laut.de-Kritik

Schöne Stimme mit zu dick aufgetragenen Arrangements.

Review von

"'Afterglow' ist im Wörterbuch als 'Leuchten oder Licht, das nach dem Sonnenuntergang übrig bleibt' definiert. Du erinnerst dich noch an den hellen, glänzenden Schein, aber in dem Moment, in dem die Sonne verschwindet, siehst du alles in einem anderen Licht. Es ist ein sehr vergänglicher Moment. Die meisten Lieder handeln von Vergänglichkeit, wie wenn man einen Stein umdreht und sieht, was sich unter ihm verbirgt: Die schlammige, schattige Ungewissheit, wo alles anders ist", erklärt Sarah McLachlan die Bedeutung des Titels ihres siebten Albums.

Gesellschaftliche und private Ereignisse prägen die Texte der Kanadierin, deren letztes Studioalbum "Surfacing" sieben Jahre zurückliegt. An ihrer prägenden Stimme hat sich nichts geändert: Kristallklar und einfühlsam schafft sie es, dem Zuhörer unter die Haut zu fahren. Die Vergänglichkeit bezieht sich auf den Tod ihrer Mutter, die kurz darauf folgende Geburt ihrer Tochter und den Anschlag auf das World Trade Center, den sie in "World On Fire" verarbeitet.

Mit von der Partie sind neben Schlagzeuger und Ehemann Ashwin Sood auch Bassist Tony Levin und Keyboarder/Gitarrist Pierre Marchand, der sich wie gewohnt um die Produktion kümmert. Die Zutaten für ein gelungenes Album sind alle vorhanden; schade also, dass das Ergebnis aber alles andere als überzeugend ist.

Schuld tragen die Arrangements, die viel zu dick aufgetragen sind: Ob Streicherwirbel im Opener "Fallen", lasche Beats in "Time" oder billiger Pop in "Train Wreck": McLachlans Stimme und Texte geraten viel zu sehr in den Hintergrund. Das ist umso unverständlicher, als sie die Stücke nach eigenen Angaben auf dem Klavier komponiert hat. Ein Klavier, vielleicht noch ein paar Gitarren, hätten vollkommen gereicht und den Akzent auf das gesetzt, worauf es ankommt. Fast könnte man meinen, es handele sich hier nicht um eine anerkannte Künstlerin, sondern um ein unbekanntes Popsternchen, das am Anfang seiner medial organisierten Karriere steht.

Das hat Sarah McLachlan nicht verdient. Der Zuhörer ebenso wenig. Bleibt nur zu hoffen, dass es sich hier um einen musikalischen Afterglow handelt, einen vergänglichen Moment, der sich in dieser Form in Zukunft nicht mehr wiederholt.

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LAUT.DE-PORTRÄT Sarah McLachlan

25 Millionen Alben hat sie verkauft, drei Grammys gewonnen, das Benefizfestival Lilith Fair organisiert und mit ihrem Comeback-Album "Afterglow" (2004) …

1 Kommentar

  • Vor 16 Jahren

    Ich kann die Kritik an den Arrangements nicht nachvollziehen. Sarah hat den schmalen Grad zwischen anspruchsvoller Pop-Musik und schwülstigem Bombast sehr gekonnt beschritten. Man hört ihren Wandel in der Interpretation gegenüber Mirrorball doch deutlich heraus. Kaum ein Künstler, von Tori Amos abgesehen, ist in diesem Metier so heimisch wie Sarah. Ich freue mich auf ihren nächsten Geniestreich und hoffe sehr, sie bald wieder Live hören und sehen zu dürfen. Denn Live ist Sarah die absolute Erfüllung!