laut.de-Kritik

Eine Massage mit Sandpapier auf Haut.

Review von

In elf Jahren kann sich viel verändern. SikTh gaben allerdings nach ihrem Comeback schon mit der EP "Opacities" einen Zwischenstand durch, der nahelegte, dass die in Szenekreisen zurecht als Eckpfeiler der Tech-Prog-Bewegung verehrten Briten rein gar nichts verlernt haben. So überrascht es wenig, dass die erste Full-Length-Platte seit "Death Of A Dead Day" ein Genreknaller par excellence geworden ist.

Das Herausragende an SikTh war schon immer, dass ihre Kompositionen meist wunderbar als Instrumentals funktionieren würden, aber trotzdem gerade wegen der omnipräsenten Doppelvocals so herausragend sind. Den Wechsel von Justin Hill zu Joe Rosser hat die Band gut verkraftet. Zwar wirkt es, als agierten SikTh geringfügig weniger abgedreht als mit Hill. Doch schon nach wenigen Durchläufen lernt man die Qualitäten Rossers zu schätzen. Das Kreuzfeuer in den aggressiven Momenten mag etwas an Tempo eingebüßt haben, dafür wartet der Neue mit einigen fabelhaften Hooks auf. "The Aura" und "Ride The Illusion" mutieren dank ihm zur Hymne. Und in der Strophe werfen sich er und Mikee Goodman die Bälle zu als würden sie seit Kindheitstagen nichts anderes tun.

Apropos Mikee: Der live gerne Jogginghose und Schlabbershirt rockende Rastaman klingt tight wie eh und je. Seine hektischen Screams sind zwar ungefähr so angenehm wie Schmirgelpapier auf Haut, wirken bei ihm aber trotzdem wie Ohrenbalsam.

Als solches geht auch das von Peripherys Spencer Sotelo veredelte "Cracks Of Light" durch. Nach düsterem Spoken-Word und Schreien im Hintergrund, harten Staccato-Gitarren und hochmelodischem Refrain im ersten Teil, lauert im zweiten Drummer Dan Foords Glanzstück. Ganz sanft tanzt er über Becken und Toms, klöppelt einen schillernden Teppich für die darüber liegenden Gesangsharmonien – in irrem Tempo. Wahrlich virtuos. Im Outro hagelt es Blastbeats.

Noch ein weiterer Periphery-Mann hatte übrigens bei "The Future In Whose Eyes?" im Spiel: Adam "Nolly" Getgood sorgte in Kooperation mit SikTh-Gitarrist Dan Weller für Produktion und Mix. Dem ist nicht nur der kristallklare Klang eben erwähnter Cymbal-Offenbarung zu verdanken, sondern auch, dass die Bass-Pops in "The Aura" so schön schnalzen. In welche Knoten sich die Band auch verrenkt, die Produktion sorgt dafür, dass man den Überblick behält – so man das denn überhaupt möchte. Sobald man sich im Labyrinth SikThs nämlich einmal zurechtgefunden hat, möchte man es eigentlich gar nicht mehr verlassen. Bezeichnend dafür ist die gesanglich wohl eindrucksvollste Stelle des Albums. Während sich Mikee und Joe in "Golden Cufflinks" bestetig auf die rausgekeifte Titelline "The future in whose eyes?" zuwinden, wickeln sie den Hörer so dicht in ihr Spinnennetz ein, dass man sich wenn es schließlich soweit ist, gar nicht mehr zu hundert Prozent sicher ist, wer von beiden gerade ins Mikro haucht.

Das einzige, was man SikTh auf "The Future In Whose Eyes?" ankreiden kann, ist, dass die durch die drei Hörspiel-Interludes "The Ship Has Sailed", "The Moon's Been Gone For Hours" und "When It Rains" suggerierte Tiefe in der Komplexität des Albums verloren geht. Um auch das noch in angemessener Tragweite transportieren zu können, agieren SikTh schlichtweg zu kalt und durchgetaktet. Der Gedanke mag allerdings auch nur einer subjektiven Wahrnehmung entspringen.

Dankend nimmt man ohnehin an, dass die beiden letzten Zwischenspiele einen Rahmen um das Herzstück des Albums legen: "Riddles Of Humanity", "No Wishbones" und "Ride The Illusion" machen den dritten Akt zum Höhepunkt. Speziell "Riddles Of Humanity" kehrt in Strophe und Riff (das konzeptioniert ist wie Gojiras "Oroborus" auf Ecstasy) den ganzen Math-Wahnwitz nach außen, im Refrain tun sich neue Abgründe auf und Mikee stellt sich mit zur Abwechslung warmen, aber sehr bestimmten Hook-Vocals ins Spotlight.

"The Future In Whose Eyes?" ist definitiv kein Wegweiser, sondern bringt in vielerlei Hinsicht eher die ursprüngliche Essenz des Tech-Metal auf den Punkt. Das Ergebnis klingt im besten Sinne zeitlos. SikTh erfanden sich nicht neu, doch dank der im Vergleich zu früher insgesamt etwas weniger düsteren, strukturierteren Ausrichtung, steuern sie trotzdem erfolgreich gegen bloße Wiederholung an. Und insbesondere dank der jedesmal aufs Neue beeindruckenden Vokal-Manie ist die Band noch immer eine Klasse für sich.

Trackliste

  1. 1. Vivid
  2. 2. Century Of The Narcassist?
  3. 3. The Aura
  4. 4. This Ship Has Sailed
  5. 5. Weavers Of Woe
  6. 6. Cracks Of Light
  7. 7. Golden Cufflinks
  8. 8. The Moon's Been Gone For Hours
  9. 9. Riddles Of Humanity
  10. 10. No Wishbones
  11. 11. Ride The Illusion
  12. 12. When It Rains

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1 Kommentar

  • Vor 6 Jahren

    puuuh.. bin seit TesseracT großer freund des djent. hab entsprechend dankenswerterweise auch zugang gefunden zu bands wie monuments oder periphery, die stilistisch sikth nahe stehen. aber der vorgänger "death of a dead day" ist wirklich n ziemlicher brocken brainfuck. absolut geiler groove, ja, aber absolut stressiges songwriting mit befremdlichen melodien und "refrains", die mühsam herausgefräst werden müssen, vocals iwo zwischen screamo und death.
    "the future in whose eyes" wird vielleicht ein neues monument im djent, oder es wird gegen die wand gefahren, weil es einfach zu verdammt anstrengend und prätentiös ist..- warten wirs ab.