laut.de-Kritik

In ein paar Jahren garantiert ein Klassiker.

Review von

"Fuckin A" kann nicht aus jedem Blickwinkel als Glücksfall für die Thermals bezeichnet werden. Natürlich hat der Dreier aus Seattle vor drei Jahren mit dem zweiten Album ein überlebensgroßes Rockmonster geschaffen, dass auch heute noch scharfe Zähne und Krallen besitzt wie am ersten Tag. Auf der anderen Seite lud sich die Band eine schwere Bürde für das nächste Album auf.

Jeder Versuch, eine Weiterentwicklung im Sound zu durchleben, wäre ihnen zweifellos als missglückt ausgelegt worden. Aber auch ein "Fuckin A II" wäre natürlich nicht in Frage gekommen. Die Thermals kümmern sich freilich einen Scheiß um musikjournalistische Spekulationen und machen das, wofür sie von Sub Pop bezahlt werden: Instrumente einstöpseln und Gehörgänge schrubben. Und nach den ersten Takten sitze ich mit offenem Mund da und frage mich: Kann ein Album eigentlich großartiger beginnen?

Irgendwo in der Ecke summt eine Hammond vor sich hin, Hutch Harris' Gitarre gesellt sich dazu, und dann beginnt er zu singen. Von Gott und wie er das Land überflutete und es mit Feuer überzog. Ja, Hutch, predige zu mir vom zürnenden Gott! Mehr davon! Spätestens mit dem Refrain von "Here's Your Future" bin ich überzeugt und selig. Dem religiös-moralischen Erbauungsstück mit Rockfaktor 110 folgen Bilder von Heuschrecken, die das Land befallen. Mehr Bibelbilder also. Ich werd' nicht mehr, was läuft hier ab? Die Thermals verbinden großes Rock'n'Roll-Tennis mit ebenso großen Texten. "Put on your best suit / you know the one they are gonna bury you in", heißt es in "An Ear For Baby", und dann wieder: Biblische Allegorien – "A Pillar Of Salt".

Das Highlight des Albums verkündet: "We were born to sin!", während Jordan Hudson seine Becken bearbeitet, als gäbe es für sie kein Morgen. Nie sind die Thermals mehr Punkrock auf ihrem dritten Album als jetzt. Der Moment zählt, die Sekunde kommt nicht zurück, und überhaupt: "A giant fist is out to crush us." Dass sie danach erstmal einen Gang zurückschalten, ist gerne zu verzeihen, die Thermals spielen derart gefühlvoll mit dem Gaspedal, dass nie Langeweile aufkommt, man aber auch nicht von allzu viel Geknüppel oder Zurückhaltung genervt ist.

A propos Zurückhaltung: ein Track wie "Test Pattern" gilt bei den Thermals wohl als Ballade. Ohne gleich wieder in die Vollen zu gehen, drehen die Thermals noch mal ein bisschen an der Geschwindigkeit. Die Midtempo-Stücke wie beispielsweise "St. Rosa And The Swallows" leben nicht nur von der technischen Harmonie der Band, sondern auch vom unbedingten Willen zur Melodie und Hudsons charismatischer, unverwechselbarer Stimme. Und davon, dass es nie zu sauber klingt. Die Gitarre darf jaulen und schreien, Verstärker dürfen brummen und sirren.

Und so reiht sich eine großartige Nummer an die nächste, mit "Power Doesn't Run On Nothing" steht fast am Ende noch ein derber Rausschmeißer, der, man glaubt es kaum, noch mehr zu wiegen scheint als alle anderen ohnehin schon tonnenschweren Tracks auf diesem Album. "I Hold The Sound" erleichtert die Entscheidung, was man nach dem Genuss von "The Blood, The Body, The Machine" mit dem angebrochenen Tag macht: weiterhören, immer wieder von vorne. Die Thermals haben wiederum ein Album aus dem Fels geschlagen, das in ein paar Jahren als heißer Anwärter auf die Auszeichnung "Klassiker" gelten dürfte.

Trackliste

  1. 1. Here's Your Future
  2. 2. I Might Need To Kill You
  3. 3. An Ear For Baby
  4. 4. A Pillar Of Salt
  5. 5. Returning To The Fold
  6. 6. Test Pattern
  7. 7. St. Rosa And The Swallows
  8. 8. Back To The Sea
  9. 9. Power Doesn't Run On Nothing
  10. 10. I Hold The Sound

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