laut.de-Kritik

Der kompetenteste Pappkamerad in der Modus Mio-Playlist.

Review von

Summer Cem hat den viralsten Deutschrap-Song der Welt. Das ist ein Fakt. "Tmm Tmm" wurde fast 200 Millionen mal auf YouTube angeschaut und rangiert damit im Power-Ranking noch vor allen Capital Bras, Meros und Enos. Wild, dass dieses Banger Musik-Mauerblümchen, das bislang eher als Randnotiz und Stallfüller besprochen wurde, sich in Sachen Modus Mio-Ruhm so weit nach oben schaufelt. Sein neues Album "Nur Noch Nice" ist von dieser Aufbruchsstimmung geprägt. Summer Cem wirkt hier wie der OG des Spiels. Und vertuscht damit fast, dass es halt trotzdem ein unoriginelles und lätschiges Spiel ist.

"Nur Noch Nice" versammelt die Straßenrap-Goes-Guccistore-Avantgarde der letzten Jahre zu einem Kongress, der "same old shit" als Projektplan des Jahrhunderts verkauft. Es braucht nicht lange, um sehr viele konsequenzfreie Verweise zu finden. Auf Autos, die Cem fährt, Marken, die er trägt und Hater, denen er es zeigt. So weit, so gewöhnlich, denn am Ende des Tages muss es ja die Musikalität und die Authentizität richten, mit der Summer Cem die selbe Soße aufkocht.

Interessant ist an dieser Stelle ja, dass Summer Cem gar kein OG an dieser Front ist. Die letzten Platten waren all over the place, mal Proll mit versteckter Liebenswürdigkeit, mal Battlerapper, mal KC Rebell-Wannabe. Erst seitdem er mit einigermaßen hippen Produzenten arbeitet, gibt es von ihm überhaupt nennenswerten Chart-Appeal. Er habe lange auf den Hype gewartet, heißt es dann zwischendurch. Er musste eben auch einiges durchprobieren, bis ein Schuh mal wirklich gepasst hat. Pop-Trap, also.

Man möge festhalten: Er ist nicht unbedingt schlecht darin. Seine Catchphrases sind ein bisschen durchdachter und technischer, als man es dem Subgenre unterstellt, seine Stimme lebt von einem ansprechenden Bass und einer rauen Gediegenheit, und auch den Luxus-Rap-Part erfüllt er solide. Nicht, dass man hier soweit gehen könnte, Bars zu zitieren, aber zumindest findet sich vereinzelt Lebendigkeit und Bildhaftigkeit in seinen Reichtums-Plattitüden. Man kauft ihm bei seinen Fantasien über "Rollerblades" und absurden Luxus tatsächlich glatt ab, dass dieses neue Leben Spaß macht.

Auch in Sachen Produktion gibt es Highlights. Der Opener "Ghost" geht in einen brachialen Beatwechsel über, "Swish" kommt mit einer Smoothness in den Drumpattern, die man sonst eher einem DA Duran unterstellen würde. Der Rest geht leider zu großen Teilen auf die Kappe von Miksu und Macloud, die an diesem Punkt die formelhaftesten Produzenten der Deutschrap-Geschichte sein müssen. Weit entfernt von ihrer letzten wirklichen Heldentat liefern sie Fließband-Geklimper zwischen Marimba und anderen ausgelutschten Sounds, gekoppelt an die immergleichen Drum-Blöcke, die sich zwar bedingt an die Gäste anpassen, die aber nur selten wirklich Schwung in die Kiste bringen.

Es ist generell interessant, wie biegsam Summer Cem sich seinen Features anpasst. Wenn Haftbefehl im Assis-In-Paris-Modus den besten Part des Albums kredenzt, wird auch Cem etwas raubeiniger. Dafür begibt er sich mit ruhigeren Zeitgenossen wie Elias oder Reezy in völligen Drake-Wannabe-Modus und klingt zumindest homogen mit den uninsiprierten Beats. Entsprechend gefächert liegen die Trackqualitäten oft an der Menge der Lust, die die Gäste hatten. Capital Bra und Gringo überraschen: Gringo hat Energie ohne Ende und geht neben Haftbefehl in einen der flowstärksten Parts über, der Bra bringt – man glaube es oder nicht – den textlich interessantesten Verse mit einer paranoiden Verhandlung seines Alter Egos Joker Bra. Wem von beiden steht nun seine Seele zu? Deeper Shit für einen Song über Geldsteine.

