laut.de-Kritik

Der Schwanensee entpuppt sich als Ententeich.

Review von

"Opus" ist der lateinische Name für ein Werk, insbesondere das eines Komponisten. Schiller vergreift sich nun an der Klassik. Entgegen seines Albumtitels erschafft er kein eigenes schöpferisches Werk. Stattdessen greift er auf die Genialität weltbekannter Klassik-Evergreens wie "Schwanensee" oder "Bilder Einer Ausstellung" zurück. Hier eine Prise Grieg; dort ein Hauch Satie. Alles schön eingewickelt in den für Schiller typischen Strauß elektronischer Nichtigkeiten.

Dabei hätte alles so schön werden können. Die Gästeliste ist namentlich über jeden Zweifel erhaben. Mit an Bord: Der Oboist Albrecht Mayer, Pianistin Hélène Grimaud sowie Opernstar Anna Netrebko. Das Problem: Mehr brauchen die wundervollen Originale eigentlich nicht. Sie sind bereits vollkommen. Es fehlt nichts.

Konzeptionell hat man als elektronischer Musiker damit genau zwei Möglichkeiten. Entweder man geht den komplexen Weg eines Klaus Schulze, der solches mehr als einmal vorführte. Oder man geht den poppigen Weg der Kollegen Sankt Otten, die tatsächlich jenen lässigen Global Pop machen, den uns Schiller Album um Album lediglich verspricht.

Schiller lässt beide Pfade links liegen und wählt den dritten Weg. Statt den Monstervorlagen qualitativ und inspiriert entgegen zu kommen, zieht er Satie und Co lieber zu sich herunter in die kreativen Niederungen flachster Stromkreise und müder Effekthascherei. Das will natürlich nicht recht klappen. An der Qualität der Klassikthemen zerschellen Schillers müde Elektro-Ideen wie Kamikaze. Sie nerven kurz und dann ist es auch schon aus.

Genau dieser deutlich hörbare Kontrast zwischen Schein und Sein macht einen nicht unerheblichen Teil des unfreiwilligen Hörgenusses der Platte aus. "Solveig's Song" ("Peer Gynt") ist solch ein Moment. Allein die Violine von Diana Tishchenko neben Netrebkos Vocals adelt das Lied bereits. Wer zum Teufel braucht dort diese Adiletten-Soundscapes samt strandtauglicher Wind- und Wellen-Konserve?

Debussys "Rêverie" weigert sich tapfer, auf dem fies ausgerollten Allerwelts-Lounge-Teppich zu straucheln. Saties "Gymnopédie No.1" gilt vor allem in Ambientkreisen als prähistorischer Wegbereiter. Hier eingelegt in ein unwürdiges Bett eines tranigen Frischhaltefolien-Ambient. Wenigstens dezent arrangiert, aber als Klangbild schlicht überflüssig.

Auch der "Schwanensee" entpuppt sich auf der elektronischen Gegenseite als Ententeich. Albrecht Mayer baut samt Oboe eine goldene Brücke zum entrückten Thema. Schiller fackelt selbige mit pseudo-evil Baukasten-Beat ab. Schnell noch ein paar mystifizierende Effekte darüber gekleistert. Schon hört Pjotr Iljitsch Tschaikowski gar nicht mehr auf, im Mausoleum zu rotieren.

Ein echter Lichtblick: Gabriel Faurés "In Paradisum" ("Requiem Op. 48") wandelt Schiller angemessen sensibel in eine Art Space Requiem. Stimmige Sternengrablegung ohne das Original zu schänden. So viel Glück hatte Mussorgskys "Promenade" leider nicht. Der Komponist selbst erläuterte, dass das Thema den jeweiligen Besucher darstelle, wie er zwischen den Ausstellungsstücken umherwandere. Im Würgegriff von Schillers bleiernem Seniorenstift-Elektro taugt das Überbleibsel nur noch zur letzten Wanderung.

Und mittendrin Papiertiger wie das Vangelis goes Kubrick Bildchen "Opus: Exposition" oder das zugegeben sehr ästhetische Nichts "Sunrise Way". Spätestens bei Letzterem wird klar: Es ist nicht der Wohlklang, der hier stört. Es ist nur die ideenlose Herangehensweise Schillers. Einmal mehr bleibt von Deylen den echten Beweis einer eigenen Handschrifst schuldig, bleibt Zitierender und versiegelt alles in handelsüblicher "Tapetenmusik" (O-Ton von Deine Lakaien Sänger Alexander Veljanov). Ein bizarres Hörerlebnis zum nahenden Herbst!

