laut.de-Kritik

Da wird sogar der Schröder neidisch ...

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Hinter einem machteinflößenden Schreibtisch in Berlin sitzt dieser Tage ein einsamer Mann, den Blick sorgenvoll in die Ferne gerichtet. Was die Zukunft wohl bringen möge, fragt Gerhard leise bei sich, bevor eine Compact Disc seine Aufmerksamkeit auf sich zieht. "Dedicated To All Believers - 10 Years Of Kanzleramt", einen so festlichen Jubiläumssampler hätten auch die zur Zeit von jedem Glauben verlassenen Genossen nötig, sinniert Gerhard neidvoll nach, und schmiedet bereits Pläne für seine erste Dekade im Kanzleramt.

Ob er seinen Sozis allerdings zwölf astreine Technoperlen zum Dienstjubiläum servieren würde, wie der andere Mann im Kanzleramt, sei einmal dahin gestellt. Der andere Mann heißt Heiko Laux, und wenn er auch keinerlei Ambitionen verspürt, sich zum Nebenkanzler aufzuschwingen, so regiert der Bad Nauheimer doch über ein Kanzleramt, das im Gegensatz zu Schröders Amtsitz für die ersten zehn Jahre seines Bestehens mit reichlich Lorbeeren umrankt wurde. Von Deutschlands erster Techno-Adresse hört man gar hinter vorgehaltener Hand tuscheln. Nicht zu Unrecht, wie ein Blick in den wuchtigen Backkatalog schnell zeigt.

Frühe Hits des Labelgründers Laux an der Seite von Sammy Dee ("Moonside Playground") zeigen bereits an, wo die Quelle der Inspiration liegt: jenseits des Atlantiks in den dunklen und verfallenen Häuserschluchten von Technopolis. Dem unterkühlten Tech-Funk aus Detroit huldigen Tracks im Stile von "The Silent Bass" unverhohlen, sie begeistern mit einer eigentümlichen Leichtigkeit, wie sie sich ansonsten nur in den Releases von Carl Craig findet. Kein Wunder, wenn sich Kanzleramt-Scheiben häufig auf den Plattentellern von detroit-affinen DJs wie Laurent Garnier oder Richie Hawtin wiederfinden.

Mit dem hauseigenen Gewächs Alexander Kowalski kann Heiko Laux auch in der Nachwuchsförderung voll punkten. Dessen letztes Album "Response" ließ den Berliner endgültig in die internationale Championsleague der Produzenten aufrücken, vielleicht durfte er deshalb mit "Hot Spot" und "Dark Soul Pt. 3" gleich zwei Tracks zum Geburtstagssampler beisteuern. Tracks von Anthony Rother, Johannes Heil, Diego, Richard Bartz und Christian Morgenstern runden das Kanzleramt-Paket ab.

Gerade letztgenannter zeichnet mit dem hypnotischen "Malaria" für eines der Highlights auf "Dedicated To All Believers - 10 Years Of Kanzleramt" verantwortlich, auch wenn Johannes Heils "Paranoid Dancer" die Ehre zukommt, am meisten Staub aufgewirbelt zu haben - im positiven Sinne. Gute Presse sähe auch Schröder liebend gerne, schließlich möchte er doch mit Laux im Kanzleramt zum Zehnjährigen anstoßen.

Trackliste

  1. 1. Heiko Laux - The Silent Bass
  2. 2. Fabrice Lig - Universal Tech
  3. 3. Diego - Me Fragments (Diego Remix #2)
  4. 4. Johannes Heil - Paranoid Dancer
  5. 5. Alexander Kowalski - Hot Spot
  6. 6. Family Lounge Aka Anthony Rother - Kamakasi (Get Pretty Baby) Pt. 9
  7. 7. Christian Morgenstern - Malaria
  8. 8. Double X - Renounce
  9. 9. Alexander Kowalski - Dark Soul Pt. 3
  10. 10. Richard Bartz - Subway Pt. 1
  11. 11. Sammy Dee & Heiko Laux - Moonside Playground
  12. 12. Heiko Laux - Moved (Ricardo Villalobos Mix/Edit)

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