Macht der Gast aber Murks, sieht Cem es zumeist auch nicht ein, den Kahn zu retten. Farid und Bausa klingen belanglos, KC Rebell und Luciano bleiben auf recht standardisierten Verses sitzen. Interessanterweise schlägt sich der Gastgeber auf den Solotracks im Durchschnitt besser. "Swish" kommt mit dem Basketball-Thema zwar so generisch, wie es nur geht, aber einigermaßen hungrig. Der Closer "Primetime" schneidet mit seinem Eingeständnis, dass der Tod seiner Oma ihm manchmal hinter der kalten Fassade wehtut, überraschend tief. Ein sehr menschlicher und handwerklich starker Moment, um die Platte zu schließen.

Mensch Meier, man könnte fast meinen, dass Charakterisierung einen Rapper manchmal interessanter macht. Leider lässt Summer Cem auf "Nur Noch Nice" nur so viel davon durchblitzen, dass man ihm irgendwie abkauft, nicht einfach nur der nächste Modus Mio-Pappaufsteller zu sein. Die Platte krankt an vielen zeitgenössischen Schwächen. Vor allem dem komplett pappigen Miksu-Macloud-Monopol-Sound, für den Einheitsbrei noch zu vielseitig klingt und einer Übersättigung der immer selben Rapper und damit verbundenen Klischees, um wirklich zu überraschen.

Aber dass hier irgendjemand überrascht werden sollte, glaubt ja eh keiner. Es ist guter Durchschnitt für das deutsche Trap-Genre, aber sicher nichts, was in Jahren noch als Maßstab herangezogen wird. Summer Cem ist kompetent, weiß, was er tut und hat Ausstrahlung. Er ist als Typ zu interessant, um langweilig zu sein, aber die Platte ist zu langweilig, um interessant zu sein. Würde er sich weniger hinter Genre-Klischees und Vetternwirtschaft verstecken, könnte er sicher ein spannenderes Trap-Album machen. Aber warum der Aufwand, wenn es sich eh verkauft.

Trackliste

  1. 1. Ghost
  2. 2. Rollerblades (feat. KC Rebell)
  3. 3. Fatality (feat. Haftbefehl)
  4. 4. Donatella (feat. Farid Bang)
  5. 5. Summer Cem (feat. Luciano)
  6. 6. Sky Is The Limit
  7. 7. Diamonds (feat. Capital Bra)
  8. 8. Bayram (feat. Elias)
  9. 9. Swish
  10. 10. Yallah Goodbye (feat. Gringo)
  11. 11. Farben (feat. Bausa)
  12. 12. Prada Linea Rossa (feat. Reezy)
  13. 13. Primetime

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4 Kommentare mit 11 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    Ghost in ein dreistes Plagiat von "Out for the Night Part II".

  • Vor 4 Jahren

    Die Rezension geht an sich durchaus klar, aber die Kritik an den Produktionen, die übrigens nur zum Teil von Miksu und Macloud kommen, verstehe ich nicht. Es wäre ja schön, wenn das deutschraptypisches Mittelmaß wäre, aber leider sieht die Realität anders aus.
    Das Capital-Feature hat mich auch positiv überrascht. Einen so soliden Part hatte er auf ganz "Berlin lebt 2" nicht. Haftbefehls Part finde ich dagegen gut, aber nicht überragend. Da gefallen mir Summers Strophen auf "Primetime" besser.
    Insgesamt ist das kein AOTY-Anwärter oder so, aber ein paar starke Songs für die Playlist hat Summer wieder abgeliefert, neben "Primetime" u. a, "Swish", "Fatality" oder "Diamonds".

    • Vor 4 Jahren

      Du offenbarst mit deinem Summer Fanboitum eine bisher (zumindest von mir) nicht wahrgenommene Seite von Dir! Schläfst du nachts im Banger-Musik Pyjama? :ill:

      Spaß beiseite: Finde das auch solider als ich eigtl erwartet habe. "Swish" gefällt mir sogar echt ziemlich gut!

    • Vor 4 Jahren

      Zu GD-Zeiten war ich echt Fan und habe mich auf jeden neuen Verse gefreut, aber das hat sich mit seinem Solo-Output schnell gelegt. Vielleicht kommt bei mir ja ein bisschen der alte Fan durch, weil es mich schon freut, dass er jetzt brauchbare Mucke macht und auch mal sein Hak kriegt. :D Immerhin musste er es fast ein Jahrzehnt lang mit Eko aushalten. Der Vorgänger war aber schon besser.

