laut.de-Kritik

Moses P. serviert harten Rap und 08/15-R'n'B-Nummern.

Review von

"Das hier ist die Nachtschicht." Auch strikten Radio-Verweigeren darf die Begrüßung durch die Gastgeber Moses Pelham und Bayz Benzon mittlerweile vertraut vorkommen. Legen sie doch bereits den dritten Sampler zu ihrer sonntäglichen Late-Night-Show vor. Nun, es ist zwar nicht Sonntag, wohl aber Ostermontagnacht. Ich denke mal, das gilt trotzdem - zumal Reisen durch Frankfurter Lieblingsplattenschränke ohnehin unabhängig vom Wochentag sein sollten.

Dafür, dass ich dem Trip - rückblickend auf die ersten beiden Teile - mit Vergnügen entgegen sah, verschafft mir Nummer 3 ein relativ fahles Gefühl. Lobte Kollege Dobler die erste Nachtschicht noch als "wie aus einem Guss", fällt mir kaum ein Prädikat ein, das die aktuelle Folge weniger verdient hätte. Die gewählten Tracks erweisen sich als derart unterschiedlich, dass sie selbst von erfahrenen Compilateuren kaum unter einen Hut zu bringen sind. Kontinuität will sich nicht einstellen. Damit geht auch die chillige, leicht abgedriftete Stimmung flöten, die den Zauber der ersten beiden Nachtschichten ausmachte.

Dabei ist der Auftakt gar nicht übel. Das reduzierte Instrumental von "Turn The Page" lässt Mike Skinnerss Rap reichlich Raum - erwähnte ich bereits, dass ich britisches Englisch liebe? Erwähnte ich es auch oft genug? Mit Red Snapper und Zero 7 bleiben wir noch ein wenig in Großbritannien. Nach knackigen Raps ("Turn The Page") und Ragga-Vocals über grandiosen Drums, zu denen eine Ahnung von Jazz durch die Szenerie weht ("Suckerpunch"), entfaltet sich bei "Distractions" erstmals ein verträumtes Feierabendgefühl: Unaufgeregt legt sich der Gesang über eine hübsch arrangierte Kombination aus Gitarren und elektronischen Klängen - mir persönlich zwar ein wenig zu lasch, insgesamt aber doch stimmig.

Die harten Lines von Eminem, Obie Trice und 50 Cent in "Love Me" machen den entspannten Eindruck umgehend zunichte. Zwar besitzt auch Eminems Eigenproduktion einen eher verträumten Hintergrund, dieser Charakter wird durch die süßliche Hookline noch verstärkt. Doch passen diese harten Jungs einfach nicht in den gegebenen Rahmen (ein Problem, das sich auch bei den derben Styles von M.O.P. stellt, denen ich für "Way Of The World" an anderer Stelle vermutlich Hände und Füße küssen würde). Zudem habe ich den Soundtrack zu "8 Mile" inzwischen wirklich auf ganzer Länge über. Sorry.

Mäßig interessante 08/15-R'n'B-Nummern wie "Karma" oder "You And Me" bieten den an sich großen Sängern Dave Hollister und Musiq wenig Möglichkeiten, ihre gefühlvollen Stimmen zur Geltung zu bringen. Die Kapriolen schlagende spitze Stimme Teedra Moses' ist mir zur Nachtzeit (und vermutlich auch tagsüber) schlicht zu stressig. Sarah Ann reißt mich stimmlich auch nicht gerade vom Stuhl, und bei Glashaus, die mich mit ihrer weinerlichen Note seit jeher langweilen, frage ich mich zum x-ten Mal, warum zum Teufel es da immer donnern und regnen muss. Wohl um die Dramatik zu unterstreichen. Nicht meine Tasse Tee.

Was nicht bedeuten soll, dass ich die komplette Auswahl missachte. Nein, es finden sich auch wahre Perlen. Richard Davis lenkt mit seinem angenehm plätschernden "Empty" das Augenmerk auf die "Details": Es sind die kleinen Dinge, die solche Tracks hörenswert machen - hier zum Beispiel das träge Cello, das Melancholie ins Spiel bringt. Mit Ms. Jade präsentieren Pelham und Kollege eine Female-MC, die zeigt, dass wenig Gras wächst, wenn die richtigen Mädels einmal zuschlagen.

Salif Keita, die goldene Stimme Afrikas, zwingt mich ohnehin jederzeit in die Knie. Traditionelles aus Mali trifft auf getragene Streicher und verspielte Gitarren - sehr schön, das. Ebenso wie Craig Armstrongs "Weather Storm". Auch M.O.P. haben, wie erwähnt, ihren Charme. Nur wollen die Tracks einfach so gar nicht zueinander passen! Schlimmer: Sie behindern sich und nehmen sich in ihrer Verschiedenheit gegenseitig den Reiz. So als versuche man, Salami mit Schlagsahne zu veredeln.

India Arie beschließt die dritte Nachtschicht und liefert mit "Ready For Love" den klingenden Beweis dafür, dass Frauenstimmen keineswegs immer kieksig und anstrengend sein müssen. Diese Lady bräuchte eigentlich gar keine Begleitung. Ihr wundervoll warmer Gesang spricht für sich und lässt mich mit einer Gänsehaut zurück, die es mir unmöglich macht, die Note zu geben, die ich vorgesehen hatte. Mit leicht zitternder Hand korrigiere ich die 2 in eine 3 - und geh' schlafen. Gute Nacht, Frankfurt. Danke hierfür.

Trackliste

  1. 1. Das Hier Is' Die Nachtschicht (Intro) - Moses Pelham & Bayz Benzon
  2. 2. Turn The Page - The Streets
  3. 3. Suckerpunch - Red Snapper
  4. 4. Distractions - Zero 7
  5. 5. Love Me - Eminem, Obie Trice & 50 Cent
  6. 6. Karma - Dave Hollister
  7. 7. Outta My Head - Teedra Moses
  8. 8. Auftaun - Sarah Ann
  9. 9. Der Mars - Dagobert
  10. 10. Empty - Richard Davis
  11. 11. Way Of The World - M.O.P.
  12. 12. Why You Tell Me That - Ms. Jade feat. Lil' Mo
  13. 13. Halt Die Welt An (Onyurus Unter Tränen Mix) - Glashaus
  14. 14. Tomorrow (Sadio) - Salif Keita
  15. 15. Der Schein Trügt Teil 1 - Unter Wort Verdacht
  16. 16. You And Me - Musiq
  17. 17. Weather Storm - Craig Armstrong
  18. 18. Ready For Love - India Arie

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