laut.de-Kritik

(K)ein Meisterwerk mit No-Future-Attitüde.

Review von

Manche Momente auf "Take Control" vermitteln den Eindruck, Slaves hätten den Titel ihres zweiten Albums wörtlicher nehmen können. Ein paar Mal lassen sie die Zügel allzu locker, wiederholen Strukturen zu beharrlich und testen das Nervenkostüm ihres Publikums, etwa mit der offensiv-schrottigen Miniatur "Fuck The Hi Hat". Aber genau das will das britische Duo vermutlich: Stören, nerven, anecken, nicht einfach konsumiert werden. Und genau damit treffen sie einen richtigen Nerv.

Hits lassen Isaac Holman und Laurie Vincent dieses Mal einfach bei Seite, die stehen anderen Bands ohnehin besser. Stattdessen klingt ihr Punk nun gerade in der ersten Hälfte der Platte so unmittelbar, als gäbe es keine Distanz mehr zwischen Band und Publikum, als würde die Musik direkt auf dem Körper des Rezipienten entstehen. Der Bass pumpt, die Gitarre sägt, das Schlagzeug treibt minimalistisch, aber effektiv, und zusammen groovt das eben so, wie es all die anderen tollen Duos der letzten Dekade vorgemacht haben.

Doch Slaves bringen gerade mit "Take Control" eine gewisse Frische in diesen etablierten Sound. "Spit It Out" eröffnet das Album aufgekratzt, dringlich, nervöse Gitarre, forcierende Rhythmusfraktion, Holmans Vocals zwischen Singsang, Sprechgesang und Ausraster. Der Titeltrack und "Hypnotised" schlagen in ähnliche Kerben, die Referenzen sind präsent, aber egal, bei der Energie, die hier erzeugt wird. Entweder vom Hype gefressen werden oder den Hype fressen, das waren nach dem Erfolg des Debüts die Optionen, oder in den Worten der Band: "Consume Or Be Consumed".

Auf dem gleichnamigen Song gastiert Mike D, seines Zeichens ehemaliger Beastie Boys MC und Produzent von "Take Control". Zu psychotischen Orgelklängen und besonders feistem Groove gibt er einen knappen, kryptischen Part zum Besten, der sich jedoch wunderbar in die diffuse Welt einfügt, die Holman um ihn herum entwirft. Es geht um alltägliche Kontrollverluste, semi-beängstigende Cyberwelten und die Beschissenheit des Klassensystems, vorgetragen zwischen Aufgebrachtheit und egalitärer Haltung, in deren Rahmen es auch konsequent wirkt, auf den eigenen Mentor zu spucken.

"He used to be a Beastie Boy / Now he works for me" schnoddert Holman in herrlich arroganter Weise am Ende des schunkeligen "People That You Meet", das behäbig die zweite, variablere Hälfte des Albums einläutet. "Angelica" vergreift sich dort etwa im Grenzbereich zur Parodie an Swing, während das feinfühlige "Steer Clear" verstohlen in Richtung Synth Pop blickt. Deftiger geht es bei der Lo-Fi-Industrial-Imitation "STD's/PHD's" zu, durch das erneut gespenstische Sounds streifen.

Eben diese Skizzenhaftigkeit ermöglicht es Slaves, ihren Sound zu variieren, ohne gleich den Ansprüchen eines Genres genügen zu müssen, in dem eigentlich ohnehin schon alles gesagt ist. Frei nach der einst von Tocotronic ausgegebenen Losung "Keine Meisterwerke mehr" bedient sich die Band freimütig an verschiedenen Stilen, die man heute als Mittzwanziger eben so im Laufe seiner musikalischen Sozialisation aufgesogen hat, und kreiert beiläufig einen Mixtur, die zu labeln sich kaum lohnt.

Slaves arbeiten sich an Situationen, Weltanschauungen und Biographien mit einer unwiderstehlichen Nachlässigkeit ab, ohne jemals in übertriebene Ironie oder gar Albernheit abzudriften. In einer Mischung aus Phlegma, bitterem Hedonismus und diffuser Wut blicken sie auf den Scherbenhaufen um sich herum und versuchen, der Lage Herr zu werden. Wie es weitergehen soll, weiß heute ja eh niemand, weder was den digitalen Datendiebstahl, noch Trump oder den Brexit angeht.

No Future scheint da als Perspektive gar nicht mehr so unattraktiv, und eben diesen Vibe vermittelt "Take Control": Es ist ein ratloses Schulterzucken, ein Weitermachen um des Weitermachens willen. Die verbleibende Zeit muss genutzt werden, für Gründlichkeit bleibt kein Platz, was manchen Kollateralschaden fordert, unterm Strich jedoch ein gerade deswegen ausgezeichnetes zweites Album ergibt.

Trackliste

  1. 1. Spit It Out
  2. 2. Hypnotised
  3. 3. Consume Or Be Consumed (feat. Mike D)
  4. 4. Take Control
  5. 5. Mr. Industry (Skit)
  6. 6. Rich Man
  7. 7. Play Dead
  8. 8. Lies
  9. 9. Fuck The Hi Hat
  10. 10. Gary (Skit)
  11. 11. People That You Meet
  12. 12. Steer Clear (feat. Baxter Dury)
  13. 13. Cold Hard Floor
  14. 14. STD's/PHD's
  15. 15. Angelica
  16. 16. Same Again

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Slaves

Duo is the new punk: Isaac Holman (Gesang, Drums) und Laurie Vincent (Gitarre, Gesang) aus Tunbridge Wells in der Grafschaft Kent verschreiben sich seit …

Noch keine Kommentare