Trackliste

  1. 1. Opus: Exposition
  2. 2. Desert Empire
  3. 3. Gymnopédie No.1
  4. 4. Swan Lake
  5. 5. Solveig's Song
  6. 6. Twentynine Palms
  7. 7. Promenade
  8. 8. El Cielo
  9. 9. Reverie
  10. 10. Imperial Valley
  11. 11. Sunrise Way
  12. 12. In Paradisum
  13. 13. Rhapsody On A Theme Of Paganini
  14. 14. Opus: Reprise

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LAUT.DE-PORTRÄT Schiller

Nein, hier geht es nicht um den guten alten Friedrich, sondern um das Trance-Projekt der Herren Mirko von Schlieffen und Christopher von Deylen aus Hamburg.

21 Kommentare mit 12 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Der soll sich mal bei Nacht in meine Straßen trauen. Wenn so nen Klappskalli sich an Satie und Debussy vergreift, werd ich zum Bärenjuden.

  • Vor 10 Jahren

    Was erwartet man denn schon von einem Unheilig-Komplizen?

  • Vor 10 Jahren

    Kritik ist das eine, aber unfair über die Schaffenskraft eines Künstlers herziehen das andere. Lieber Ulf Kubanke - schonmal bei einem Schiller Konzert gewesen? Oder ein Schiller-Album mal nur mehr als kurz angeteased und durchgezappt? Wohl eher nicht. Dann dann würden Sie nicht so eindimensional über OPUS und Schiller allgemein reden. Bitte das nächste mal genauer damit beschäftigen. Auf fades Gesülze kann ich echt verzichten...

    • Vor 10 Jahren

      An Tagen, als wir noch eine gemeinsame Plattform besuchten und uns über Schiller austauschen konnten, da war die Welt noch in Ordnung, sowohl die Musik als auch das dazugehörige Forum. Beides hat sich verändert, die Musik von Schiller ist berechenbar, fast schon vorhersehbar geworden, langweilig, es fehlt an Glanzpunkten und echten "Gassenhauern", die wichtigsten Musiker der Gruppe sind weg, leider! Plattenerfolge kommen einzig durch die Beamtenmentalität der Fans zu Stande, die wie Lemminge alles, aber auch alles von Schiller kaufen und damit seitenweise Datenschrott in Foren blockieren. Ist das nicht eindimensional? Es ist schön, dass es in diesem Land möglich ist, frei seine Meinung im Form einer (berechtigten) Kritik zu äußern, nur fehlt es offensichtlich so manchem selbsternannten Schiller-Jünger an Gelassenheit und Toleranz, damit sachgerecht umzugehen, aber das kenne ich ja schon aus alten Forum-Zeiten. Schiller ist es bis heute nicht gelungen, international auch nur den Hauch eines meßbaren Erfolges anzutreten, die hiesigen Verkäufe sind an der immer großen Erwartungshaltung der Menschen festzumachen, die aus Gewohnheit immer wieder Alben in mannigfaltigen Abzock-Editionen zu kaufen, letztlich ist es egal, was unter der Rubrum Schiller angeboten wird, Hauptsache haben, haben, haben, und wenn es nur dazu dient, den anderen in Foren stolz seine wieder gewachsene Sammlung unter die Nase halten zu können. Ist das nicht eindimensional? Ich bin froh, mich über die Jahre von Schiller gelöst zu haben, es gibt so viel echte gute Musik von unbekannten Talenten und bedeutsameren Gruppen. Und da wird nicht so ein Hype um die Person von CvD gemacht. Zu dem Album selbst habe ich meine Meinung weiter unten geschrieben, Gott sei Dank gehöre ich nicht mehr zu denen, die ungesehen und ungehört sich so einen Abklatsch kaufen und aus Treue und Pflichterfüllung auch noch schön reden müssen oder sich über Kritiker aufregen. Schönen Gruss Marco

    • Vor 10 Jahren

      Ungeachtet des letzten, zugegebenermaßen schlechtesten Albums von CvD sowie ungeachtet des aktuellen Forumseinerlei: Was für ein kleines, winziges, unbedeutendes, nichtssagendes, kümmerliches, belangloses Lichtlein bist DU, der du dir anmaßt, über einen Künstler zu urteilen, dessen Fußabdruck dich mitsamt deinem aufgeblasenen Ego vollkommen zerquetscht? Kein Aas interessiert sich für deine Meinung, egal zu welchem Thema. Verschone bitte Musikkonsumenten mit deinem völlig überflüssigen Gelaber und geh zurück in deine Pachttoilette, wo du hingehörst. Ohne damit den übrigen Pachttoilettenbewohner bzw. -besitzern zu nahe zu treten zu wollen. Schönen Gruss, von mir aus auch von Marco.

