9. Juli 2012

"Auch Punker zahlen Miete"

Interview geführt von

Passend zum Sommerbeginn kommt das neue Album einer Band daher, die seit gut zwanzig Jahren in regelmäßigen Abständen für Partygelüste unter Freunden punkrockiger Klänge sorgt. The Offspring hatten ihre Glanzzeiten Mitte der Neunziger, durchlitten zu Beginn des neuen Jahrtausends wie viele andere Bands ihrer Generation das Tal der Bedeutungslosigkeit und besinnen sich dieser Tage wieder auf ihre Tugenden. Denn hält man auf ihrem neuen Album "Days Go By" die beiden pubertären, fahnenflüchtigen "Cruising California" und "OC Guns" unter Verschluss, erfreut man sich beim Rest des Materials an erfrischendem Arena-Rock mit Punk-Einschlag.All das klingt nach einer Band, die im Herbst ihrer Karriere entspannt und unspektakulär ihren Stiefel runterspielt, bis halt irgendwann die Klampfen zu schwer werden und man sich in die Rockerrente verabschiedet. So richtig relaxt geht es im Lager des Quartetts aber derzeit nicht zu, denn keine andere Band wurde in den letzten Jahren dermaßen oft mit der Genrezugehörigkeitsfrage belästigt wie The Offspring. Und auch dieser Tage entdeckt man kaum ein Interview, in dem nicht irgendwann die Frage auftaucht: Seid ihr eigentlich noch Punk? The Offspring-Bassist Greg Kriesel zeigt sich dahingehend allerdings alles andere als genervt und präsentiert sich uns stattdessen im Interview mit dickem Fell.

Hi Greg: Habt ihr überhaupt noch Lust Interviews zu geben?

Greg: Selbstverständlich. Warum fragst du?

Nun, ich habe ein bisschen recherchiert und habe gemerkt, dass ihr bereits seit vielen Jahren mit der immer gleichen Frage konfrontiert werdet.

Greg: (unterbricht mich) Bevor du weiter redest; ich weiß, was jetzt kommt (lacht). Du meinst die Frage, ob wir noch Punks sind, stimmt's?

Genau.

Greg: Nun, ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, warum wir uns dazu immer wieder aufs Neue äußern müssen. Irgendwie kommen viele Journalisten scheinbar nicht ganz klar mit der Entwicklung der Band.

Demnach nervt es euch?

Greg: Ich finde es einfach nur ein bisschen traurig. Ich meine, who cares? Punk, Rock, Alternative: Wen interessiert schon eine genaue Definition? Wir haben uns noch nie hingesetzt und behauptet, eine reine Punkband zu sein. Natürlich haben wir viele Elemente aus diesem Genre in unserem Sound, aber das ist nur ein Teil des Ganzen. Und wer genau hinhört, der wird feststellen, dass das auch schon ganz am Anfang so war. Heutzutage musst du einfach irgendwo reinpassen. Die Leute wollen definieren und kategorisieren. Für alles gibt es eine Schublade. Sobald es eine Band gibt, die nicht klar verstaubar ist, ist das Geschrei groß. So ist das halt.

Hast du das Gefühl, dass ihr euch fast schon rechtfertigen müsst?

Greg: Nein, nicht wirklich. Ich glaube, wir sind alle schon lange genug Teil des Business, um zu wissen, wie man mit so etwas umgeht. Das Problem ist einfach, dass es bei dem einen oder anderen gar nicht so sehr um die musikalische Entwicklung geht, sondern darum, dass eine Band mit punkigen Roots Millionen Platten verkauft. Dann ist von Verrat an der Ideologie des Genres die Rede und lauter so ein Quatsch. Ich kenne keine Band, und sei sie noch so Punk, die sich nicht freut, wenn die Musik die sie macht, dazu führt, dass am Ende des Monats die Miete bezahlt werden kann.

"Wir machen nicht nur Musik, weil es unser Job ist"

Vielleicht stören sich Eingefleischte an der Auswahl eurer Singles, die ja letztlich die erste Aufmerksamkeit für ein neues Album entfachen. Als da wären: "Pretty Fly (For a White Guy)", "Why Don't You Get a Job?", "Original Prankster" und ganz aktuell "Cruising California". Alles doch eher Songs, die etwas anders klingen als der Rest des jeweiligen Albummaterials. Was meinst du?

