5. Juni 2008

"Ich bin Vergebung!"

Interview geführt von

Nach einer Pressekonferenz zum weltweiten Lauferlebnis "Human Race" traf sich laut.de mit Thomas D in München, um über seine Teilnahme am Rennen, sein neues Album und sein Leben in der Kommune zu plaudern.Am 31. August geht in 25 Metropolen in der ganzen Welt - darunter Los Angeles, New York, London, Madrid, Paris, Istanbul, Melbourne und Shanghai - das von Nike organisierte "Human Race" über die Bühne. Der Sportartikel-Hersteller will dabei die rekordverdächtige Zahl von einer Millionen Läufer an den Start bringen.

Nach dem Rennen sollen die Läufer bei großen Abschlussveranstaltungen abfeiern; in München werden dabei die Fantastischen Vier, Sportfreunde Stiller umd Blumentopf für Stimmung sorgen, obwohl letztere sich eher zum Skaten als zum Laufen bekennen.

Die Pressekonferenz zum "Human Race" findet direkt gegenüber dem schmucken Rathaus in München, in einem edlen Cafè im 5.Stock statt. Vertreten sind neben Oberbürgermeister Christian Ude und dem Präsidenten des Leichtathletikverbands Clemens Prokop, denen ich vor dem Aufzug fast über die Füße laufe, u.a. Thomas D und der 22 x Deutsche Meister Jan Fitschen. Die laufen aber erst nach etwa 20 Minuten ein und performen ein kleines Stand-Up-Gespräch vor der Presse.

Nach einigen Fragen der Journalisten und dem Ende der Pressekonferenz muss ich noch ein bisschen warten, ehe ich mit Thomas D sprechen darf. Kein Problem, denn neben kostenlosen Getränken wird auch fürstliches Essen kredenzt. Krabben, Spargelsalat, Crème brûlée, frische Erdbeeren und vieles mehr, was mein junges Auge bisher selten erblickte.

Dann treffe ich Thomas D, der sich gerade gut gelaunt an einer Art Pudding (fragt mich nicht!) verköstigt. Im Trainingsanzug sitzt er am Tisch und antwortet ausführlich und mit lebhaften Gesten auf meine Fragen.

"Besser als sich die Birne vollzuschütten"

Hallo erst mal!

Hallo.

Interessante Performance übrigens!

(Lacht) Meine Performance war, heute morgen am Flughafen nicht auszuticken, als die Maschine 1,5 h Verspätung hatte. Und diese Geschäftsleute: Einer war kurz davor durchzudrehen. (Verzerrt die Stimme) "Wir haben alle, wir haben alle einen Job, wir haben alle Termine in München!" Und ich dachte mir so, wie schön, dass ich so entspannt bleiben kann. Und es hat ja genau gepasst: Hier hoch gesprintet und rein gerannt.

Erkläre uns doch einfach mal, wie es dazu kam, dass du beim "Human Race" mitmachst?

Wir wurden gefragt, ob wir im Rahmen des Laufes, am Endevent spielen wollen. Das machen wir gerne. Und dann dachte ich: Na ja, ich spiel den ganzen Sommer über, jedes Wochenende zwei- bis dreimal, das ist ja nichts Außergewöhnliches. Aber davor zehn Kilometer zu laufen, wenn möglich noch in Bestzeit, das find ich spannend, das ist geil. Außerdem laufe ich sonst immer alleine. Aufm Laufband oder im Wald mit meinen Hund, aber mit niemanden sonst.

Und so einen Lauf mitzumachen, mit mehreren Leuten, mit 10.000 in München, und vor allem weltweit an einem Tag, zusammen mit ganz vielen Menschen, das finde ich geil. Ich steh ja eh auf so Massenevents. Obs jetzt ein Konzert von uns ist, oder ob ich da mittendrin bin, mit anderen zu laufen. Das Gemeinsame, das ist noch mal ein ganz anderes Feeling, als so für sich allein durch den Wald zu laufen.

Trainierst du oft?

Ich trainieren schon oft, eine Mischung aus Ausdauer und Kraft. Ich hab früher immer so wenig gewogen, alle haben immer gesagt, du bist so dünn, iss doch. Aber am Essen kanns nicht liegen, ich hab gegessen, was das Zeug hält und ich hab halt nen schnellen Stoffwechsel, ich weiß die meisten hassen mich dafür. Weil alle immer irgendwie: (verstellt die Stimme) "Oh ich muss abnehmen!" Und ich so: "Oh ich muss zunehmen."

