laut.de-Kritik

Beim Sonic Youth-Fronter können auch Geigen töten.

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Wer hat den Indie-Veteranen bloß die E-Gitarre weggenommen? Erst veröffentlicht J Mascis ein Akustikalbum, und nun noch Thurston Moore von Sonic Youth. Allein: Beschweren braucht man sich nicht.

Gelungen ist Moores viertes Soloalbum vor allem deshalb, weil er nicht einfach von laut auf leise drehte, sondern selbst in den stillsten Momenten eine spannungsreiche Dynamik vorherrscht, die sich aus dem Werk seiner Alternative-Pioniere speist.

Mit "Benediction" und "Illuminine" entwirft Moore Liebeslieder, die an der Oberfläche entspannt klingen, ohne langweilig zu werden: Dafür sorgen im Hintergrund leicht schiefe Gitarrentöne und die melodische Violine von Samara Lubelski.

Sein größtes Potential erreicht das von Beck produzierte Album mit jenen Songs, die auch auf einem Sonic Youth-Album vertreten sein könnten: Mit verzerrter Aufnahme mündet etwa "Circulation" in einen mitreißend punkigen Soundrausch.

Eindringlich entfaltet die Platte zur Mitte hin eine Stimmung der Ungewissheit, die an den Soundtrack der Band zum großartigen Slackerfilm "SubUrbia" erinnert. Bei aller Ruhe lauert die Gefahr hinter jeder Ecke. Und das Highlight "Orchard Street" beweist endgültig: Auch Geigen können töten.

"Demolished Thoughts" schärft den Noiserock Sonic Youths sozusagen im akustischen Raum. Das Bild vom Diamanten in der Gosse wird in "Mina Loy" gerade durch ein einsames Pfeifen morbide. "Space" weitet den Klangraum schließlich ins Kosmische, blickt auf die Erde herab und präsentiert mit der Zeile "Hearts get broken everyday" eine ganz eigene Relativitätstheorie.

Tonfolgen verschwinden, aber im Moment des Schalls erlebt man sie mehr denn je. Das Album des 53-Jährigen braucht Zeit, doch wenn es dauern darf, klingt es jugendlich und weise zugleich.

Trackliste

  1. 1. Benediction
  2. 2. Illuminine
  3. 3. Circulation
  4. 4. Blood Never Lies
  5. 5. Orchard Street
  6. 6. In Silver Rain With A Paper Key
  7. 7. Mina Loy
  8. 8. Space
  9. 9. January

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