Greg: Es geht uns einfach darum, den Leuten zu zeigen, dass wir uns stetig weiter entwickeln. Das ist letztlich der Hauptgrund, warum wir all diese Songs ausgekoppelt haben. Komischerweise funktionieren diese Songs aber live mit am besten. Und es flippen dann nicht nur die Mainstream-Fans aus, sondern auch die im Dead Kennedys- oder Ramones-Shirt, verstehst du?

Ich denke, dass auch euer neues Album in beiden Lagern Freunde finden wird. Wie siehst du das?

Greg: Das hoffe ich. Es gibt definitiv viel zu entdecken auf dem Album. Dennoch klingt jeder Song nach The Offspring. Und genau das ist uns wichtig gewesen.

Habt ihr euch soundtechnisch extern inspirieren lassen? Ich denke da insbesondere an Bands wie die Foo Fighters oder auch The Cult.

Greg: Es gibt sicherlich einige Songs, die in diese Richtung gehen, aber auf dieser Basis arbeiten wir schon seit vielen Jahren. Mir wurde auch schon des Öfteren gesagt, dass insbesondere "Days Go By" stark nach The Cult klingen würde. Wenn du dir ältere Songs wie "The Kids Aren't Allright" oder "Want You Bad" anhörst, wirst du feststellen, dass diese Songs einen ähnlichen Aufbau und Grundsound haben.

Wir haben uns beim Schreiben nicht von anderen Bands beeinflussen lassen, sondern nur auf uns geguckt. Wir sind jetzt seit mehr als 25 Jahren unterwegs. Irgendwann hört man einfach auf, sich zu sehr von anderem leiten zu lassen. Wenn man eine Band gründet, geht es zunächst in erster Linie darum, eine eigene Identität zu finden. Diesen Prozess haben wir auch durchlaufen. Ich würde sagen, dass wir ab der "Ixnay On The Hombre" aufgehört haben, uns allzu sehr auf Externes zu konzentrieren.

Gab es einen Schlüsselmoment in punkto Selbstfindung?

Greg: Bis zur "Smash" haben wir alle noch nebenbei gearbeitet und sind zur Uni gerannt. Die Band war nicht mehr als ein Spaß-Projekt. Nach den Single-Erfolgen von "Come Out And Play" und "Self Esteem" war aber Schluss mit lustig (lacht). Danach war uns klar, dass wir von nun an von der Musik würden leben können. Wenn dieser Punkt erreicht ist, geht man automatisch anders mit dem Ganzen um. Alles wird ernster und professioneller. Man will einfach sein eigenes Ding daraus machen. Irgendwann hat man dann die Basis, auf der sich alles Folgende aufbaut.

Leidet nicht irgendwann der kreative Prozess darunter, wenn man sich ausschließlich nur noch mit sich und seiner eigenen Vergangenheit beschäftigt und keinen Input mehr von außen zulässt?

Greg: Ganz so drastisch ist es ja auch nicht. Natürlich hört man sich um und schaut was andere Bands so von sich geben. Wir sind schließlich nicht nur Musiker, sondern auch Konsumenten. Wir machen nicht nur Musik, weil es unser Job ist. Wir alle lieben Musik, und wir alle hören auch viel Musik. Es sind auch nicht immer nur unsere eigenen Alben, die bei uns zuhause rauf und runter laufen (lacht). Aber wenn es um das eigene Schaffen geht, dann rückt man nicht mehr vom selbst gelegten Fundament ab.

Ich meine, die Foo Fighters oder The Cult sind ähnlich lange unterwegs. Ich würde behaupten, dass die auch nicht mehr allzu häufig über den eigenen Tellerrand schauen. Warum auch? Anders ist es vielleicht mit Bands, die permanent zwischen verschiedenen Genres hin und her hüpfen. Aber bei uns sind die Wurzeln mittlerweile klar definiert.

"Durch das Internet hat das Produkt Album an Wert verloren"

Es gibt auf dem Album einige Songs, bei denen Josh Freeze die Drums eingespielt hat. Wie kam es dazu?

Greg: Das hat sich einfach so ergeben. Wir haben immer noch ein tolles Verhältnis zu Josh und es gab einfach Songs, die wie gemacht waren für seinen Drum-Style. Pete war einfach an einigen Aufnahmetagen nicht entbehrlich, also fragten wir Josh, ob er nicht Lust hätte bestimmte Parts einzuspielen. Das Ganze hat aber keine größere Bedeutung.

