30. November 2005

Keine Angst vor Depeche Mode

Interview geführt von

Ihr erster Hit "Keep Control" hielt sich sechs Wochen in den amerikanischen Dance-Charts. Nach Streitigkeiten mit dem alten Label haben Sono einiges erlebt. Nun sind sie endlich mit ihrem neuen Album "Off" zurück.So einen Karrierestart kann man sich als Newcomer nur wünschen: Kaum finden sich Lennart A. Salomon, Florian Sikorski und Martin Weiland im Jahr 2001 als Band zusammen, nimmt sie das Major-Label Polydor unter Vertrag, stellt ihnen ein Riesen-Budget zur Verfügung, dreht überteuerte Videos. Als Folge landen Sono einen Dance-Hit nach dem anderen. Kaum sind die nationalen Clubs erobert, geht es auch schon munter im Ausland weiter. Sonos erste Single "Keep Control" hält sich sechs Wochen in den amerikanischen Billboard Dance-Charts. Bands wie Kosheen reißen sich um die drei smarten Hamburger Jungs als Tour-Support. Nebenbei remixen sie Songs von Rammstein, Fischerspooner oder Timo Maas.

Trotzdem ließ ein zweites Sono-Album lange auf sich warten. Und das obwohl sie sich direkt im Anschluss an die Veröffentlichung des Debüts "Solid State" wieder ins Studio begeben. Ihre Kreativität ist kaum zu bremsen und das zweite Album "Off" bereits nach kürzester Zeit im Kasten. Doch so heiß ihre damalige Plattenfirma Anfang des Jahrtausends noch auf Sono war, so viele Steine legt sie ihnen in den Weg, als diese ihre neuen Songs vorstellen. "Off" entwickelte sich zum offiziellen Trennungsgrund von Band und Plattenfirma. "Wir haben Polydor letztendlich verlassen, weil wir unsere Platte rausbringen wollten, wie wir es für richtig hielten. Bei Polydor gab es ziemlich viel Personalwechsel. Wir hatten ständig neue A&Rs und jeder hatte eine andere Meinung zu Songs, die eigentlich schon längst fertig waren. Es war einfach kein vernünftiges Arbeiten möglich". Als ihnen klar wird, dass es so nicht weiter gehen kann, entschließen sie sich, den Großkonzern zu verlassen. Eine Entscheidung, die zu einem jahrelangen Streit führt, der nur noch über Anwälte und mit viel Geduld geklärt werden kann.

Bei PIAS Recordings haben Sono jetzt endlich eine neue Heimat gefunden. Für die Veröffentlichung ihres neuen Albums sahen sie sich ganz gezielt nach einer kleinen, unabhängigen Plattenfirma um. Sie entschieden sich schnell für PIAS, wo sie sich zwischen Acts wie Vitalic, Tiga, Soulwax oder den 2ManyDJs bestens aufgehoben fühlen. Einen der Hauptvorteile bei einem Indie unter Vertrag zu sein, sehen Sono vor allem darin, dass das Label daran interessiert ist, Künstler langfristig aufzubauen. Ist eine Single mal nicht so erfolgreich, kommt eben die Nächste. Sie droppen einen Künstler nicht sofort, sondern überlegen, was man beim nächsten Mal besser machen kann.

Sono finden es auch nicht wirklich bedauernswert, dass es nun nicht mehr zu jeder Single einen Clip, Poster, Mousepads oder eine umfangreiche T-Shirt-Kollektion gibt. "Hier ist das Verhältnis zu Geld einfach gesünder. Von dem Geld, das wir damals für Musik-Videos ausgegeben haben, könnte man heute locker ein paar Jahre leben. Das sind einfach unfassbare Relationen!" So kommt es dann auch, dass sich Plattenfirma und Band für ihre neue Single "A New Cage" ganz bewusst gegen ein Video entschieden haben. Der Zeitrahmen, in dem auf den einschlägigen Musiksendern überhaupt noch sündhaft teure Musikfilmchen laufen, wird immer knapper. Dafür die Konkurrenz, wenn zeitgleich große Acts wie Depeche Mode oder Robbie Williams mit eigenen Alben um die Ecke kommen, noch härter. Statt Geld für einen Clip auszugeben, den man unter Umständen auf keinem der Sender platzieren kann, investierten sie nun lieber in andere Marketing-Möglichkeiten und Promotion.

"Wir müssen nicht sofort wieder internationalen Erfolg haben."

Ein großes Hinderniss mussten die Hamburger allerdings trotz guter Promo überwinden: Veröffentlicht eine Band wie Sono ihr Album am gleichen Tag wie Depeche Mode, kann es schon mal eng werden. Zumal Sono mit ihren Synthie-Sounds und 80er-Anleihen eine große Anhängerschaft in der Elektro-Pop-Szene gefunden haben und sich der geneigte Käufer dann vielleicht zweimal überlegt, in welchen der Acts er seinen Lohn investiert. Anfangs selbst etwas über das unglückliche Timing erschrocken, nehmen es Lennart & Co. mittlerweile gelassen: "Geplant war es auf keinen Fall. Wir dachten uns aber dann, dass es vielleicht doch ein Vorteil sein könnte. Die Leute sind ohnehin gerade in der Stadt und denken sich vielleicht: "Na ja, dann nehme ich das andere Album auch noch mit’". Und tatsächlich finden sich in Sonos Gästebuch schon Einträge von begeisterten Käufern, die beim Stöbern nach dem neuen Depeche Mode-Album auch auf "Off" gestoßen sind.