Naja und dann hab ich angefangen ein bisschen Gewichte zu heben, also zu pumpen, und so Bodybuilding im klassischen Sinne. Mittlerweile ist das Laufen in den Vordergrund getreten und das Gewichttraining nach hinten, weil es einfach gesundheitlich besser ist. Und man wird einfach auch irgendwann g'scheit. Da kommt es nicht darauf an, nur Muskeln zu haben, sondern funktionierende Muskeln zu haben. Nicht zu posen, sondern einfach nur etwas zu machen, was dich wirklich fit hält. Und da ist laufen schon ziemlich geil.

Nike macht Werbung mit diesem Event. Denkst du darüber nach, oder siehst du das gar nicht kritisch?

Ja, es ist eine Mischung. Natürlich macht Nike Werbung für sich, sie haben aber auch Grund dafür. Ich finde zum Beispiel, dass ihr Runningsystem mit Sensor im Schuh das erste Ding ist, was ich kenne, das wirklich funktioniert. Ich meine diese Schrittzähler, die dir hier so rumbaumeln (fummelt an der Hosentasche rum). Bei dem letzten, den ich hatte, bin ich beim Joggen mit der Hand an diesen Stöpsel gekommen, hab den abgerissen und das Ding ging so Hammer ab (lacht, wackelt mit den Armen, macht das Piepgeräusch nach) und ich hab den nicht mehr reinbekommen. ... Also so Zeug braucht echt keiner.

Aber das von Nike zeigt mir an, wie weit ich gelaufen bin, das macht total Sinn für mich, deshalb find ich das gut. Des weiteren haben sie mich auch gekriegt, weil sie gesagt haben, dass auch eine karitativer Zweck dabei ist, dass also ein Teil der Einnahmen gespendet wird, und das finde ja sowieso ich immer sehr gut. Tue Gutes und sprich darüber. Nichts gegen Werbung, aber Werbung, die auch noch Sinn macht, die einen tieferen Sinn hat als nur für sich selbst zu werben, ... und Leute zum Laufen zu bewegen, das ist ne super Sache. Laufen macht den Kopf frei, es ist gesund. Jeder der läuft, weiß, das bläst einfach dein Hirn durch, du bist danach ausgeglichener, du bist viel besser drauf, und es macht einfach viel mehr Sinn, als sich abends die Birne vollzuschütten.

"'Kennzeichen D.' wird ein Abgeh-Album!"

Anderes Thema: Du bringst ja ein neues Album raus. Also wie heißt es, wann kommt es, was ist drin?

Ja, "Kennzeichen D." heißt es ... "Kennzeichen D." ist ein Album mit 18 Songs, ich bin sehr stolz auf mich. 18 Songs sind fünf Fanta 4-Alben, wenn man meinen Teil der Arbeit sieht. Und das alleine zu machen und vor allem innerhalb von einem Jahr, das ging echt ab, ich hatte einen vollen Run, es lief echt gut. Und es sind super Nummern. Ich habe ein positives, ein Abgeh-Album gemacht. Ein bisschen wie die erste Soloplatte, zwar von den Songs her unterschiedlich, aber alle im Bereich von "Rückenwind". Also viele, die einfach positiv nach vorne gehen. Da ist gute Laune drin.

Trotzdem ist natürlich der nachdenkliche Thomas D auch noch vertreten, aber nicht so überbetont und absolut wie bei "Lektionen in Demut" zum Beispiel. Sondern wesentlich leichter. Es ist ein Album das Spaß macht. ... Ich muss ewig noch warten, und ihr vor allem müsst noch viel länger warten, ich kanns ja schon hören jetzt, es kommt erst am 12. September. Wir haben jetzt erst mal die EM vor der Tür und dann ist Sommerurlaub, und dann kann man wieder Alben rausbringen. Im September ist es dann endlich so weit.

