31. Juli 2000

"Wir können uns auch von Coca Cola sponsorn lassen"

Interview geführt von

Zwar verpassten wir durch das Interview den Auftritt der englischen Groove Armada aber ein äußerst gesprächiger Stuart Chatwood (da ist der Name Programm) entschädigte für diesen Unbill.

Ihr habt letztes Jahr TRIPtych veröffentlicht. Seid ihr mit den Reaktionen zufrieden?

Wir bauen hier ja etwas auf. Die Dinge laufen vernünftig. Da wir immer noch eine relativ unbekannte Band sind und dadurch, dass wir hier nicht so viel touren, vergessen uns die Leute eben auch schneller. Wenn wir öfters hier gewesen wären, würde das sicher anders aussehen. Wir waren schon einmal bekannter hier und das verlorene Terrain müssen wir uns jetzt wieder erarbeiten. Es kamen damals so um die 1.500 Leute zu unseren Clubshows und da wollen wir wieder hin und ich denke, die Festivals, die wir jetzt spielen, helfen uns dabei sehr.

Ihr habt zur Tour eine Special Edition mit Live-Songs und B-Seiten rausgebracht. Wo habt ihr die Live-Stücke eingespielt? Man hört gar kein Publikum im Hintergrund.

Die Sachen wurden an verschiedenen Orten eingespielt. Wir haben mal eine Tour gemacht, bei der wir nur unsere Weltmusikinstrumente benutzten. Wir haben dann einige unserer Songs neu interpretiert, einige beließen wir im Original, weil in diesen Versionen die Weltmusikinstrumente schon vorhanden waren. Nach der Tour wollten wir das dann auch dokumentieren und haben sie im Studio eingespielt. Andere Tracks haben wir bei einer Fernsehshow aufgenommen, bei der sie uns eineinhalb Stunden freie Hand gelassen haben. Das war so eine Art "unplugged" Geschichte jedoch ohne die Zwänge, die einem MTV auferlegt. Auf dem zweiten Teil der Tour-CD ist zum Beispiel ein Remix von Rhys Fulber dem Fear Factory Produzent. Das war für uns dann einfach ein passender Anlass, die ganzen B-Seiten und Raritäten zu veröffentlichen, die viele sonst nie zu hören bekämen.

Du hast Rhys Fulber, den Produzenten von Fear Factory erwähnt. Wie kam es zu dieser doch recht ungewöhnlichen Zusammenarbeit?

Wir haben ihn gefragt, ob er "Sister Awake" remixen will, das war vor vier Jahren. Er war ein wenig misstrauisch, weil wir ja etwas ganz anderes machen als er. Er hat uns dann live gesehen und wie wir Weltmusik mit Rock verbinden. Ironischerweise hat er danach sehr viele Weltmusiksachen für seine Samples verwendet. Es war eine schöne Partnerschaft und mündete eigentlich in "Transmission", unserer bis dahin härtesten und elektronischsten Platte. Rhys und Jeff Martin planen, in nächster Zeit etwas zusammen zu machen und vielleicht ist er auch bei unserer nächsten Scheibe dabei.

Ihr spielt ja eine Menge außergewöhnlicher Instrumente. Ist das so eine Art Sport für euch, Instrumente zu entdecken, von denen man noch nie etwas gehört hat?

Ja schon aber wir planen das nicht vorher. Zum Beispiel entdeckten wir einige Instrumente, als wir zusammen mit Page & Plant unterwegs waren. Wir haben uns mit deren ägyptischem Orchester angefreundet. Hassan Ramzy, der Dirigent, kam nach einer unserer Shows und fand unsere Mischung ziemlich cool. Er hat dann gefragt, ob wir schon einmal vom Ud gehört hätten. Wir haben von diesem Instrument zwar schon gehört, besaßen damals aber keines. Sechs Wochen später hat es dann bei Jeff an der Tür geklopft, UPS-Sendung aus London! In einer großen Kiste war dann ein Ud. Was für ein großartiges Geschenk und dabei war noch ein Gruß von Hassan Ramzy: Macht weiter mit eurer tollen Musik. Dann waren wir in Australien. Dort haben wir das Esraj gefunden, eine Art Baby-Sitar, sie wird mit einem Bogen gespielt. Dann haben wir ein paar CDs gekauft und im Internet haben wir gelernt, wie man es stimmt. In der folgenden Nacht haben wir einen Song damit komponiert. Das ganze mündete schließlich in einen Song auf TRIPtych (Samsara). So ungefähr läuft das bei uns ab. Auf "Edges Of Twilight" benutzten wir zum Beispiel dreißig verschiedene Instrumente. Wir wollen ganz einfach immer neue unterschiedliche Sounds ausprobieren.