Auffällig am neuen Sono-Werk ist, dass auf einmal Gitarren wesentlich stärker in den Vordergrund treten und viel häufiger als beim Debüt auftauchen. Laut Sono ein sehr natürlicher Prozess, der sich vor allem daraus ergab, dass sie auf Tour sehr viel mit Live-Instrumenten spielen und Sänger Lennart neue Songs vorrangig auf der Gitarre komponiert.

Aber nicht nur der Sound hat sich verändert, auch innerhalb der Band hat sich ein neues Selbstverständnis entwickelt. Lennart dazu: "Wir sind nicht mehr nur ein Projekt oder Produzententeam. Wir verstehen uns mittlerweile viel eher als Band. Als wir mit "Solid State" auf Tour waren, hatten wir noch einen Gitarristen, einen Bassisten und einen Percussionisten mit dabei. Wir waren zu sechst. Jetzt sind wir 'nur' zu Dritt unterwegs. Ich spiele live mehr Gitarre und die Jungs drehen noch mehr an den Knöpfen. All die Zeit, die wir miteinander verbracht haben und die ganze Arbeit, die dahinter steckt, das schweißt einfach zusammen. Wir haben erst mit der Zeit gemerkt, dass es wohl auch seinen Grund hat, warum wir zusammen arbeiten".

Das neu gewonnene Bandgefühl lässt sich auch leicht an der Optik ablesen. War es bei "Solid State" wichtig, ein möglichst stylishes Artwork zu präsentieren, liegt der Fokus bei "Off" eher darauf, den Fans endlich zu zeigen, wer eigentlich hinter der Musik von Sono steckt. "Das neue Booklet und die Fotos darin waren ein ganz bewusster Schritt. Wir wollten, dass alles greifbarer wird. Die Musik kommt von diesen drei Typen. Und die bedienen die Instrumente. Wir wollten mehr Zusammenhänge schaffen, damit alles ein bisschen homogener wird".

Ein Gesamtkonzept, das zeigt wie viel Arbeit und Gedanken in "Off" stecken. Schritt für Schritt bauen Sono jetzt das auf, was durch die lange Pause wieder verloren ging. Im Blickfeld haben sie dabei vorrangig den nationalen Markt. Obwohl sie natürlich nichts dagegen hätten, wenn sich auch Tracks des neuen Albums in den internationalen Charts wieder fänden. "Die ersten beiden Singles aus "Solid State" waren in den amerikanischen Dance-Charts sehr erfolgreich. Was natürlich ein absoluter Traum ist. Aber es ist jetzt nicht so, dass wir sagen, wir müssen unbedingt sofort wieder internationalen Erfolg haben.

Mit PIAS haben wir ein Label, das europaweit sehr gut vernetzt ist. Aber erst einmal konzentrieren wir uns jetzt auf Deutschland. Wenn das in Deutschland was wird, dann werden die anderen schon automatisch hellhörig." Der beste Weg seine Musik unter die Leute zu bringen, ist natürlich immer noch eine Tour. Das finden die Herren von Sono auch und freuen sich jetzt schon auf die "Off"-Tour, die sie für Anfang 2006 planen. Im Vorfeld haben sie allerdings das große Vergnügen, die Elektro-Popper von Apoptygma Berzerk auf ihrer Deutschland-Tour im November zu begleiten. "Stefan Groth von Apoptygma hat unser Album gehört und fand es selbst ziemlich geil. Etwas Besseres hätte uns gar nicht passieren können. Für die Fans ist es ein tolles Package und von der Zielgruppe her passt es total gut."

"Bei Rammstein-Mixen hat man ein bisschen Angst."

Sonos Vielschichtigkeit - auch im Hinblick auf die verschiedenen Fans, die sie mit ihrer Musik begeistern - basiert vor allem auf den unterschiedlichen, musikalischen Hintergründen der einzelnen Bandmitglieder. Lennart war vor Sono bereits Sänger und Schlagzeuger in diversen Rock-, Jazz- und Funk-Bands und hat heute mit Jerobeam sein eigenes kleines Nebenprojekt. Hier lebt er all jene Seiten aus, die sich bei Sono nicht so recht unterbringen lassen.

