laut.de-Kritik

Culcha Candelas Johnny machts möglich: Tuet Gutes.

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Engagement ist eine feine Sache. Wenn engagierte Menschen schönen Worten dann auch handfeste Taten folgen lassen - um so besser. Bei "Rhymes 4 Creation - Music For Education" verrät der Titel das Vorhaben: Die Erlöse dieses Samplers fließen in den Aufbau einer handwerklichen Berufsschule in Uganda.

Musik für Bildung: ein ehrenwertes Projekt mit sinnvollen Absichten, das Culcha Candelas Johnny Strange da ins Leben gerufen hat. "Rhymes 4 Creation" versammelt Künstler wie Nosliw, Jahcoustix, Gentleman, Joy Denalane, Nneka, Ganjaman oder die Ohrbooten, die aus ihren Überzeugungen in der Vergangenheit noch nie einen Hehl machten. Ihre Teilnahme verblüfft also nicht.

Das Line-Up lässt dann gleich richtig vermuten, in welche musikalische Richtung der Hase läuft: Reggae, nachdenkliche, durchdachte Raps sowie ein Hauch R'n'B stehen an. Große Überraschungen fehlen zwar, Enttäuschungen bleiben dafür aus. "Tu was Gutes, und du kriegst was Gutes!", diese Ankündigung ist nicht gelogen.

Mit afrikanischen Trommeln und Gesängen bildet "Get Up!", u.a. mit Beteiligung von Seeeds Eased, einen stimmungsvollen Auftakt. Dicke Bässe, Raps, Toasting, ordentlicher Groove sowie ein eingängiger Refrain fügen sich zu einem höchst abwechslungsreichen Gesamtbild. Das gilt auch für den Sampler in seiner Gesamtheit.

Die Ohrbooten und Ange da Costa bauen zwar jeweils auf eine exzellente melodische Grundlage, einmal auf Basis satter Drums in Kombination mit Klavierakkorden, im anderen Fall mit Akustikgitarre und sachtem Piano. Beide Male gerät mir jedoch der Gesang eine Spur zu dünn. Auch Gentleman, der über dem glänzenden Bass von "Bloody Sunday" beinahe in Tränen auszubrechen scheint, reißt mich nicht wirklich vom Hocker.

Ausgleich dafür bietet "Rhymes 4 Creation" aber noch und noch. Insbesondere leisten hier die Ladys ihren Beitrag. Joy Denalane erzählt in "Born And Raised" ihre persönliche Geschichte, zeigt Höhen und Tiefen verpackt in klaren, kräftigen Gesang. Nneka beweist mit dem Einstieg zu "Africans", dass sie mehr als eine einsame Gitarre zur Akzentuierung ihrer voluminösen und doch gefühlvollen Stimme eigentlich gar nicht nötig hätte.

Für die Kopfnicker rappt sich Cloud Tissa in "Sunshine Lady" durch ein schlankes Stück Musik. Damion Davis liefert in Begleitung eines zunehmend düster wirkenden Klaviers eine äußerst entschlossene Vorstellung ab. "Von Jetzt An" sollte man diesen Jungen wirklich besser im Auge behalten.

Chefket drischt in "Einerseits" vielleicht die eine oder andere "Nach Regen kommt Sonnenschein"-Phrase zu viel, dosiert den Soul in seiner gesungenen Hookline jedoch wesentlich besser, als es Cross und Cher gelingt. In deren "Abgrund" fesselt dafür die unerfreuliche Story und tröstet über den klebrigen Chorus hinweg.

Wo die Heidelberger Irie Révoltés auftauchen, geht es derbe zur Sache: Quakender Bass, quäkende Orgeltöne und ein wuchtiger Dancehall-Beat begleiten fröhliche Schreihälse auf dem Kreuzzug gegen "Répression" jeder Art. Bei Culcha Candela kommt, um die musikalische Breitseite komplett zu machen, noch eine sägende E-Gitarre dazu. Die Herren profitieren wie gewohnt von der Vielfalt an Stimmen, Sprachen und Styles in ihren Reihen.

Quirlige karibische Rhythmen tragen Yotho, dessen "Boffoe" trotz der ernsten Thematik die Sorglosigkeit einer Strandparty verströmt, und Adonis Bloomfield im Verbund mit Johnny Strange bei: Piano, schwungvolle Percussion und Bläser vereinen sich in "Ping Pong" zu geradezu kubanischem Flair.

Ganjaman und Martin Jondo setzen dagegen auf traditionelles Reggae-Material. Ersterer wirkt in "Manchmal" in all seinen Zweifeln und Verwirrung zwar ein wenig wie Kermit der Frosch auf dem Selbstfindungstrip, liefert aber dennoch eine hörenswerte Nummer ab.

Jondo und seine Akustikgitarre binden den Gabensack zu. "All I Ever Know" lässt keinen Zweifel offen: Hier hat jemand lange und ausgiebig Bob Marleys "Redemption Song" angehört - und das war ganz sicher kein Fehler.

Trackliste

  1. 1. Get Up!
  2. 2. Bild Dir Deine Meinung
  3. 3. Sunshine Lady
  4. 4. Mary J.
  5. 5. Einerseits
  6. 6. Raised
  7. 7. Repression (Don Krutscho RMX)
  8. 8. Boffoe
  9. 9. Bloody Sunday
  10. 10. Africans
  11. 11. Abgrund
  12. 12. Manchmal
  13. 13. Ping Pong
  14. 14. Von Jetzt An
  15. 15. Deutschland
  16. 16. More Than Average People
  17. 17. All I Ever Know

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1 Kommentar

  • Vor 12 Jahren

    Ich würd dem Album 4 Sterne geben, es sind zwar ein paar durchschnittliche Tracks dabei, die aber von den besseren klar übertönt werden. Geärgert hab ich mich nur, dass Martin Jondos "All I Ever Know" schon auf "EchoSmoke" drauf war und ich das somit schon hab.