7. April 2008

"Deutsch klingt cool!"

Interview geführt von

Am 4. April kam nach fünf Jahren Funkstille "Mountain Battles" von The Breeders in den Handel. Im Interview sprechen Kim und Kelly Deal über deutsche Kriegsherren, Alkoholprobleme und Tom Cruise' Leidenschaft.Kim schleicht mit einer Müslischale in der Hand durch die Empfangshalle des Hamburger Hotels und mag im Shirt mit Wolfsaufdruck, Karohemd und zerfransten Jeans partout nicht zu den Designer-Möbeln passen. Sie ist zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Kelley zu Promozwecken mit dem neuen Breeders-Album "Mountain Battles" auf Europareise.

"Mountain Battles" ist sehr soft und eingängig. Es gibt viele experimentelle Songs, darunter einen deutschen und einen spanischen. Die Idee dazu kam spontan - dass keines der Mitglieder die Sprachen spricht, war kein Hindernis. Der Versuch, sich in den von Kim gelernten deutschen Worten zu unterhalten, scheitert erwartungsgemäß. Überrascht, dass ich den Text des Songs nicht richtig verstehe, sind sie auch nicht.

"Ich wollte nicht nach deutschem Kriegsführer klingen"

"Es geht dabei nicht ums Deutsche", erläutert Kim und erzählt mir mit ihrer Luftgitarre in den Händen vom Schaffensprozess, der beim Riff beginnt und beim Text endet. "Ich will mich gar nicht 'deutsch' anhören, das bin ich schließlich nicht. Ich finde, es hört sich einfach gut an. Die Sprache klingt cool. Stimmig und harmonisch". Mit lauter und tiefer Stimme erklärt sie: "Ich wollte nicht nach deutschem Kriegsherren klingen".

Bis zu "Title TK" scheint die Band neun Jahre tot gewesen zu sein. Für die Produktion von "Mountain Battles" vergingen weitere fünf. In der Zwischenzeit war Kelley auf Heroin- und Kim auf Alkoholentzug. Zudem hatte Kim mit den Pixies ein erfolgreiches Comeback. Wieso es allerdings so lange gedauert hat bis zum vierten Output der Band, wissen sie selbst nicht.

"Wir haben nach "Title TK" noch im selben Jahr mit den Aufnahmen angefangen und eigentlich daran durchgearbeitet". Abgesehen vom Arbeitsaufwand durch die zwei Fremdsprachen erschwerte ein weiteres Problem die Aufnahmen: Kim wohnt mit ihren Eltern in Dayton/Ohio, um ihre Alzheimer erkrankte Mutter zu versorgen. Kelly, Drummer Jose Mendeles und Bassist Mando Lopez wohnen im über 3.000 km entfernten L.A. "Wir treffen uns immer in Dayton und proben da in einem Haus. Das sind dann immer so richtige Bandcamps mit Picknicks und so."

"In Wirklichkeit habe ich aber keine Ahnung, wieso es so lange gedauert hat, bis die Platte fertig war. Ich meine, wir haben die ganze Zeit durchgearbeitet."

Tom Cruise' Leidenschaft: Scientology

Als Grunge-Oldies bevorzugen The Breeders traditionelle Aufnahmetechniken. Mit Hilfe von Steve Albini, der schon Nirvanas "In Utero" und "Surfer Rosa" von den Pixies produzierte, entstand "Mountain Battles" komplett analog. "Die digitalen Leute waren schon immer die Snobs". Das Management war trotzdem nicht begeistert - mit Hilfe herum liegender Gegenstände spielt Kim mir die Auseinandersetzung vor.

Kim ist eine kleine Birne, die stets für die Echtheit des Analogen plädiert. Ihr überdimensionales Handy verkörpert mit "deutscher Kriegsherren"-Stimme das Management, das die Haltung "digital geht alles schneller, und schneller ist besser als real. Real ist nur verschwendete Zeit" vertritt.

Das Gespräch über die Aufnahmen mit Steve Albini bringt Kim auf ihr früheres Alkoholproblem zu sprechen. Eine Party von Albini war der Auslöser, vom Trinken abzulassen. "Ich war so besoffen, ich dachte ich müsste sterben. Das war einfach zu viel, und da entschied ich mich dazu, aufzuhören". Kim erzählt von den Schmerzen beim Entzug und zitternden Organen, die ihr so einen Schrecken eingejagt hätten, dass sie bis heute keinen Tropfen mehr angerührt hat. In Deutschland freut sie sich jedes Mal über das alkoholfreie Beck's. "Das schmeckt so gut, ich liebe es".

Schließlich kommt Kelly auf Tom Cruise und seine Scientology-Rede. "Irgendwie ist es ja schon schön, wenn jemand so viel Leidenschaft für etwas aufbringen kann. Aber es ist auch so unfair: Die Scientologen müssen keine Kirchensteuer zahlen, obwohl es eine Religion ist."

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