Ihr hattet bereits einen Großteil der Songs im Frühjahr 2011 im Kasten. Statt die Produktion zu beenden habt ihr euch aber dann im Sommer entschlossen auf Festival-Tour zu gehen. Brauchtet ihr etwas Abstand vom Aufnahmeprozess?

Greg: Grundsätzlich waren wir schon sehr zufrieden mit den ersten Recordings. Aber irgendwie fehlte noch ein bisschen Frische, also haben wir uns entschieden, noch ein paar Shows dazwischen zu schieben, um den Kopf wieder etwas frei zu bekommen und neue Ideen zu sammeln. Ich glaube diese Auszeit hat dem Album letztlich sehr gut getan. Außerdem ist Europa immer eine Reise wert.

Wenn dort die großen Festivals rufen, dann kann man schwer nein sagen. Wir hatten zudem die Möglichkeit schon einige neue Songs live zu testen. Danach sind wir wieder zurück ins Studio und haben mit Bob zusammen noch mal richtig Gas gegeben. Eigentlich dachten wir, dass wir früher fertig werden würden. Aber es zog sich dann doch noch etwas hinaus.

Ihr habt jetzt das zweite Album hintereinander unter der Regie von Bob Rock aufgenommen. Da scheint sich mittlerweile so eine Art Zwei-Alben-Rhythmus bei euch einzustellen, wenn es um die Produzenten-Personalie geht. Sitzt demnach beim nächsten Output wieder ein neues Gesicht hinter den Reglern?

Greg: Vielleicht sieht es auf den ersten Blick nach einem Ritual aus, aber so ist es nicht. Die Entscheidung, wer bei einem Album Regie führt, ist mit die wichtigste, die es zu treffen gilt. Da machen wir uns keinen Spaß draus. Dass es die letzten Jahre so lief, dass Dave Jerden, Brendan O'Brian und Bob Rock je zwei Alben produziert haben, hat nichts mit irgendeinem Rhythmus zu tun, den wir beibehalten wollen. Es geht einfach darum, für den jeweiligen Moment, den passenden Mann zu finden.

Wir sind sehr glücklich mit den Resultaten der letzten Jahre, und finden, dass jeder, egal ob Dave, Brian oder Bob einen tollen Job gemacht hat. Ob wir jetzt beim nächsten Album wieder ein neues Gesicht präsentieren werden, kann ich dir nicht sagen. Das hängt auch davon ab, was wir in punkto Sound in Zukunft machen wollen.

Mir ist gerade in alten Interviews aufgefallen, dass ihr damals kaum eine Gelegenheit ausgelassen habt, um eure Pro-Internet-Meinung nach außen zu tragen. Steht ihr dem Ganzen heute auch noch so positiv gegenüber?

Greg: Grundsätzlich schon, auch wenn wir früher als Kids eine ganz andere Herangehensweise hatten. Wir sind in einer Zeit aufgewachsen, als ein Album noch das Königsprodukt eines jeden Künstlers war. Es ging um komplette Geschichten, inklusive einer aufwendigen Verpackung. Das spielt für die Fans heutzutage kaum mehr eine Rolle.

Durch das Internet hat das Album als Produkt an Wert verloren. Das ist etwas, was ich persönlich sehr schade finde. Es geht fast nur noch um Singles. Kaum jemand nimmt sich heute noch die Zeit, ein komplettes Album durchzuhören. Das macht es vor allem für Bands schwierig, die keinen Wert auf Hit-Singles legen. Viele grandiose Alben, die über keine massentauglichen Singles verfügen, kommen erst gar nicht an die Oberfläche. Das ist sicherlich eine Entwicklung, die nachdenklich stimmt.

Auf der anderen Seite war es noch nie so einfach, seine Musik einem breiten Publikum vorzustellen, wie dieser Tage. Also, ich denke, gerade für junge Bands ist das Internet ein absoluter Glücksfall. Wir mussten uns damals den Hintern wund spielen, ehe überhaupt Notiz von uns genommen wurde. Heute spielst du einen Song ein, stellst ihn ins Netz und mit ein bisschen Glück hast du eine Woche eine Fangemeinde am anderen Ende des Planeten. Das ist schon toll. Fakt ist, egal wer, alle müssen sich mit dem Internet auseinandersetzen. Denn es wird nicht mehr von der Bildfläche verschwinden.

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