laut.de-Kritik

Wie eine 46-minütige Totenmesse.

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Um es gleich vorweg zu sagen: Beim Hören von "Hearts On Hold" muss man unweigerlich an einen Keller denken. An einen düsteren, feuchten, unheimlichen Keller mit niedriger Decke und ohne Fenster. Dort warten Tu Fawning aus Portland mit all ihren Instrumenten und spielen ihr Album als eine 46-minütige Totenmesse. Nun steht man gebannt da, dabei wollte man doch eigentlich nur schnell eine Limo holen und für den Vater ein Bier.

Im Opener "Multiply A House" spielt in der hinteren Ecke dieses imaginären Kellerraums eine blecherne Trompete auf, von weiter vorn scheppert ein entschleunigtes Schlagzeug, während sich Sängerin Corrina Repp die Tonleiter hoch und runter seufzt und den Song in einen schweren, einen trostlos schönen Gospel-Groove münden lässt.

"The Felt Sense" entlässt einen aus der anfänglichen Schockstarre, plötzlich erfüllen tribalistische Polyrhythmen und ein warmer Orgelton den Raum. Repp schluchzt zunächst via Stimmenvocoder und erhebt sich dann mit stolzem und starkem Timbre über diese kakophonische Klanginstallation, wie man es zuletzt allenfalls von Beth Gibbons in "Machine Gun" vom letzten Portishead-Album gehört hat.

Tu Fawning haben sich bewusst für einen solch konzeptionellen Keller-Pop entschieden, keine Frage. Er erinnert oftmals im ersten Moment an Victoria Legrand und ihre Band Beach House, dabei fehlt Tu Fawning jedoch die luzide Note des Dream Pop. Die Songs verlieren durch ihre Vintage-Instrumentierung und eine rohe, räumliche Aufnahmetechnik jedoch nie an Bodenhaftung.

Selbst das flirrende "Hand Grenade" wird durch angeschiefte Posaunen- und Akkordeonklänge geerdet. Es sind so eher archaische Stilmittel aus Blues, Folk oder Brecht'schem Kabarett, der sich Tu Fawning in Songs wie "Apples And Oranges" oder "Lonely Nights" bedienen. "I Know You Know" spielt dabei gar mit der verrauschten Klangästhetik von Chansons aus den Radios in den 1930er Jahren.

"Sad Story" dagegen marschiert vorwärts wie einer dieser furiosen Math-Rock-Songs der 31 Knots, der eigentlichen Hauptband von Tu Fawnings Joe Haege. Durch das schwere Klavier, die spröden Rockismen und Repps theatralischen Gesang sind auch die Dresden Dolls bisweilen eine passende Referenz.

Tatsächlich ist "Heart On Hold" in seiner erfinderischen, retroesken und bisweilen etwas überanstrengenden Machart das erste musikalische Unikat im Jahr 2011. Dem Jungen haben Tu Fawning jedenfalls neben Limo und Bier noch eine verstaubte Schallplatte mit ihrer Musik aus dem Keller mitgegeben. Zu schade, wenn der Vater keinen Plattenspieler hätte.

Trackliste

  1. 1. Multiply a house
  2. 2. The felt sense
  3. 3. Mouths of young
  4. 4. Sad story
  5. 5. Apples and oranges
  6. 6. Just too much
  7. 7. Diamond in the forest
  8. 8. Hand grenade
  9. 9. I know you know
  10. 10. Lonely nights

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