laut.de-Kritik

Über weite Strecken ein ausgereiftes Album.

Review von

Es ist ein zweischneidiges Schwert mit dem Älterwerden von Künstlern. Einerseits wird bei den meisten das Songwriting insgesamt runder und perfekter, andererseits verlieren viele ihre Ecken und Kanten, die gerade ihre frühen Werke zu Klassikern werden ließen. Tori Amos bildet da leider keine Ausnahme.

"Scarlet's Walk" ist über weite Strecken ein ausgereiftes Album, eine Art Roadmovie, das die Geschichte von Scarlet erzählt, die sich auf eine Reise quer durch die Vereinigten Staaten begibt und dabei verschiedenen Charakteren begegnet. Anfangs steigert sich das Album Song für Song, bis es mit "Wednesday" und "Strange" seine ersten Höhepunkte erreicht. Trotzdem fehlt ein wenig die frühere Bissigkeit und Leidenschaft, die für Tori Amos so typisch waren.

Weiter geht Scarlets Reise über "Crazy" zum nur von Toris Stimme getragenen "Wampum Prayer", einem Song der sich mit dem Massaker, das US-Truppen einst an den Apachen verübten, auseinandersetzt. Überhaupt ist "Scarlet's Walk" das politischste Album, welches Tori Amos bislang veröffentlicht hat. Mehrfach hinterfragt sie die Ideale und das Wertesystem Amerikas.

An "Sweet Sangria" macht nach der Hälfte der Songs das kleine Dilemma des Albums gut sichtbar. Sind die Strophen stark und einprägend, so kommt der Refrain anfangs dermaßen weichgespült aus den Boxen, dass man sich wohl etwas Sorgen um die zukünftigen Veröffentlichungen machen muss. Im Unterschied zu früheren Platten ist auch Toris Bösendorfer nur noch ein Instrument von vielen und wird dadurch seiner Kraft beraubt.

"I Can't See New York" bildet über weite Strecken eine Ausnahme und wirkt eben dadurch wichtiger, stärker und einfach besser als das meiste andere auf "Scarlet's Walk". Wie der Name bereits vermuten lässt, beschreibt der Song das Gefühl am 9. September 2001, als sich auch Tori Amos in New York befand.

Gegen Ende schwingt sich das Album dann noch einmal auf und beschert dem Hörer mit "Another Girl's Paradise" und dem Titelstück noch zwei Glanzlichter. Auch "Virginia" mit Banjo-Begleitung verspricht anfangs Einiges, kann die Erwartungen jedoch nicht ganz erfüllen. Mit dem ihrem Kind gewidmeten "Gold Dust" gelingt Tori am Ende dann noch ein vielversprechender Abschluss, der für die Zukunft wiederum hoffen lässt.

"Scarlet's Walk" ist eben auch ein zweischneidiges Schwert. Es gibt keine Ausfälle, keine wirklichen Schwachpunkte. Allerdings gibt es eben auch nur wenige echte Höhepunkte. Und selbst die wären überfordert, wenn sie mit Songs von den ersten Alben mithalten müssten.

Trackliste

  1. 1. Amber Waves
  2. 2. A Sorta Fairytale
  3. 3. Wednesday
  4. 4. Strange
  5. 5. Carbon
  6. 6. Crazy
  7. 7. Wampum Prayer
  8. 8. Don't Make Me Come To Vegas
  9. 9. Sweet Sangria
  10. 10. Your Cloud
  11. 11. Pancake
  12. 12. I Can't See New York
  13. 13. Mrs. Jesus
  14. 14. Taxi Ride
  15. 15. Another Girl's Paradise
  16. 16. Scarlet's Walk
  17. 17. Virginia
  18. 18. Gold Dust

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Tori Amos

Eigentlich spielt Tori Amos nur Klavier und singt dazu. Aber das tut sie eben einmalig schön. Sie erblickt am 22. August 1963 als Myra Ellen Amos in …

34 Kommentare

  • Vor 21 Jahren

    wie ich finde wieder ein wunderschönes Album mit vielen neuen Songs, durch die ich erst mal blicken muss, aber trotzdem wunderschön. Es beginnt nur etwas promt, endet aber, schon Tori Amos Typisch, mit einer wunderschönen Ballade (gold dust)

    In gewisser Weise hat Laut schon recht, wirkliche Höhepunkte gibt es nicht, aber auch keine wirklichen Ausreißer.
    Obwohl ich doch als Höhepunkte sorta fairytale; wednesday; your cloud; taxi ride und gold dust zählen würde. Man muss schon etwas genauer hinhören und öfters, um ein Ohrwurm zu kassieren, aber es ist doch möglich (besonders bei sorta fairytale)

    Es gibt keinen Song wie "god", der einfach ins Ohr sticht, aber es ist im Gegensatz zu den anderen Albem eine wirkliche Einheit, noch teilweise Vergleichbar mit Boys for Pele und doch in vorangetriebener Perfektion und bei der Story die erzählt wird auf alle Fälle doch berechtigt.

  • Vor 21 Jahren

    A sorta fairytale hat mir beim ersten hören leider nicht gefallen. Das Album werd ich mir wohl trotzdem holen schon allein weil ich auch alle anderen habe.

  • Vor 21 Jahren

    a sorta fairytale... also ich hab bei allen Songs gebraucht ehe ich drin war... a sorta fairytale kann sich zu nem ganz schön nervigem Ohrwurm entwickeln... !!!
    Ebenso das Album, es braucht Zeit... wie ein Hefekuchen

  • Vor 21 Jahren

    Ich bin gerade beim Kopieren und werde mir sie dann reinziehen!!!

  • Vor 21 Jahren

    ja, den vergleich mit kate bush mag tori nicht wirklich, obwohl sie kate bush sehr mag.
    sie sagt, dass kate bush nicht die einziger sängerin ist die singt und klavierspielt ;)

    womit sie auch recht hat, obwohl eine gewisse ähnlichkeit ist nicht abzustreiten.......

  • Vor 16 Jahren

    Zitat (« Sind die Strophen stark und einprägend, so kommt der Refrain anfangs dermaßen weichgespült aus den Boxen, dass man sich wohl etwas Sorgen um die zukünftigen Veröffentlichungen machen muss. Im Unterschied zu früheren Platten ist auch Toris Bösendorfer nur noch ein Instrument von vielen und wird dadurch seiner Kraft beraubt. »):

    Vielleicht hilft es ja, Herr Friedrich, wenn sich Ihre "Sorgen" eher darauf konzentrieren, desöfteren mal ein Ohrenstäbchen anzusetzen, um den Weichspüler aus den Refrains zu spülen und den Bösendorfer kräftiger wahrzunehmen...?!