  • Vor 10 Jahren

    Um gegenüber CvD nicht nur zu meckern, muss ich an dieser Stelle mal betonen, dass er in der Vergangenheit durchaus schon recht gelungen Klassik und Elektonik verschmolzen hat. Ich verweise da an das erste Album "bi polar" der Zusammenarbeit "Blüchel und von Deylen". Sogar eine sehr gelungene Gymnopédie-Version findet man dort. Insofern doppelt schlimm, dass er jetzt noch eine überflüssig schlechte hinterher schiebt. Und auch die Integration der Arie von Madame Butterfly in Schillers Stück "Ein schöner Tag" vom Album Weltreise darf man als gelungen bezeichnen.

  • Vor 10 Jahren

    Einfach nur schade, dass es anscheinend ein Christopher von Deylen immer noch nötig hat, sich von diversen Plattenbossen und/oder -firmen diktieren zu lassen, was er wann und mit welchem Inhalt veröffentlicht. Als Schiller-Fan suche ich, bislang erfolglos, nach einer Entschuldigung dafür, eine Menge Rohlinge, Verpackungsmaterial, Poster, aufgewendete Zeit und CD-Player-Abnutzung in OPUS investiert zu haben. Gelungen ist nur eins: Einen Klassik-Ableger eines Plattenimperiums auf den sowieso schon umkämpften Markt zu schicken, Netrebko sowie ein paar per Zufallsprinzip ausgewählte Stücke Musikgeschichte vor den Karren zu spannen und Herrn von Deylen auf den Kutschbock zu setzen, lediglich ausgestattet mit der groben Peitsche und altbekannten Soundschnipseln, das ist so schlecht, dass es schon fast wieder gut ist. Gut genug für Platz 1, was das einzige Ziel war. Hier spielt zusätzlich in die Karten, dass die Marketingabteilung OPUS in elfundneunzig verschiedene SuperDuperDeluxeRareSonderSonstwasFuchsUndFeuersteinEditions in die Regale wirft und es tatsächlich genug Einäugige unter den Tauben gibt, die ein paar Euros dafür übrighaben. Ich finde es als glühender Zeitgeist-Verehrer einfach nur schade und äußerst bedauerlich, dass der einst so erfrischend nebengleisig fahrende Christopher in einen Kopfbahnhof hineinsteuert. Man kann vieles mit Weiterentwicklung und Eigendynamik begründen, aber eben nicht alles. Ab "Leben" stand es erst still, um danach langsam immer gleicher zu werden und letzendlich in OPUS zu gipfeln. Ich hoffe inständig, dass der angesteuerte Prellbock genug Rückschlagskraft hat, um Christopher wieder auf die Schiene zu lenken, deren Kurven er blind beherrscht. Und so lange erfreue ich mich an "Lost" von Trentemøller, der besten halbelektronischen Veröffentlichung dieses Jahres. Vielleicht kommt CvD mal wieder in die Nähe eines so genialen Musikers wie der eben erwähnte Däne. Denn dort war er schon mal... wenn nicht gar drüber. Guten Rückflug, Christopher, du landest garantiert sicher!

  • Vor 10 Jahren

    Die Kritik ist eindeutig einseitig zu weit gegangen und daher unsachlich. Die beiden aufgeführten angeblich vorbildlichen Soundmacher sind schon mal nicht "gegenüber Schiller vorbildlich", sondern schwache Vorstellungen. Allein das zeigt schon wie daneben der Kritiker hier mit seiner Einschätzung liegt. Was die Einfallslosigkeit bei Opus angeht, ist jedoch wirklich einige Kritik berechtigt. Man sollte sich hier bei Schiller ganz schnell wieder mit so etwas aufhören. Das sind keine astreinen eigenen Klangwelten mehr, ein Absturz in den Klassik-Pop wäre für all diejenigen nicht wünschenswert, die nun mal auf Sounderlebnisse stehen, die als Gourmets bestellen und dann schliesslich kein Fast Food wünschen.