    • Vor 4 Jahren

      Ja, mich freut das ja auch, dass er sein Hak bekommt, sicherlich der Talentierteste bei Banger Musik, wobei das halt auch nicht so wirklich schwer ist. :ill:
      Um Ekrem tut es mir immer irgendwie Leid, der hätte so als Dude das Hak auch verdient. :(

    • Vor 4 Jahren

      Eko hatte vor einigen Jahren doch kurzzeitig viel Liebe abbekommen, aber hat das dann in Rekordzeit an die Wand gefahren, weil er im Herzen kein Rapper oder gar Künstler, sondern C-Promi ist. Der macht echt alles für Geld und Aufmerksamkeit, z. B. auch Auftragsarbeiten für die bpb:

      https://twitter.com/EkoFreezy/status/11924…

      Der ist für mich einer der uncoolsten Typen und man merkt, dass ihm Rap seit vielen Jahren am Arsch vorbeigeht. Würde es mit der Schauspielerei und seinen TV-Auftritten noch besser laufen, gäbe es bestimmt gar keine neue Musik von ihm.

    • Vor 4 Jahren

      Naja, ist mir doch egal, ob ihm Rap am Arsch vorbei geht, aber so als Typ finde ich Ekrem schon sympathisch und man muss halt auch sagen, dass er in seiner "Karriere" als Rapper auch (oft selbstverschuldet) viel Scheisse hat fressen müssen. :

    • Vor 4 Jahren

      Mir ist das irgendwie nicht egal, weil er total auf Old-Schooler und Realkeeper gemacht hat, als er gemerkt hat, dass das gut ankommt ("Was für Trap-Musik? Macht mal Rap-Musik!"), aber dann Comedy-Songs für Joko und Klaas gemacht und sich Elyas M'Barek und Sebastian Krumbiegel auf sein Album geholt halt, als es wieder aufwärts ging und er den nächsten Schritt in den Mainstream machen wollte. Der hatte doch nur keinen Bock wieder Schuhe zu verkaufen und verkauft sich deshalb lieber selber.
      Solche Rückgrat- und Geschmacklosigkeit finde ich nicht sehr sympathisch, auch wenn er damit niemandem schadet. Also finde jedenfalls, dass er jetzt szeneintern so relevant ist, wie er es verdient hat. Und das sage ich als jemand, der ihm lange wohlgesonnen war. Seine Musik verkauft sich ja auch immer noch relativ ordentlich, auch wenn ich nicht weiß, wer so was hört.

    • Vor 4 Jahren

      Eko hatte seinen Meilenstein mit Eksodus, das war großartig, hat sich top verkauft (seine erste Nr.1) und hat ihm so Anfang der 10er seinen zweiten Karrierehype generiert. Daraufhin wurde er leider (zum wiederholten Male!) größenwahnsinnig, was im - insbesondere im Vergleich zu Eksodus - unsäglichen „Deutscher Traum“ mündete, was außer Pseudo-Bombast und peinlichen Features nix zu bieten hatte. Seitdem halt wieder eher unter „ferner liefen“ zu finden.
      Wobei ich sagen muss, dass Blockbustaz so seine Momente hatte, was aber weniger an Eko lag, sondern eher an Andreas Hoppe als versoffener Klientel-Vater und Ferris als Pizzabäcker.

    • Vor 4 Jahren

      einfach geil wie hier mal wieder diese dämliche realness vs. pop debatte aufkocht. und jaja, echte gangster wie ihr würden niemals mit der bpb zusammenarbeiten!!111 sich niemals verkaufen, immer gerade bleiben, nicht mit der polizei sprechen! geht doch onkelz hören ihr spaten.

    • Vor 4 Jahren

      @ragi: du hast das Konzept realness immer noch nicht verstanden?

    • Vor 4 Jahren

      Hat doch gar nichts mit Realness zu tun, also beruhig dich mal wieder. Halte Eko einfach für einen peinlichen Wendehals, der sein Charisma maßlos überschätzt und musikalisch letztlich nie vollständig das eingelöst hat, was ich nach seiner Anfangszeit von ihm erwartet habe, weil er letztlich hauptberuflich C-Promi und kein Vollblutmusiker ist.

    • Vor 4 Jahren

      Damit ist er vielleicht sogar real, denn wir wissen doch spätestens seit "Das Urteil", dass er keine (künstlerische) Identität hat. ;) Scheiße finden kann ich ihn aber trotzdem.

  • Vor 4 Jahren

    Beachtlich bei Cem finde ich, dass der seinen großen Hype in einem Alter hat, wo dieser eigentlich schon etwa 10 Jahre her sein sollte. 15 Jahre im Business um dann mit Mitte 30 durchzustarten ist im Rapbiz schon was besonderes.
    Besonders, weil der Output mit Zunahme des Hypes imo immer schlechter wurde. Gönn es ihm trotzdem. Einer der wenigen wirklich sympathischen Dudes.

  • Vor 4 Jahren

    Sieht halt aus wie'n Windbeutel der Dude, aber n sympathischer Windbeutel. Mukke geht klar