Oder Instrumente entdecken, von denen noch niemand zuvor gehört hat?

Ja, stimmt, ha ha, aber das ist jetzt nicht mehr so, wir wohnen in türkischer Nachbarschaft.

Page & Plant, wie war das, mit zwei Legenden unterwegs zu sein?

Das wäre alles super gewesen, wenn sie nur nicht unsere Show angeschaut hätten. Ich habe zur rechten Seite geschaut und da saß Robert Plant und hat sich ein Teeservice auf einen Tisch neben die Bühne gestellt. Er saß dann da und hat Tee getrunken, so ironisch sich das auch anhört. Auf der linken Seite stand schielend Jimmy Page. Nach dem Konzert bestanden sie darauf, uns zu sehen. Sie wollten nicht, dass wir gehen, weil wir nur eine Show mit ihnen gespielt haben. Nach ihrem Auftritt ist Jimmy Page zu Jeff Martin und hat ihn in den Arm genommen, schweißgebadet, Jeff dann auch, ... Er hat dann gemeint: "Wo wart ihr die ganze Zeit während dieser Tour? Wir hätten Euch gebrauchen können, die anderen Bands, die wir hatten, waren Scheiße!" An diesem Abend sind wir dann in eine Bar gegangen und Robert kam des Weges. Eine halbe Stunde später kam dann auch noch Jimmy und jeder war fasziniert, weil Jimmy eigentlich gar nicht mehr abends weggeht. Er hat sich dann mit Jeff alleine an einern Tisch gesetzt und jeden verscheucht, der näher rankam. Meine Freunde und ich waren einfach begeistert. Später hat Robert Plant gemeint: "Stuart, ich muss dann mal gehen!" Er hat all unsere Namen noch im Kopf gehabt und das war schon beeindruckend für so kleine Wichte wie uns. Seit dieser Zeit haben Jimmy und Jeff engen Kontakt.

Ihr habt auch eine eigene Homepage im Internet. Macht ihr die selbst oder habt ihr Leute, die euch die Arbeit abnehmen?

Ja, wir machen das selbst. Wir legen Wert auf ein einfaches Design. Ich mag keine Websites, wo von einem verlangt wird, jede freie Minute dort zu verbringen. Ich bevorzuge Sites, die mir die Information geben, die ich brauche, Literatur zum Beispiel, um danach dann zur nächsten zu wandern.

Ein großes Thema im Moment ist nach wie vor die MP3 Sache und das Brennen von CDs, wie seht ihr das?

Das ist ja eine andere Sache als damals, als das Kopieren auf Kassetten in Mode kam. Wenn es so einfach ist, dass sogar meine Mutter hingehen und wild in der Gegend herumkopieren kann, sollte das nicht erlaubt werden. Natürlich ziehe ich mir auch Sachen, aber als professioneller Musiker, der teure Platten macht, will ich natürlich davon leben können und weitermachen. Aber wenn dann nur noch 20 Prozent der Leute, die unsere Musik hören, die Platten auch bezahlen, dann können wir das nicht mehr machen. Als Alternative könnten wir uns natürlich auch von Coca Cola sponsorn lassen.

Habt ihr eigentlich auf so großen Festivals die Zeit und die Lust, euch andere Bands anzuschauen?

Ich habe mir Groove Armada angeschaut, die waren voller Energie.

Danke, die habe ich verpasst, weil ich auf einen von euch warten musste!

Oh ja? OK, sie waren scheiße ha ha! Nein, im Ernst, sie waren richtig gut. Bei Rock am Ring haben wir uns die Counting Crowes, Live, Bush, Oasis und Pearl Jam angeschaut. Von all diesen Bands fand ich Bush noch am unterhaltsamsten, obwohl ich kein großer Fan ihrer Musik bin und auch keine Platten besitze. Aber sie haben die Massen am besten unterhalten. Pearl Jam waren mir zu schlapp aber ich bin ja auch kein Pearl Jam Fan. Und gestern haben wir uns Project Pitchfork angeschaut. Ist aber auch nicht meine Musik.

Stuart, danke für dieses Gespräch

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