesel tankt?

Na in Australien offensichtlich keiner …

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