10. Februar 2014

"Welcher Künstler würde nicht sofort unterschreiben?"

Interview geführt von

Das achte Studioalbum ist endlich auf dem Markt ("Tales From The Realm Of The Queen Of Pentacles") – das erste nach sieben Jahren "Pause". Zwar hat die Songwriterin in den letzten Jahren ihren halben Back-Katalog neu interpretiert und nebenbei noch auf der Theaterbühne für Furore gesorgt, doch auf wirklich neue Songs der Kalifornierin mussten die Fans lange warten.

Vor knapp dreißig Jahren war der Name Suzanne Vega in aller Munde. Mit ihrem zweiten Album "Solitude Standing" und den darauf enthaltenen beiden Songs "Tom's Diner" und "Luka" drängte sich die Sängerin praktisch über Nacht ins internationale Rampenlicht. Der Song "Luka" schaffte es seinerzeit gar in die Top 3 der amerikanischen Billboard-Charts. Plötzlich erschien Suzannes Konterfei in Magazinen, die sich mit Topleuten der Kategorie Springsteen, Jackson und Ciccone beschäftigten.

Suzanne Vega wurde zum Star – zumindest eine Zeit lang. Heute ist vom einstigen Ruhm nur noch wenig übrig, denn keine der Nachfolgeveröffentlichungen innerhalb der vergangenen 30 Jahre konnte auch nur annähernd an den Erfolg des Zweitwerks aus dem Jahr 1987 anknüpfen. Selters statt Sekt und Kopfsteinpflaster anstelle von roten Teppichen – Die Folkpop-Bardin verdiente sich in der Vergangenheit ihre Brötchen eher im Schatten der breiten Masse, ein Zustand, mit dem die Amerikanerin allerdings überhaupt keine Probleme hat, wie sie uns bei Wasser und Kerzenschein in einem Berliner Allerwelts-Café verrät.

Hallo Suzanne, vor dreißig Jahren hättest du einen Pressetag in Berlin wahrscheinlich an einem etwas feudaleren Ort verlebt, oder?

Suzanne: (lacht) Ja, gut möglich. Aber es ist doch sehr schön hier. Vielleicht ein bisschen laut - aber gemütlich.

Von Wehmut keine Spur?

Nein, absolut nicht. Die Zeit damals war sehr aufregend für mich. Sie war aber auch sehr anstrengend, angsteinflößend und oberflächlich. Ich wollte nie ein Star sein. Das war nie mein Antrieb. Ich sah mich eher als universellen Künstler, der Freude daran hatte, wenn sich die Menschen mit den Songs auf irgendeine Art und Weise identifizieren konnten. So fühle ich auch heute noch.

Also hast du keine Probleme damit, wenn heute die meisten Leute beim Klang deines Namens meist Folgendes sagen: 'Sie hatte doch zwei Hits damals. Wie hießen die doch gleich noch mal?'

Nein, nicht die Spur. Ich habe diesen beiden Songs sicherlich eine Menge zu verdanken, keine Frage. Sie öffneten mir Türen, füllten mein Konto und ließen mich viele spannende und interessante Menschen kennenlernen. Aber ich bin kein Mensch, der in der Vergangenheit lebt und mit dem Finger auf Leute zeigt, die nicht mehr genau wissen, welche Songs im Jahr 1987 im Radio liefen. Das interessiert mich nicht. Außerdem ist es ja auch nicht so, dass alles was von mir danach kam komplett an der Öffentlichkeit vorbei ging. Es gibt Songs wie "The Queen And The Soldier" oder auch "Caramel" – Songs, die zwar keine Radiohits waren, mit denen ich aber trotzdem viele Menschen erreicht habe.

Es gibt sogar Leute, die nach einem Konzert von mir auf mich zukommen und mir sagen, dass sie "Luka" besonders schön fanden und mich fragen, auf welchem Album dieser Song denn zu finden sei. So etwas passiert auch. Dass sind dann die Leute, die durch andere Lieder auf mich aufmerksam wurden. Und das zeigt mir dann immer wieder, dass mein Leben nicht nur aus "Luka" und "Tom's Diner" besteht.

Andererseits: Ich meine, ich weiß nicht, wieviele Künstler heutzutage nicht sofort unterschreiben würden, wenn ihnen jemand die Garantie gäbe, dass zwei ihrer Songs auch in dreißig Jahren noch im Radio laufen werden. Ich glaube, es wären ziemlich viele, die sich auf eine solche Aussicht freuen würden.

"Es ist spannend, wenn ein Künstler dem Song eines anderen ein neues Gesicht verpasst"

Wir reden hier auch nicht über zwei Songs, die irgendwann einmal in den Charts waren, in punkto Langlebigkeit aber keine großen Spuren hinterließen. Ich habe erst neulich wieder gelesen, dass beispielsweise "Tom's Diner" zu den meist gecoverten Songs aller Zeiten zählt.

