laut.de-Kritik

So durchschaubar wie die Wäsche von Micaela Schäfer.

Review von

Als hätte der gute Xavier Naidoo in diesem Jahr nicht schon genug Schaden angerichtet, trommelt er pünktlich zur Vorweihnachtszeit noch mal all seine "Sing Meinen Song"-Kollegen zusammen, um genau das zu tun, was nimmersatte Business-Größen nun mal so tun, wenn sie zum Jahresende so richtig abkassieren wollen. Naidoo, Gabalier, Nasic und Co nehmen also ein Weihnachtsalbum auf.

Was soll man sich aufregen? Das alljährliche Fingerschnippen unterm Tannenbaum, veredelt mit den Stimmen von Hinz und Kunz, kann man nun mal nicht aufhalten. Weihnachtsalben gehören zum musikalischen Jahrespaket einfach dazu wie das schmierige Grinsen eines Sepp Blatter zur WM-Pokal-Übergabe. Und genauso wie die hochgezogenen Mundwinkel des alternden Fifa-Chefs präsentiert sich zumeist auch der Inhalt fast jedes Weihnachtsalbums: nämlich aufgesetzt, leblos und getrieben von der Gier nach Aufmerksamkeit. "Sing Meinen Song – Das Weihnachtskonzert" macht da keine Ausnahme.

Weder die Songauswahl noch die zusammengeschusterten Sound-Gerüste lassen vermuten, dass man sich für die Produktionsbesprechung des Albums mehr als eine halbe Stunde Zeit genommen hat. So wird der Initiator des Formats mit standardmäßigen Piano-Klängen umnebelt ("Hallelujah", "Still, Still, Still"), während sich ein Roger Cicero wie gewohnt in jazzig angehauchten Big-Band-Welten austoben darf ("Santa Claus Is Comin' To Town", "This Christmas").

Auch Sasha muss sich nicht groß verbiegen. Mit Pseudo-Reggae ("All I Want For Christmas Is You") und obercoolen Suite-Fehltritten ("This Christmas") kennt sich der Schmuse-Barde schließlich bestens aus. Im Gegensatz zu seinen Kollegen wirft der Soul- und Jazz-Experte Gregor Meyle wenigstens noch eine Prise Herzblut mit in die Waagschale ("Driving Home For Christmas", "Stille Nacht, Heilige Nacht").

Das kann man von Sarah Connor nicht gerade behaupten ("The Christmas Song", "Have Yourself A Merry Little Christmas"). Deutschlands ehemaliges Singsang-Goldkehlchen präsentiert sich so transparent und durchschaubar wie die Unterwäsche von Micaela Schäfer. Es wird gejault, geschluchzt und mit Vehemez auf die künstliche Tränendrüse gedrückt. Keine Experimente, keine Blicke über den Tellerrand, Sicherheit geht vor.

Nur bei der armen Sandra Nasic scheinen die Verantwortlichen ein bisschen gestutzt zu haben. Was hat die Dame früher eigentlich für Musik gemacht? Keine Ahnung mehr? Wir helfen gerne auf die Sprünge: Musik-Archivare sortieren die Alben ihrer Band Guano Apes zumeist in die Schublade mit der Aufschrift "Crossover" ein.

Macht aber nichts; mit klinisch totem Elektro-Pop scheint sich die Sängerin auch gut arrangieren zu können ("Last Christmas"). Man mag sich nach dieser leblosen Vorstellung gar nicht vorstellen, wie es eine Viertelstunde später wohl klingen mag, wenn sich die Göttingerin an einem Song von Kate Bush versucht. Doch man höre und staune: Sandra Nasic zieht sich immerhin bei der Gesangs-Achterbahnfahrt namens "December Will Be Magic Again" mehr als achtbar aus der Affäre.

Fehlen noch die musikalischen Einwürfe von Österreichs Volksmusik-Ikone Andreas Gabalier. Da hätten wir eine volkstümliche Valium-Hymne für Kinder mit massiven Einschlaf-Problemen ("Es Wird Scho Glei Dumpa") und einen Luftgitarren-Fauxpas für Ballermann-Weihnachtsmänner ("Rocking Around The Christmas Tree") anzubieten. Jemand Interesse? Keiner? Dachte ich mir schon. Wann wird's eigentlich endlich Frühling?

Trackliste

  1. 1. Santa Claus Is Comin' To Town
  2. 2. Driving Home For Christmas
  3. 3. Es Wird Scho Glei Dumpa
  4. 4. Last Christmas
  5. 5. Hallelujah
  6. 6. White Christmas
  7. 7. The Christmas Song
  8. 8. This Christmas
  9. 9. Rocking Around The Christmas Tree
  10. 10. Stille Nacht, Heilige Nacht
  11. 11. December Will Be Magic Again
  12. 12. All I Want For Christmas Is You
  13. 13. Have Yourself A Merry Little Christmas
  14. 14. Still, Still, Still

Videos

Video Video wird geladen ...

8 Kommentare mit 4 Antworten