laut.de-Kritik

Techno von atemberaubender Schönheit und Tiefe.

Review von

"Anima Mundi", das dritte Album des DJs und Producers Vril, erschien schon am 3. Februar 2017 im Zuge der Welttournee des Labels Giegling im New Yorker Knockdown Center als limitierte Kassette. Nun erscheint es offiziell in einer überarbeiteten und remasterten Variante via Delsin auf Vinyl und als Download. An der Zeitlosigkeit der Dub- und Ambient-Techno-Musik des Hannoveraners ändert sich aber nichts.

Zunächst laden in "Manium" kreisende Synthies, die im weiteren Verlauf des Tracks unter Hinzunahme dystopischer Ambient-Klänge die Spannung nach und nach steigern, zu einer Reise ins Ungewisse ein. Erst mit "Statera Rerum" kommt ein wenig Groove ins Spiel. Ein schwerer 4/4-Beat und ein stetes Rauschen, begleitet von sphärischer Elektronik und leicht noisigen Effekten legen die Fährte für den restlichen Verlauf.

Somit sagt sich Vril, der seinen bürgerlichen Namen geheim hält, von seinen wuchtigen Sound-Entwürfen der Vergangenheit größtenteils los und lotet dafür unabhängig von irgendwelchen Erwartungshaltungen und zeitgenössischen Trends mehr die Tiefen von Dub- und Ambient-Techno aus. Demzufolge bleiben geradlinige Club-Banger fürs Berghain eher die Ausnahme denn die Regel. Trotzdem wirkt keine einzige Sekunde dieses rund achtzigminütigen Albums zu langatmig.

Alleine "Riese" in der überarbeiteten Version, das sich dem von kraftvollen Bass- und Hi-Hat-Einschüben durchzogenen Titelstück anschließt, steht stellvertretend mit seinen verträumten Synthies für die unnachahmlichen melodischen Qualitäten des Hannoveraners, die er bisher nur selten so konkret in den Vordergrund gestellt hat. Dabei hat er es überhaupt nicht verlernt, mit hypnotischen Loops und einer erstaunlichen Fülle an klanglichen Feinheiten, die man zum Teil bewusst kaum wahrnimmt, eine nebulöse, geheimnisvolle Grundstimmung zu erzeugen, wie "Infinitum Eternis Anime" beweist, das an die Großtaten in den Neunzigern auf dem Basic-Channel-Label erinnert.

Den Einfluss dieser Plattenfirma auf die detailversessene Produktionsweise von Vril spürt man ohnehin in sämtlichen Tracks, zumal er zu Beginn dieser Dekade seine ersten musikalischen Gehversuche als Bedroom-Producer wagte. Geschickt platzierte, euphorische Höhepunkte, die für Abwechslung sorgen, setzt er dennoch immer wieder.

So besteht das Rework von "Haus" nur aus wenigen Loops, die sich miteinander tänzerisch verflechten, zusammengehalten von einem straighten 4/4-Bass. Anstatt mit seinen Arrangements künstlich in die Breite zu gehen, besinnt sich der DJ und Producer auf das Wesentliche: Effektivität. Ebenfalls äußerst zupackend fällt "In Via" aus, das eine immer wieder hervortretende, mitreißende House-Melodie kennzeichnet.

Dazwischen befindet sich im Herzen der Platte mit "Ilojim" eine behutsam aufgebaute Nummer, die mit sparsamen, synthetischen Gitarren-Tönen und sanften Klavier-Tupfern kontinuierlich an Intensität gewinnt, sich aber nicht entlädt. Dem Stück haftet deshalb etwas Unbehagliches an.

Da versprühen die deepen Dub-Texturen in "Spes" schon beinahe etwas Mildes. "Sine Fine" bildet mit seinen muskulösen Beats schließlich den Sturm vor der Ruhe. Es folgt mit "Iustus Est" eine mit dynamischen Loops gespickte Überleitung, die ins Innere weist. Wenn rituelle Rhythmen und ätherische Synthies in "Eos" miteinander meisterhaft verschmelzen, vergisst man tatsächlich alles um sich herum.

Doch der sichere Schein trügt. Am Ende verhallen ein leiser Bass und melancholische Ambient-Flächen in "Longius Astrum" im Nichts. Der Track beschließt das Album so ungewiss, wie es begonnen hat. Vril lässt seinen Hörern genug Raum, es mit Eigenleben zu füllen.

Mit dieser zwischen An- und Entspannung stets hin- und herpendelnden Platte kommt er endgültig bei sich selbst an. Er bündelt auf "Anima Mundi" seine produktionstechnischen und kompositorischen Stärken und Eigenheiten zu einem Gesamtkunstwerk von atemberaubend-technoider Schönheit, das sich zu den Klassikern des Genres gesellt - qualitativ auf gleicher Augenhöhe mit den Pionierarbeiten auf Basic Channel.

Trackliste

  1. 1. Manium
  2. 2. Statera Rerum
  3. 3. Anima Mundi
  4. 4. Riese
  5. 5. Infinitum Eternis Anime
  6. 6. Haus
  7. 7. Ilojim
  8. 8. In Via
  9. 9. Spes
  10. 10. Sine Fine
  11. 11. Iustus Est
  12. 12. Eos
  13. 13. Longius Astrum

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