laut.de-Kritik

Das soll eine Party sein? Es ist ein Hurricane.

Review von

Es schimmert und glitzert an der Oberfläche. Ein rudimentär treibender Beat aus der Indie-Disco klopft mit dem Löffel auf die Sektflöte, pulsierende Rhythmusgitarren stoßen dazu, scheinbare Zurückhaltung trifft auf den Willen zur großen Geste, zum Falsett-Refrain. "Emoticon" heißt der Albumopener des dritten Longplayers der Liverpooler Band The Wombats, eine Meditation auf das digitale Zeitalter und dessen Kommunikation. "It's tough to maintain focus, baby / Now all my elephants are in the room / We crave the fiction when we need the truth", singt Matthew Murphy, und merkt an: "And all these emoticons and words / Try to make it better but they only make it worse."

Zwinkersmiley: "Emoticons" vermag als Opener nicht ansatzweise anzukündigen, was uns "Glitterbug" in den kommenden zwölf weiteren Stücken nonchalant noch so alles auf den Teller legt. Dann aber, gleich beim zweiten Song "Give Me A Try", platzt der Knopf unvermittelt und alles erscheint logisch. Im schönsten Robert Smith-Timbre bekennt Murphy über Synthie-Linien, die ohne jede Angst vor Katy-Perry-Hooks durchaus den Willen zum absoluten Pop offenlegen: "We could be gigantic".

Ein hooklastiges Bekenntnis zu England-Eskapismus ("And I don't know why / This apartment's so ice cold / Let London try / It'll never swallow me whole") und Westcoast-Träumereien, aber auch ein Statement, das durchaus auf die Band weist: "Glitterbug" will es wissen, in jeglicher Hinsicht. Da macht es Sinn, dass man das Album gemeinsam mit Mark Crew produzierte, der schon für den Bastilles "Bad Blood" mitverantwortlich war.

Ein Dreampop-reminiszentes Synth-Arpeggio übernimmt bei "Greek Tragedy", dann auch hier wieder: Indie-Disco, simple und effektive Hook, Wille zum Chorus. "Glitterbugs" ist ein sonnentrunkenes Westküsten-Pop-Album, ein potenzieller Kandidat für den Soundtrack zum kommenden Sommer. Und immer wieder, wie auch bei "Be Your Shadow" geht das Liverpooler Trio anständig in die Hook-Offensive.

Die Inspiration für "Glitterbug" war Murphys Zeit in Los Angeles - eine Stadt zwischen Opulenz und Angst, wie er es selbst formuliert. Aus diesen Erfahrungen heraus, so Murphy, war der Gedanke, über eine fiktionale, aber turbulente Beziehung zu einer Frau aus L.A. zu schreiben. Klappt meistens tadellos, manchmal gehts aber auch daneben: "Your body is a weapon, love / And it makes me wanna cry / My body is a temple of doom / Doomed not to be by your side", singt er - und ist da schon diabolisch nahe an der lyrischen Schlagerhaftigkeit von John Mayers "Your Body Is A Wonderland".

Und plötzlich, in der Mitte der Platte, ist da dieses Stück, das für dreieinhalb Minuten völlig unvermittelt dem Longplayer einen gänzlich anderen Anstrich verleiht: "Isabel" ist ein bis aufs Knochengerüst (in diesem Fall Organ und Vocals) reduziertes Stück. Nicht nur ein Ausreißer, sondern auch ein Highlight der Platte: "Two tickets to the rabbit hole, please / I gave them half my earnings and all they gave me was this suite / Shes fueling up whilst talking down to me / God you must be the biggest caner this whole world has ever seen / Take what you want from me, Isabel".

"Glitterbug" steht ganz im Zeichen von Indie-Disco, 80er Jahre-affiner Opulenz, treibenden Discobeats und Hochglanz. Pop im luftigen Angriffs- und Sommermodus. "Maybe it's the English summer / Maybe it's the atmosphere / but it's got me seeing stars when I'm with you", singt Murphy später. Oder wie er es in "This Is Not A Party" formuliert: "This here is not a party, it's a hurricane."

Trackliste

  1. 1. Emoticons
  2. 2. Give Me A Try
  3. 3. Greek Tragedy
  4. 4. Be Your Shadow
  5. 5. Headspace
  6. 6. This Is Not A Party
  7. 7. Isabel
  8. 8. Your Body Is A Weapon
  9. 9. The English Summer
  10. 10. Pink Lemonade
  11. 11. Curveballs

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