Und das Schönste dabei ist, dass es sich bei den meisten Interpretationen nicht um branchenverwandte Coverversionen handelt. Da sind Versionen von Künstlern bei, bei deren Musikrichtung sich bei mir tausende Fragezeichen im Kopf ansammeln (lacht).

Ich denke da immer zuerst an die Versionen von DNA und R.E.M.

Ja, das tun die meisten. Momentan gefallen mir besonders die beiden Versionen von Snoop Dog und Nikki D, auch wenn beide eigentlich nur mit dem Fundament des Originals arbeiten.

Gibts denn mittlerweile auch Versionen, bei denen du die Hände vor dem Gesicht zusammenschlägst?

Nein, eigentlich nicht, auch wenn es viele Versionen gibt, die mit dem ursprünglichen Vibe und der eigentlichen Geschichte des Songs nicht mehr viel zu tun haben. Das ist aber überhaupt kein Problem für mich – im Gegenteil. Ich finde es wesentlich spannender, wenn ein Künstler dem Song eines anderen ein völlig neues Gesicht verpasst, anstatt einen Song einfach nur simpel nachzuspielen. So entsteht im Grunde ein völlig neuer Song. Das finde ich toll.

Es gibt nicht nur zahllose Coverversionen von "Tom's Diner", sondern es gab seit der Veröffentlichung des Songs im Jahr 1987 auch unzählige Anfragen von Firmen und Unternehmen, die den Song gerne für Werbezwecke benutzt hätten. Ich las sogar von einer Produktionsfirma für pornografische Medien ...

Ja, da kamen über die Jahre haufenweise skurrile Anfragen zusammen.

"Du meinst die Porno-Sache?"

Was ist aus dem Angebot besagter Adult-Firma geworden?

Du meinst die Porno-Sache?

Ja.

Da kann ich dich beruhigen. Da ist nichts draus geworden. Ich meine, hallo? Das passt ja nun wirklich nicht, oder?

Nicht unbedingt.

Eben. Da haben wir natürlich einen Riegel vorgeschoben. Es gibt einfach Grenzen, die man nicht überschreiten sollte. Aber es ist schon interessant, mit was für Leuten und Situationen ich aufgrund dieses Songs über die Jahre überall auf der Welt konfrontiert wurde. Mit einem solchen Echo hätte ich niemals gerechnet, als ich den Song schrieb.

Lass uns jetzt über die aktuelle Situation reden. Mit welchem Echo rechnest du hinsichtlich deines neuen Albums "Tales From The Realm Of The Queen Of Pentacles"?

Da ist schwer zu beantworten. Ich denke, dass sich vor allem die Menschen über das Album freuen werden, die mehr auf die kompakteren und organischeren Werke von mir stehen. Das Album hat einen gewissen Bandcharakter, finde ich.

Es geht bisweilen auch rockiger zur Sache.

Ja, das stimmt. Wie gesagt, das Album klingt eher nach einer Band als nach einem Solokünstler.

Deine letzte Studioplatte war ein Konzeptalbum. Es ging im Wesentlichen um deine Wahlheimat New York. Folgst du nun abermals einem festen inhaltlichen Pfade?

Es zieht sich schon ein gewisser roter Faden durchs Album. Aber ich würde es nicht als Konzeptalbum bezeichnen.

Welcher Faden denn?

Es geht um die Verbindung zwischen Körper und Geist. Ich glaube, dass viele Menschen gar nicht wissen, wie eng diese beiden Dinge miteinander verknüpft sind.

Klingt spannend.

Absolut. Aber keine Angst: Es wird nicht zu spirituell werden (lacht).

Abschließend muss ich noch kurz auf ein trauriges Thema zu sprechen kommen. Es geht um den Verlust von Lou Reed – einer deiner engsten Musikerfreunde. Ich will dich damit auch gar nicht lange quälen. Mir blieb nur ein Zitat von Jim Jarmusch haften. Er sagte: 'Vielleicht gerade mal 2.000 Leute haben damals eine Platte von Velvet Underground gekauft. Und jeder von ihnen hat eine Band gegründet.'

Ein sehr schönes Statement, wie ich finde. Es bringt den künstlerischen Aspekt exakt auf den Punkt. Lou war aber weit mehr, als nur ein Künstler. Er war vor allem ein toller Mensch mit Ecken und Kanten. Er war ein Freund. Es wird noch eine ganze Weile dauern, ehe ich überhaupt realisiert habe, dass ich nie mehr mit ihm sprechen werde können.

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