Und ich will auch auf Tour gehen damit. Ich stell mir jetzt im Sommer eine Band zusammen, die ich noch nicht hab, die ich noch suche, und mit denen will ich dann die nächsten Jahre bitte immer schön auf Tour gehen. ... Also was ich eigentlich schon mit der ersten Soloplatte vor hatte, ne Solokarriere neben den Fantas, das gehe ich jetzt wieder neu an und sehr ernst. Ich will alle zwei Jahre 'n Album rausbringen und ne Tour machen: Das ist für mich der Start jetzt, mit "Kennzeichen D.", da raus zu gehen und mir als Soloartist ein Plätzchen zu reservieren.

Bist du einfach gut drauf zur Zeit, oder warum ist das Album so positiv geraten?

Meistens gibt immer ein Album das Andere. Nach "Lektionen in Demut" war klar, das ist jetzt genug der Ernsthaftigkeit. Es gibt ja keinen Grund, mich zu wiederholen, deshalb mach ich immer gern was anderes. Und irgendwie kam ich auch sehr leicht zu dem Album. Ich hatte ewig lang kein Soloalbum mehr, ich hab gerade die Arbeit mit Fanta 4 beendet, was echt gut lief, und dann dachte ich: arbeite doch einfach weiter.

Ich habe viele Leute gefragt, ob sie nicht Musik für mich machen wollen, oder eine Idee haben, und habe mit anderen zusammen Musik gemacht. So entstanden schnell 20 Songs. Und da der Spaß und die Leichtigkeit im Vordergrund standen, ist die Platte auch leicht geraten. Das hatte jetzt keinen bestimmten Grund, ich wollte nicht unbedingt leicht sein. Leichtigkeit zu haben ist ganz, ganz schwierig, das geht eigentlich nur aus dem Spielerischen heraus. Wenn du dir keine Gedanken machst, wenn du yeah aus dem Bauch arbeitest. (Sucht nach Worten) Ist eine Mischung aus ganz vielen Sachen. (denkt nach) Warum ist Musikmachen nicht immer so leicht?

Vielleicht weil man es zu ernst nimmt, sich selbst zu wichtig nimmt. Der D. hat manchmal auch das Bedürfnis, er müsste der ganzen Welt noch irgendetwas mitteilen. Und diese ganzen Ansprüche mal ein bisschen zu vergessen, mal zu sagen, hey, warum bin ich hier? Um Musik zu machen! Und Musik machen ist, wie im Wort spielen schon beinhaltet, was leichtes, was Spaß macht. Und den Spaß habe ich wiedergefunden, ihn ausgelebt und deshalb ist ein leichtes Album entstanden.

Und wie ist das mit den Fantas und deiner Solokarriere? Gibt es Schwierigkeiten, beides unter einen Hut zu kriegen?

Ne, überhaupt nicht. Wir treffen uns übermorgen bei mir Zuhause und fangen an, an einer neuen Platte zu arbeiten. Endlich mal (betont), die Band trifft sich für sage und schreibe drei Tage, woran man schon wieder sehen kann, wie eng der Zeitplan ist. Jeder hat immer noch was anderes zu tun. Da treffen wir uns dann allerdings, fangen an über eine neue Platte nachzudenken. Das dauert dann auf jeden Fall ein gutes Jahr, bis die Platte fertig ist, und in der Zeit habe ich noch genug Freiraum, um die Live-Umsetzung vorzubereiten.

(spricht etwas leiser) Wenn die Fantas dann durch sind, dann dauert das bei denen gut und gerne mal zwei, drei Jahre, bis das nächste Album kommt, da kann ich dann schon mein eigenes machen. Wir werden uns nicht in die Quere kommen, da bin ich mir sicher. Wenn das der Fall sein sollte, dann hat die Band natürlich Vorrang, keine Frage. Ich würde nicht meine Solokarriere vor die Fantas stellen, das wäre total doof! Die Fantas sind die Familie, deshalb kann ich auch erst Soloplatten machen, die dann auch gehört werden. Also weiß ich schon, wo ich hingehöre. Und in der Zwischenzeit (zuckt freudig mit den Wimpern): Ein bisschen spielen.

Bei "Lektionen in Demut" gab es ja noch den Reflektor Falke als Figur ...

Ich habe ein paar sehr schöne Stücke gemacht, (nachdenklich) aber das ist schwer mit "Lektionen in Demut" zu vergleichen. "Lektionen in Demut" war ja eine eigens erschaffene Welt. Wie eine Comicwelt mit extrem Gut gegen extrem Böse. Mit Reflektor Falke als Antiheld und noch ein paar anderen Figuren, die von mir erschaffen wurden.

