laut.de-Kritik

Ein Produzenten-König lässt sich feiern. Ausgiebig.

Review von

"Trevor Horn - The God of Pop Production. Be Welcomed to His - strictly unofficial - Pleasuredome!" So die eröffnenden Worte auf der Fanseite trevor-horn.de. Mal davon abgesehen, dass es zu Trevor Horn, im Gegensatz zum nicht minder berühmten Kollegen Rick Rubin, Internet-Fanseiten gibt, deutet das Wort "pleasuredome" auf einen der größten Triumphe in seiner Produzenten-Laufbahn hin: Frankie Goes To Hollywood. 1984 arbeitet der Brite mit der Liverpooler Newcomerband am Album "Welcome To The Pleasuredome", produziert ihre Singles "Relax", "Two Tribes" und "The Power Of Love", und als er wieder aus dem Studio heraus kommt, sind nicht nur alle Songs Nummer Eins-Platzierungen in halb Europa, sondern er selbst plötzlich der gefragteste Produzent im Popbusiness.

In der Folge hagelt es Ritterschläge: Grace Jones bittet 1985 um seine Dienste und Horn bedankt sich kurzerhand mit einem Soundschliff, der aus ihrem "Slave To The Rhythm" einen genredefinierenden Klassiker zaubert. 1989 arbeitet er mit den Pet Shop Boys am "Introspective"-Album, und wer weiß, vielleicht war es am Ende sogar Horn, der das Erfolgsduo Tennant/Lowe dazu brachte, die Worte "Afghanistan", "Che Guevara" und "Debussy" in ihre Popsongs zu schmuggeln.

Kurz: Trevor Horn ist ein Trademark und darf deshalb mit dem hervorragend aufgemachten Doppelalbum "Produced By" auch ungeniert einen Blick auf seine ruhmreiche Vergangenheit werfen, die im Übrigen bis heute andauert: Erst kürzlich begab er sich bekanntlich mit den ach so lesbischen Russenkids von t.A.T.u. ins Studio. Deren Manager sei durch einen Zeitungsartikel auf ihn als "musikalischen Förderer von Homosexualität" aufmerksam geworden, amüsiert sich Horn noch heute. Angesichts seiner Erfolge mit Frankie Goes To Hollywood auf dem eigenen ZTT-Label nannte sich Horn in den 80ern zweitweise selbst augenzwinkernd den "King Of Pädo-Pop".

Unter den hier versammelten Horn-Produktionen darf man gerne die schottischen Belle & Sebastian vermissen, an deren jüngstem Album "Dear Catastrophe Waitress" er ebenfalls beteiligt war. Dafür lauschen wir uns vornehmlich durch die 80er Jahre und damit durch Horns größte Karriere-Momente. Dass Dollars "Give Me Back My Heart" in diese Kategorie fällt, ist aufgrund unsäglicher Synthie-Trompeten nur schwer zu glauben. Die fein polierten Bassläufe von Dollars "Mirror Mirror" (1981), einer eigenartigen Kreuzung aus Duran Duran und ABBA, zeugen dagegen bereits überdeutlich vom kommenden Synthie Pop-Jahrzehnt, und lassen Parallelen zu The Human League, Erasure oder gar den frühen Pet Shop Boys erkennen.

Oder ABC. Heutzutage nicht mehr als eine Fußnote der Pophistorie, waren die Mannen um Martin Fry 1982 mit Duran Duran die heißesten Poppervögel der Stunde. Fraglos ist ihr "Poison Arrow" ein Musterbeispiel vergänglichen 80er Pops, was besonders die krachenden Computer-Drum-Fills verdeutlichen. Ihr größter Hit "The Look Of Love" darf hier natürlich nicht fehlen. Meisterhaft pumpte Horn dagegen 1984 den FGTH-Smash Hit "Relax" auf, seine Flash Gordon-mäßigen Zisch- und Explosionssounds setzten in der Industrial-Pop-Ära (Neubauten, Depeche Mode) Maßstäbe.

Da darf man sich schon die Augen reiben, wenn plötzlich der Bandname Yes auftaucht. In erster Linie gehörten die Artrock-Saurier zu Horns Jugendidolen, und schienen 1980 für das noch heute schicke, zart angefunkte Pop-Experiment "Owner Of A Lonely Heart" nicht gerade die geeigneten Ansprechpartner zu sein. Doch (Green-)Horn legte sich vor Basser Chris Squire buchstäblich auf die Knie, wie er in der Times erzählt: "Ich flehte die Band an, es mit mir zu versuchen. Doch bald machten sie alles wieder kompliziert und es wurde ein üblicher Yes-Song daraus. Ich bat sie wieder und wieder, bis sie mich endlich die Drumbox programmieren ließen." Das Ergebnis erklomm in der 12"-Version mal eben Platz eins der US-Black Dance Charts und rettete die Band vor der Bedeutungslosigkeit.

Mit Seals "Crazy" landete Horn 1990 noch einmal einen dicken Treffer. Sphärische Beats in federnder UK Rave-Romantik und einem Tribal-Mittelteil, der selbst auf Model-Laufstegen niemanden erschreckt haben dürfte. Dennoch ist der sinkende Stern seines Einflusses in den späten Jahren spürbar. Nach Glanztaten mit den erwähnten Bands sowie den Klangkünstlern von Art Of Noise, zeichnet Horn auch für ein fürchterliches Schnulzenduett von Shane MacGowan verantwortlich (1995), für zwei Simple Minds-Balladen und den glatten Schlonz-Pop einer Lisa Stansfield (2004), von t.A.T.u. ganz zu schweigen. Dennoch: Die Lebensleistung Trevor Horns ist auf "Produced By" schön abzulesen, selbst wenn es mitunter schwer fällt, nicht die Skip-Taste zu betätigen. Vor allem bei Horns Durchbruchssong mit den Buggles von 1979: "Video Killed The Radio Star".

Trackliste

  1. 1. Buggles - Video Killed The Radio Star
  2. 2. ABC - Poison Arrow
  3. 3. Frankie Goes To Hollywood - Relax
  4. 4. LeAnn Rimes - Can't Fight The Moonlight
  5. 5. Pet Shop Boys - Left To My Own Devices
  6. 6. Dollar - Give Me Back My Heart
  7. 7. Seal - Crazy
  8. 8. Lisa Stansfield - Say It To Me Now
  9. 9. Shane McGowan - You're The One
  10. 10. Godley & Creme - Cry
  11. 11. Art Of Noise - Il Pleure (At The Turn Of The Century)
  12. 12. Buggles - Living In The Plastic Age
  13. 13. Dollar - Mirror Mirror
  14. 14. Spandau Ballet - Instinction
  15. 15. The Frames - Angel At My Table
  16. 16. Simple Minds - Mandela Day
  17. 17. tATu - All The Things She Said
  1. 1. Yes - Owner Of A Lonely Heart
  2. 2. Art Of Noise - Beat Box (Diversion)
  3. 3. Frankie Goes To Hollywood - Two Tribes (Hibakusha Mix)
  4. 4. ABC - Look Of Love
  5. 5. Pet Shop Boys - It's Alright
  6. 6. Grace Jones - Slave To The Rhythm (Blooded)
  7. 7. Art Of Noise - Moments In Love (Beaten)
  8. 8. Frankie Goes To Hollywood - The Power Of Love
  9. 9. Simple Minds - Belfast Child
  10. 10. Seal - Loneliest Star
  11. 11. Propaganda - Das Testament des Dr. Mabuse (13th Life Mix)
  12. 12. Malcolm McLaren - Buffalo Girls (Scratch Mix)
  13. 13. ABC - All Of My Heart

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