"Jerobeam ist Rock'n'Roll. Da geht es ganz eindeutig und vorrangig um den Live-Aspekt. Da lasse ich noch einmal andere Musikrichtungen mit einfließen, auf die Florian und Martin jetzt nicht so stehen. Mit meinen beiden Mitstreitern kann ich mich tatsächlich auf die Straße stellen und Straßenmusik machen, weil es einfach dann nur um zwei Gitarren und eine Snare geht. Das ist natürlich bei Sono nicht möglich. Da müssen es dann schon drei bis vier Snares sein und das ein oder andere Kabel. Mit Jerobeam spielen wir auch mal in Kneipen vor 30 Leuten auf einer Bühne, die nicht größer ist als ein Sessel. Pure Musik zu machen. Darum geht es." Während sich Lennart mit seinen Musikern auf der Straße vergnügt, bevorzugen Florian und Martin in ihrer Sono-Freizeit doch eher den wind- und wettergeschützten Platz im Studio und produzieren unter anderem die Hamburger DJ-Ikone Markus Gardeweg oder die Disco Boys.

Zweite große Passion der beiden: Remixe. Sie verpassten bereits Songs von internationalen Größen wie Rammstein, Fischerspooner oder sogar Kelly Osbourne den ganz eigenen Sono-Touch. Eine Aufgabe, die spannender wird, je größer die musikalischen Unterschiede sind. "Bei Rammstein oder Kelly Osbourne bestand die Herausforderung vor allem darin, dass es Künstler sind, die im Dance-Segment nicht so stattfinden. Und bei Kelly Osbourne kam noch hinzu, dass die Frau so extrem polarisiert. Da war der Reiz, sie zu neu zu mischen schon sehr groß. Bei Rammstein ist es einfach klar, dass jeder der die Anfrage bekommt, sie zu remixen sofort ja sagt. Das ist einfach ein Name und die kommen aus einer völlig anderen Richtung. Das lehnt man einfach nicht ab. Da muss man sich einfach mal austoben. Auch wenn man ein bisschen Angst hat, dass bei Nichtgefallen die Hütte brennt."

Die Sorge war letztendlich völlig unbegründet. Der Mix gefiel und das Tonstudio steht noch. Gut so, denn erst kürzlich klopften die Chartstürmer von Ich+Ich an eben jene Studiotür und baten Sono, Hand an ihre neue Single zu legen. Kein Problem für Florian und Martin, die im Bereich Deutschpop bereits Erfahrungen durch Remixe für Rosenstolz sammeln konnten. Was einen Song erwartet, wenn die beiden ihn erst einmal in die Finger bekommen? Ganz einfach: "Wir schmeißen eigentlich immer fast alles weg bis auf die Gesangsspuren und arbeiten am liebsten nur mit dem Gesang. Wir haben immer ein bisschen Schwierigkeiten mit Tracks zu arbeiten, die sich dann nur auf eine Melodie konzentrieren. Deswegen liegt uns das sehr, wenn tolle Vocals vorliegen. Bei Ich+Ich war das nicht ganz so einfach, da der Song ein extrem schwieriges Tempo hatte. Aber wir haben uns dann letztendlich ganz kleine Fragmente rausgesucht und einen großen, bombastischen Dub daraus gezaubert, der dann auch ganz gut bei Frau Humpe ankam."

Die Neuinterpretationen, die das Hamburger Studio verlassen, finden sich nicht nur auf den Singles der jeweiligen Künstler wieder. Sie setzten ihren Weg auf den Plattentellern einschlägiger Clubs, in denen die Band mit eigenem DJ-Set unterwegs ist, fort. Auch hier treten die drei immer geschlossen auf, wobei Martin auflegt, Florian über Laptop und Synthie noch elektronische Sounds und Spielereien mit einfließen lässt und Lennart singt. Noch sind Sono allerdings nur in Dance-Clubs unterwegs. Was vor allem daran liegt, dass Martin hauptsächlich Club-Sound auflegt und das schon seit er 17 ist. So lange er das auch schon macht, so viel Spaß hat er noch dabei. "Vor allem, wenn man nicht alleine durch die Gegend tingelt sondern die beiden noch mit dabei hat, dann macht das natürlich dreifach Spaß." Harmonie pur bei den sympathischen Jungs von Sono.

Zum guten Schluss dann noch die besten Gründe, sich Sonos neues Album "Off" tatsächlich physisch zuzulegen. Die Band bedankt sich nicht umsonst in ihrem Booklet bei all jenen, die das Album gekauft haben, anstatt es sich aus dem Netz zu ziehen. "Wir bieten den Leuten ein fantastisches Artwork mit allen Texten drin, schönen Fotos und dem haptischen Erlebnis mal ein richtig gutes Booklet mit richtig gutem Papier in der Hand zu haben. Außerdem gibt es die CD in der vollen Klangqualität und nicht ein runtergerechnetes Mp3, bei dem immer irgendwelche Soundschnipsel fehlen und das am Ende nur so halbgar klingt. Wo der Florian doch wirklich sein bestes gegeben hat bei der Abmischung." Also dann, Sparschwein geschlachtet und ab zum Plattenhändler eures Vertrauens. Das Booklet fühlt sich tatsächlich richtig gut an.

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Sono

Sono heißt der Klang aber auch das Trio das ihn erschafft. Dieses setzt sich zusammen aus Sänger Lennart A. Salomon sowie den Soundbastlern und Produzenten …

Noch keine Kommentare