laut.de-Kritik

Politik und Party unter einem Hut.

Review von

Wieviel Kunstanspruch passt in Pop? Merrill Garbus, der kreative Kopf der Tune-Yards, scheint da jedenfalls keine Grenzen zu kennen, schließlich begann die kalifornische Band auf dem Debüt "Bird-Brains" noch als Freak-Folk-Gruppe, die mit einer Melange aus Weltmusik, Lo-Fi und Blues die Kritiker begeisterte. Auf den nachfolgenden Alben begann schleichend der Weg heraus aus dem Underground, und spätestens mit dem letzten Album "Nikki Nack" öffneten sie sich den Ideen von Pop-Produzenten wie Malay (Frank Ocean, Alicia Keys) und John Hill (Rihanna, M.I.A.). Ein Umstand, der Merrill nicht leicht fiel, da sie nun komplett die Kontrolle über ihr Baby abgeben musste.

Die Bereitschaft zu lernen und die fast kindliche Neugier bilden den kreativen Motor der Tune-Yards. Für das neue Album nahm Garbus an Workshops teil und brachte sich das DJing in einer Bar in Oakland bei, wo sie von Berufs wegen in Kontakt mit Dance-Musik kam. So ist "I Can Feel You Creep Into My Private Life" ein Album mit viel tanzbaren Sounds geworden, weg vom Applaus der Nische, hin zum Kollektiv-Rausch der Partygänger. Das soll nicht mehr die Platte für die Hinterhof-Art-Perfomance sein, sondern Spaß machen und inspirieren.

"Heart Attack" und "Look At A Your Hands" könnten direkt aus der Schmiede der Disco-Electro-Popper von Hercules And Love Affair stammen, die Gesellschaftskritik auch stets mit treibender Club-Musik verbinden. Das jazzige "Who Are You" dürfte noch am ehesten die Erwartungen erfüllen, die sich Fans der ersten Stunde von Indie-Produzent Beau Johnson (Death Cab for Cutie, Tegan & Sarah) erhofft hatten. Ansonsten treiben die schwitzigen Beats die sozialkritischen Texte, die sich mit dem Eindringen und dem Verlust der Privatsphäre beschäftigen, ins kollektive Bewusstsein.

Besagte Beats sind leider nicht immer auf dem neuesten Stand. Vieles erinnert an Electro-Sound der Nullerjahre und wirkt für eine erklärte Soundforscherin wie Merrill Garbus und ihren kongenialen Partner Nate Brenner erstaunlich angestaubt. Einem eigentlich sehr schönen Song wie "Home" treiben unnötige Breaks so lange die Konvention aus, bis die die traurige Grundstimmung am Schluss endgültig in Percussion-Experimente ausfasert.

"I Can Feel You Creep Into My Private Life" erscheint ambitioniert in seinem Versuch, Politik und Party-Meute unter einen Hut zu bringen. Aber möchte man den Diskurs wirklich tanzen? Lässt man die Texte weg, bleibt ein doch insgesamt gelungenes und interessantes Album mit einigen spannenden Momenten, die einen aus dem Pop-Einerlei herausholen. Sich auf Albumlänge mit Sinnfragen ohne Antworten zu beschäftigen, ist aber letztendlich doch ein Fall fürs Feuilleton und nicht für die klassenlose Tanz-Society.

Trackliste

  1. 1. Heart Attack
  2. 2. Coast To Coast
  3. 3. ABC 123
  4. 4. Now As Then
  5. 5. Honesty
  6. 6. Colonizer
  7. 7. Look At Your Hands
  8. 8. Home
  9. 9. Hammer
  10. 10. Who Are You
  11. 11. Private Life
  12. 12. Free

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