laut.de-Kritik

Von transatlantischen Skype-Calls und fabelhafter Queerness.

Review von

Das Albumcover ziert eine queere Version von Auguste Rodins Marmorskulptur "Der Kuss". Zwei Frauen eng umschlungen. "This isn't love, this is an emergency", singt Shura in "BKLYNLDN". Und in der Tat: Es ist verdammt noch mal an der Zeit, dass die hier von der gebürtigen Russin besungenen Gefühle ein Gehör finden. Ihr Zweitlingswerk "Forevher" ist ein Album über (queere) Zweisamkeit, transatlantische Skype-Calls, Fernbeziehungen und letzten Endes über etwas, worauf wir uns alle einigen können: Die Schönheit der Liebe. Unabhängig vom Geschlecht.

Interessant dabei ist Shuras Faszination für Religion. Auch außerhalb des offensichtlich religiös inspirierten "religion (u can lay your hands on me)" ziehen sich sakrale Motive und Bilder durch das gesamte Album. Damit kontrastiert die Sängern ihre Sexualität mit der scheinbar gegensätzlichen und homophoben Glaubenslehre: "It's human, it's our religion. No preacher to teach us to love". Recht hat sie.

Shura verliebte sich zeitgemäß online auf einer Dating-App. Sie erzählt die Geschichte ihrer Beziehung sowohl auf musikalischem Weg als auch ganz offen in ihren Lyrics. "the stage" markiert das erste gemeinsame Date auf einem Konzert ("I can't see the stage cause I'm looking at you"), "religion (u can lay your hands on me)" schildert sexuelle Phantasien vor dem ersten physischen Kontakt und "BKLYNLDN" vermittelt mit seinem Outro den Moment der Überraschung und Geborgenheit seinen Partner nach einer Ewigkeit wieder zu sehen. All diese Gefühle und Erlebnisse hüllt die Sängerin in eine wohlig-warme psychedelische Synthiepop-Wolke, auf die man sich nur zu gerne fallen lässt.

Doch Shura ruht sich nicht auf dem Gefühl des Verliebtseins aus. Der unabdingbare Tod schleicht sich aber der Hälfte der LP in ihr Songwriting. Auf "princess leia" spinnt sie ein Szenario um ihr eigenes Ableben, und durch den Tear-Jerker "tommy" kommt sie, mit Hilfe einer Geschichte, die ihr ein alter Mann erzählte, zur Erkenntnis, dass der Tod vielleicht auch einen neuen Anfang darstellen kann: "I'm in heaven without you, but just take your time, I'll be alright", singt sie umgarnt von leisen Piano-Keys. Das klingt auf dem Papier ziemlich corny und altbacken, ist aber umwerfend schön umgesetzt und lässt keinen Zweifel an der Authentizität der Gefühle aufkommen.

"flyin'" verbindet dann beide Extreme in einem: "Scared of dying, but I'm dying to see you". Sie lässt ihre Ängste hinter sich, bevor sie sich vollends ihrer Liebe hingibt und am Ende mit "skyline, be mine" eine sanfte euphorische Bombe platzen lässt: "I am nothing, but I believe in your body underneath. Be Mine."

Man hat zu diesem Zeitpunkt fast schon vergessen, dass es sich hierbei um keine heterosexuelle Beziehung handelt. "Queerness kann beiläufig sein. Sie muss es nicht, denn ich denke offene Queerness ist verdammt nochmal fabelhaft und ist etwas woran wir uns festhalten können", so die Sängerin. Umso wichtiger also, dass wir dieses Statement am Ende mit nach Hause nehmen und verinnerlichen. Alben wie dieses sind nicht nur eingängig, sexy und wunderschön. Sie sind auch absolut notwendig.

Am Ende der elf Tracks hat man sich zusammen mit der Sängerin neu verliebt und bleibt mit einem warmen Gefühl der Hoffnung zurück. "Love is Dead" haben Chvrches mit ihrem letzten Album konstatiert. Nach "Forevher" muss man widersprechen.

Trackliste

  1. 1. thats me, just a sweet melody
  2. 2. side effects
  3. 3. religion (u can lay your hands on me)
  4. 4. the stage
  5. 5. BKLYNLDN
  6. 6. tommy
  7. 7. princess leia
  8. 8. flyin'
  9. 9. forever
  10. 10. control
  11. 11. skyline, be mine

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