So was in der Art gibts nicht, aber es gibt so was wie "Vergebung, hier ist sie", ein sehr tiefes Lied, in dem der Schöpfer zu seiner Kreatur spricht. Wo der Mensch am Ende alles vernichtet hat und dann Vergebung will. Und Gott sagt: Na klar vergebe ich dir, ich bin Vergebung, ich bin Liebe. (betont) Nur es wird dir nichts bringen, weil es ist bereits alles am Arsch. Also was machst du jetzt? Weiter wie bisher? So funktioniert das nicht!

Da spiele ich mit den klassischen Bildern von Gott, der Schöpfung und der Bibel. Dann gibt es ein anderes Lied, ein sehr (sucht nach dem richtigen Wort) trauriges ... nein es ist nicht traurig. "An alle Hinterbliebenen" heißt es. Das ist für Menschen, die jemanden verloren haben, den sie lieben. ... Also es sind schon ein paar echt tiefe, tiefe Dinger drin. Von achtzehn Liedern vier bis fünf, der Rest befindet sich eher im Leichten, im Helleren.

Dann würde ich gerne noch auf ein drittes Thema eingehen, auf deinen Lebensstil: Wann hast du das letzte Mal Fleisch gegessen?

Keine Ahnung. (grinst) Ich dachte ja, ich hätte mit 17 aufgehört, aber dann hat mir der Smudo gesagt: (verstellt die Stimme) "Nein, wir waren doch noch in Amerika, da ham wir bei Wendys Burger gegessen, da warst du schon 19!" ... Habe ich also mit 19 auch noch Fleisch gegessen, habe ich das erfolgreich verdrängt. Das wars aber dann auch.

Und fehlt dir da was, brauchst du beim Sport Aufbaupräparate?

Sojaprotein oder Pflanzenprotein ist sehr hochwertig. Ich glaube sogar, dass ich da Vorteile habe gegenüber Menschen, die ihr Protein aus Fleisch gewinnen. Zumindest mir fehlt nichts, also ich brauch nichts. Ich hau mir mein Sojaschnitzel rein, das passt. (lacht)

Dann zu deiner Kommune ...

Das ist nicht meine Kommune, eine Kommune kann gar niemandem gehören. Das beinhaltet ja Kommune bereits. (lacht) Habe ich nämlich auch mal gesagt, und dann gabs gleich vom Parago: (verstellt die Stimme) "Jaja, deine Kommune!" ... Es ist nicht meine Kommune.

Gut, dann also: Wie lebt es sich in eurer Kommune?

(lacht) Genau! Es lebt sich sehr, sehr gut! Wirklich sehr gut! Wir haben jetzt auch gerade Sommer auf der Eifel, das ist traumhaft. ... Die Kommune hat sich etwas gewandelt, es sind Kinder dazugekommen, von mir zwei, Angie und Falk haben auch eines, die nehmen sehr viel Aufmerksamkeit in Anspruch. Am Anfang hat es angefangen in so ner Hippie-Hauptsächlich-Jungs-Kommune, und das nicht zu verändern wäre natürlich auch spießig. Insofern haben wir uns dem Wandel immer geöffnet und sind jetzt in so einer Familienkommune, das ist wohl der Lauf der Zeit. Dadurch ändert sich einiges, vor allem das frühe Aufstehen, abends total am Arsch sein, aber ansonsten ist es herrlich.

Kannst du das Leben in einer Kommune empfehlen, etwa als alternatives Lebensmodell?

Auf jeden Fall! Wobei, man muss immer sagen, wenn die Leute fragen, "hat es funktioniert?": Es ist ein täglicher Kampf! Genauso, wie man sagen kann: "Familie funktioniert das denn"? Für den einen funktionierts besser, der andere lässt sich scheiden. Deshalb glaube ich, auch das Singleleben ist ein täglicher Kampf wie eine Kommune auch. Vorteile sind natürlich, dass mehrere Gleichgesinnte zusammen leben, dass es ein großes Gemeinschaftsgefühl ist. Aber gleichzeitig muss das Individuum ja auch zurückstecken, weil es sein Wohl unter das der Gemeinschaft setzt. Es hat also Vor- und Nachteile. Wie jedes Leben, das man sich wählt.

Vielen Dank für das Interview!

Mein Herr, gerne!

Das Interview führte Volker Rueß

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